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14:20 Uhr - 23.06.2015

«Private Debt peppt das Anleihenportfolio auf»

Hans-Jörg Baumann, Gründer und Senior Partner von Swiss Capital Group, erläutert im Interview mit «Finanz und Wirtschaft», warum er institutionellen Investoren alternative Wege bei der Renditesuche empfiehlt.

zoomHerr Baumann, Private Debt sind Kredite, die von Asset-Managern zwischen institutionellen Investoren und Kreditnehmern direkt verhandelt werden. Der Markt wächst überproportional stark, weshalb?  
Nach dem Nullzinsjahr 2014 verzeichnen dieses Jahr mehr als zehn Länder Negativzinsen. Das stellt Portfoliomanager, die Einkommen erwirtschaften müssen, vor enorm hohe Anforderungen. Wer Rendite will, setzt sich erhöhter Zinsvolatilität aus, ja mittelfristig einem wachsenden Zinsänderungsrisiko mit entsprechenden Performanceeinbussen. Auch Cash ist im  Umfeld von Negativzinsen risikobehaftet. Statt «Cash is King» heisst es heute «Cash is Cost».

Die Kapitalmarktrenditen sind deutlich gestiegen. Ist das nicht ein Einstiegsniveau, zumal Inflation kein Thema zu sein scheint und die Zinsen auch wegen der expansiven Geldpolitik niedrig bleiben?
Ein länger als erwartet dauerndes Tiefstzinsszenario ist nicht auszuschliessen. Aber dass die Zinsen ein weiteres Stück zurückgehen, ist doch eher unwahrscheinlich. Mittelfristig erwarten wir, idealerweise unterstützt von einem soliden Wirtschaftswachstum, was dann auch gewissen Inflationsdruck mit sich bringt, eher höhere Zinsen.

Wann kommt die Wende, und wie entwickelt sich die Zinskurve, die steiler geworden ist, nachdem die langen Sätze angezogen hatten?
Auch wenn es nach Plattitüde klingt: Zeitpunkt und Verlauf der Zinskurve sind schwer voraussehbar, weil der Katalysator für Veränderungen bei den Zentralbanken liegt und bei den Wachstumserwartungen in den einzelnen Wirtschaftsblöcken. Die Sicht ist ziemlich diffus, was sich auch darin spiegelt, dass die amerikanische Notenbank den Zinsentscheid weiter vor sich herschiebt. Gleichzeitig stellen wir fest, dass die Credit Spreads, also die Kreditrisiko-Arbitrage, im Investment-Grade-Bereich sowohl aufgrund technischer als auch wegen ökonomischer Faktoren recht eng sind.

Weshalb?
Das hängt mit den niedrigen Ausfallraten zusammen, verbunden mit der komfortablen Refinanzierungssituation. Das wird nicht ewig so bleiben. Wir gehen davon aus, dass in einigen Jahren das Zinsniveau, die Refinanzierungslage und die Ausfallraten der Unternehmen sich verschlechtern werden.

Was heisst das für den Private-Debt-Markt, wo Kapital direkt vom Investor zum Kreditnehmer vermittelt wird? Hält das kräftige Wachstum des Sektors an?
Davon sind wir fest überzeugt. Zurzeit erfährt besonders der Unternehmenskreditbereich eine starke Nachfrage, weil niedrig rentierende Corporate Bonds unattraktiv sind. Daran wird sich nichts ändern, selbst wenn die Zinsen wieder steigen sollten.

Private Debt ist ein breiter Begriff. Wie definieren Sie ihn?
Am besten hilft die Unterscheidung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Markt. Traditionelle Nominalwertanlagen, wie zum Beispiel Obligationen, sind kotierte Wertpapiere und unterliegen der Pflicht zu öffentlicher Information. Private-Market-Anlagen wie beispielsweise Private Equity (PEHN 59 0%), Private Debt und Immobilien sind demgegenüber nicht verbrieft und haben keine Pflichten zu öffentlicher Information. Es handelt sich um nichtkotierte Forderungsrechte, deren Informationen nur den jeweiligen Investoren zugänglich sind.

Warum das, gilt es etwas zu verbergen?
Überhaupt nicht, der Markt ist völlig legal  und aufsichtsrechtlich geregelt. Häufig sind die Kreditnehmer mittelständische Unternehmen, solide finanziert und aussichtsreich positioniert, aber zu klein, um an die Börse zu gehen, und/oder sie stehen in Familienbesitz. Dann gibt es Konzerne, die beispielsweise Innovationsführer sind und nicht wollen, dass Konkurrenten Einblick in ihre Finanzdaten erhalten.

Der Markt ist institutionellen Investoren vorbehalten, aus welchem Grund?
Für professionelle Anleger ist es eine attraktive Möglichkeit, ihr Fixed-Income-Portfolio zu diversifizieren und zu ergänzen, mit massgeschneiderten individuellen Investmentlösungen. Qualitätsorientierte Anleger suchen vor allem erstrangig besicherte Kredite. Mehr risikoaffine Investoren greifen, je nach Risikotoleranz und Portfoliostruktur, auch zu zweitrangigen Papieren oder zu Mezzanine-Finanzierungen, also zu Finanzierungsarten, die eine Mischform von Eigen- und Fremdkapital darstellen.

Welchen Mehrwert bieten solche Anlagen verglichen mit Investments identischen Risikogrades im kotierten Bereich?
Gegenwärtig sind Unternehmenskredite gegenüber High Yield Bonds auf risikoadjustierter Basis attraktiver bewertet. Allerdings hat sich die  Situation tendenziell wieder zugunsten der Kreditnehmer entwickelt, indem Konzessionen bei den Darlehenskonditionen und beim Pricing gemacht werden. Erfahrung, Differenzierung und Selektion sind bei der Portfoliobewirtschaftung gerade von Private-Debt-Anlagen zentral.

Welchen Mehrwert können Investoren erwarten?
Senior Secured Syndicated Loans zum Beispiel – von einem Konsortium an Unternehmen vergebene, im Sekundärmarkt handelbare Kredite – offerieren heute, je nach Risikoprofil, einen Zinsaufschlag von rund 350 bis 500 Basispunkten über Libor. Im Direct Lending können, bei einem ähnlichen Ausfallrisiko, aber unter Inkaufnahme einer höheren Illiquidität, 700 bis 800 Basispunkte über Libor erzielt werden.

Ist nicht generell die mangelhafte Liquidität dieser Papiere ein Problem?
Nein, die Investments  werden in aller Regel bis zur Fälligkeit gehalten und nicht gehandelt. Sonst wäre die massgeschneiderte Lösung, die auch für den Zeithorizont gilt, ja in Frage gestellt.

Wie steht es mit den Risiken?
Wenn Gefahren, dann orte ich sie primär am geregelten Markt für High-Yield-Anlagen, wo die Marktliquidität und der Investitionshorizont vieler Anleger nicht kongruent sind. Generell sind eine gute Kreditselektion und eine enge Kreditüberwachung  in einem  mittelfristigen Umfeld von tendenziell steigenden Zinsen und sich erschwerenden Refinanzierungen massgebend für den Erfolg solcher Anlagen.

Private-Equity-Anlagen sind auch für Privatinvestoren zugänglich, nicht aber Private Debt im weiteren Sinn. Wird sich das in absehbarer Zeit ändern?
Sofern auch hier die Privatinvestoren einen genügend langen Anlagehorizont haben und bereit sind, in geschlossene Anlagefonds zu investieren, gibt es sicherlich auch in diesem Segment bald Lösungen.

Sie erwarten ein weiteres zügiges Wachstum des Sektors. Wie stark leidet darunter der klassische Kapitalmarkt als Finanzierungsquelle für Unternehmen?
Das Stichwort dazu heisst Disintermediation und beschreibt die generelle Entwicklung im Finanzbereich. Die Bedeutung der Banken im Kreditgeschäft nimmt tendenziell ab. Faktoren wie steigende regulatorische Anforderungen mit höheren Eigenkapitalanforderungen, die Reduktion von Klumpenrisiken und der Abbau von grenzüberschreitender Kreditvergabe beeinflussen diesen Prozess. In die Wertschöpfungskette treten alternative Kreditanbieter und ihre Investoren. Besonders in den Vereinigten Staaten haben viele Grossanleger inzwischen ein grosses Know-how in diesem Bereich aufgebaut und können die attraktiven Risikoprämien von Private-Debt-Investitionen direkt abschöpfen.

Steuern wir auf eine neue Finanzkrise zu, wenn immer mehr Kapital ausserhalb des Bankensektors und des öffentlichen Marktes fliesst?
Grundsätzlich nicht, in den USA ist der Prozess der Disintermediation schon lange etabliert. Angebotsformen und Pricing sind institutionalisiert und haben einen hohen Reifegrad erreicht. Sollten über hohe Kapitalzuflüsse allerdings auch viele neue und unerfahrene Kreditteilnehmer wachsen, sind gewisse Risiken nicht auszuschliessen.

Wohin steuert Europa in dem Sektor?
Das Kreditgeschäft in Europa wird nach wie vor von den Banken dominiert. Es ist heterogen und weist noch einen geringen Leistungsausweis über mehrere Finanzkrisen auf. Auch ist der europäische Markt enger und wesentlich kleiner als der amerikanische. Interessanterweise drängt gerade EZB-Chef Mario Draghi mit dem Kauf von Staatsanleihen die Banken zu einer vermehrten Kreditvergabe, sodass in Kombination mit den zuvor genannten Eigenschaften die Renditen europäischer Private-Debt-Investitionen unter dem Niveau äquivalenter US-Investitionen liegen. Der amerikanische Markt ist reifer und bietet attraktivere Spreads. Langfristig wird die Disintermediation von Banken aber auch in Europa stattfinden.

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