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12:50 Uhr - 06.11.2015

«Mit Sector Investing stets gut im Rennen»

Periodisches Umschichten je nach Wirtschaftszyklus ist für Erfolg und Sicherheit zentral. Antoine Lesné, Portfoliostratege von State Street Global Global Advisors, strebt dies mit Sector Investing an.

Opportunities 2016 «Finanz und Wirtschaft» lädt am kommenden Donnerstag zahlreiche renommierte Anlageexperten aus aller Welt ins Renaissance Tower Hotel in Zürich ein, um mit ihnen den Ausblick auf und Anlageideen für das neue Börsenjahr zu ergründen. Als Sprecher mit dabei sind u. a. Marc Faber, Charles Biderman (TrimTabs Investment Research), Christopher Wood (CLSA), Dr. Oliver Adler (Credit Suisse), Anastassios Frangulidis (Zürcher Kantonalbank) und Dr. Daniel Kalt (UBS).
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Herr Lesné, Sector Investing ist eine von vielen Anlagestrategien, die Mehrwert zum Gesamtmarkt versprechen. Wie funktioniert das Konzept?

Das Prinzip ist top down, das heisst, die Beurteilung der makroökonomischen Entwicklung steht am Anfang, gefolgt von der Branchenauswahl und dann der Titelselektion. Sector Investing ist Teil dieser Entscheidung und bezieht sich auf Wirtschafts- und Branchenanalyse. Was wir daran so mögen, ist der Umstand, dass der Erfolg von Branchen sehr eng mit dem Wirtschaftszyklus zusammenhängt. Je nachdem, wo sich der Zyklus gerade befindet, wählt man die einen oder die anderen Sektoren und gibt ihnen relativ zum Gesamtmarkt mehr oder weniger Gewicht. Ein weiterer Vorteil dieses Konzepts ist die breite Streuung, die das Investieren nach Sektoren bietet. Unsere Aufgabe ist es, die einzelnen Bereiche oder Blöcke zu untersuchen und zu bewerten. Investoren können sie dann individuell zusammensetzen, abgestimmt auf die finanziellen Verhältnisse und die Risikofähigkeit.

Sie wählen Sektoren, nicht aber einzelne Titel aus, weshalb?
Die Sektorwahl ist zentral und bestimmt allein schon, ob ein Portfolio erfolgreich ist oder nicht. In den vergangenen fünfzehn Jahren war die Differenz zwischen den schlechtesten und den besten Sektoren durchschnittlich 20 bis 30%. Diese Streuung reicht zur aktiven Gestaltung eines Portfolios aus. Die einzelnen Sektoren bilden wir mit Exchange Traded Products, also Indexprodukten, ab. Das bietet die notwendige Diversifikation und ist kostengünstig.

Wirtschaftszyklus und Sektoren zoom Quelle: States Street Global AdvisorsHäufig wird erst im Nachhinein klar, was gut und was schlecht war. Wie erkennt man frühzeitig Gewinner und Verlierer eines Zyklus?
Die Chance eines Sektors hängt wie angedeutet davon ab, wo sich der makroökomische Zyklus gerade befindet. Wenn wir nach Europa schauen, zeichnet sich immer mehr ab, dass der Kontinent die konjunkturelle Talsohle verlassen hat und, wenn auch zögerlich, wieder wächst. Unterstützt wird diese Entwicklung von der Europäischen Zentralbank, die bei Bedarf ihre Geldpolitik weiter lockern wird und dies auch schon angedeutet hat. Vor diesem Hintergrund sind zyklische Sektoren interessant: zyklischer Konsum zum Beispiel, Materialien, Energie, aber auch Finanzen.

Was spricht für Finanzen, bringt die zu erwartende Zinswende in den USA Rücken- oder Gegenwind?
Zum einen wird die US-Notenbank diesmal anders als früher die Zinsen graduell und sehr sachte erhöhen. Zum anderen ist zumindest der erste Schritt am Markt bereits weitgehend eingepreist. Höhere Zinsen haben ausserdem zur Folge, dass sich die Zins- respektive die Gewinnmarge der Banken tendenziell verbessert. Das wirkt sich positiv auf die Kurse aus.

Wie weit ist die Sektorrotation, die Sie beschreiben, schon im Gange?
Wir stellen fest, dass manche Investoren, die defensiv investiert waren, tatsächlich begonnen haben, Aktienportfolios umzuschichten. Zulasten von defensiven Sektoren wie zum Beispiel Versorger werden stark untergewichtete Bereiche wie Grundstoffe und Energie wieder stärker beachtet, zumal ihre Bewertung sehr günstig ist. Dieser Trend dürfte sich mit der Zeit verstärken, geduldige Anleger lassen ihn nicht ausser Acht.

Wie sieht die Lage in anderen Regionen aus, in den USA?
Auch da haben sich Energieaktien ein Stück weit zurückgemeldet, wobei festzuhalten ist, dass die makroökonomische Lage in den USA anders ist als in Europa. Amerika ist im Konjunkturzyklus weiter fortgeschritten, und Anleger sehen sich zurzeit eher wieder nach defensiveren Investments um. Auch wir erwarten, dass sich das Wirtschaftswachstum nach dem ersten Schub wieder leicht abschwächen könnte, bevor es zu einer neuen Beschleunigung kommt. Der Sektor, den es in diesem Zusammenhang zu beachten gilt und der durchstarten sollte, ist die Informationstechnologie. Innerhalb des IT-Bereichs ist vor allem die Telecombranche attraktiv. Sie umfasst in den USA nur wenige Titel und eignet sich fürs Sector Investing auch deshalb besonders gut.

Trotz stolzer Bewertung?
Der Telecomsektor ist relativ gesehen tatsächlich leicht teurer als die Informationstechnologie. Aber das Momentum ist intakt, Ermüdungsanzeichen sind keine auszumachen. Die neuen Technologien fördern das Wachstum, der Erneuerungs- und Investitionsbedarf ist gross und befeuert allgemein die IT-Branche. Wer breiter diversifizieren will, wendet sich der US-Informationstechnologie insgesamt zu. Weiteres Wachstum ist programmiert und die Bewertung im Verhältnis dazu nicht übertrieben.

Werfen wir einen Blick nach Asien. Namentlich aus China kommen beunruhigende Signale, die den Rest der Welt nicht kaltlassen.
Chinas Wachstumsschwäche ist offensichtlich, aber ebenso die Entschlossenheit der chinesischen Behörden und besonders der Notenbank, der Wirtschaft zu helfen und sie auf ein langfristig solides Fundament zu stellen. Monetäre Massnahmen sind eine Art Puffer nach unten, bis die Hinwendung zu einer mehr serviceorientierten Wirtschaft Wirkung zeigen wird. Weil China noch immer eine Kommandowirtschaft ist, geht diese Transformation schneller. Gleichwohl gilt unser Augenmerk Europa und den USA, wo Marktbreite und -volumen entschieden grösser sind.

An der Schweizer Börse prominent vertreten ist Pharma und Gesundheit. Was halten Sie von diesem Sektor?
Aus Momentumsicht ist Pharma und Gesundheit einer der besten Sektoren, sowohl in Europa wie in den USA. Allerdings hat seit September der Schwung etwas nachgelassen. Grund sind Schlagzeilen, wonach Hillary Clinton, falls sie Präsidentin würde, den Pharmapreisen an den Kragen ginge. Das ist nicht zu unterschätzen, zumal der Sektor leicht über dem historischen Durchschnitt bewertet ist. Insgesamt aber erfreut er sich guter Wachstumschancen, er gehört längerfristig zu den besten. In manchen grossen Portfolios ist er leicht untergewichtet, was ihn zusätzlich interessant macht.

Was trauen Sie dem Energiesektor zu, wird sich der Ölpreis erholen?
Energie ist eine antizyklische Position. Nicht wenige Anleger sind darin investiert, weil sie damit rechnen, dass sich der Ölpreis früher oder später wieder nach oben bewegen wird. Wir selbst machen keine Ölpreisprognose. Aber weil der Sektor stark abgestraft worden ist und damit sehr günstig erscheint, gibt es gute Gründe, im Energiebereich investiert  zu sein. Allein aus technischer Sicht ist eine Gegenbewegung wahrscheinlich. Wir haben es im Oktober erlebt, als der Energiesektor der beste war, in den USA und in Europa.

Bei Materials denken Sie auch den Bergbau?
Absolut, selbst wenn der Rohstoffsektor recht kontrovers diskutiert wird. Auch er wurde ähnlich wie Energie kräftig zurückgestuft. Ein Handicap ist aus unserer Sicht, dass der Bergbau nicht auf Europa oder die USA, sondern global ausgerichtet ist, was ihn stärker bremst als den Energiesektor. Dafür weist er ein hohes Beta auf, hat also überproportional grosses Aufwärtspotenzial, wenn die Märkte weiter steigen, und die Erwartungen im Minensektor sind so gering, dass kaum Raum für weitere Gewinnenttäuschungen besteht.

Welchen Mehrwert bietet Sector Investing relativ zum Gesamtmarkt?
Unsere Strategie ist es, den Investoren Bausteine zu liefern, mit denen sie relativ zum Gesamtmarkt Sektoren unter- oder übergewichten können. Der Gesamtertrag hängt von den individuellen Zielen des Investors und der entsprechenden Depotzusammenstellung ab. Man kann nur drei Bausteine verwenden und eine sehr aktive Linie fahren, mit grossen Chancen, aber auch entsprechenden Risiken, oder eine breite Diversifikation anstreben. Es gibt fast so viele Strategien und Möglichkeiten wie Menschen auf der Welt. Der Vorteil der Sektorstrategie ist, dass sich ein Portfolio ziemlich genau und individuell steuern lässt.

Wie schätzt State Street Global Advisors die Börsenaussichten generell ein?
Die Geldpolitik der USA und des Rests der Welt divergiert. Ebenso die Konjunktur, wobei insgesamt die Wirtschaft wächst, wenn auch mit angezogener Handbremse. Das hält – bei erhöhter Volatilität – den grundsätzlichen Aufwärtstrend an den Börsen intakt.

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