Zurück zur Übersicht
15:50 Uhr - 12.08.2016

Dätwyler bereit für die Grossübernahme

Ein noch höheres Angebot an die britische Premier Farnell will gut überlegt sein. Über Erwarten gute Semesterzahlen mindern den Druck. Unter Zugzwang ist der VR nicht.

Dätwylers Verwaltungsrat nimmt sich Zeit. Er hat noch nicht entschieden, wie er auf die Avance von Avnet reagiert. Der US-Konzern hatte Ende Juli – zur Überraschung von Management, beratenden Banken und Finanzanalysten – eine höhere Kaufofferte an den britischen Elek­troteilehändler Premier Farnell lanciert und Dätwylers Preis um 12% überboten.

Die Aktien von Premier Farnell notieren seither an der Börse hartnäckig zwischen 192 und 194 Pence, rund 5% über dem Avnet-Angebot von 185 p. Dätwyler (DAE 139.4 1.46%) hatte Mitte Juni in einem ersten Schritt 165 p geboten. Das entsprach zum damaligen Kurs von 1.38 Fr. pro Pfund einem Barangebot von rund 850 Mio. Fr. beziehungsweise einem Unternehmenswert (inklusive Schulden) von 1,1 Mrd. Fr.

Währungsabsicherung kostet

Von Finanzanalysten wurde die Akquisition als eher teuer eingestuft. Inzwischen hat sich das britische Pfund als Folge des Brexit 8,7% auf 1.26 Fr. abgeschwächt. Dadurch sinkt die Kostenbasis im Markt Grossbritannien (etwa ein Drittel des Umsatzes von Premier Farnell) aus Sicht des Schweizer Unternehmens, der Export wird erleichtert. Das lässt einen gewissen Raum für eine grosszügigere Offerte.

Andererseits sind die negativen Konsequenzen des Brexit auf das Konsumverhalten in Europa noch unklar. Was die Offerte an Premier Farnell betrifft, profitiert Dätwyler nicht vom niedrigeren Pfund, da sie in einer bestimmten Bandbreite gegen Kursschwankungen abgesichert wurde und der Preis fixiert ist.

Auf jeden Fall dürfte sich der Verwaltungsrat von Dätwyler nicht auf einen Abnützungskampf mit der weit grösseren Avnet einlassen – selbst wenn Premier Farnell seit Jahren Wunschkandidat für eine Übernahme ist.

Der Verwaltungsrat von Dätwyler wartet auf Details des Avnet-Angebots und hat noch mindestens einen Monat Zeit, Optionen zu prüfen. Entscheidet er sich, den Übernahmeversuch abzubrechen, hat das kurzfristig finanzielle Folgen. Es fallen Transaktionsgebühren von 4 bis 8 Mio. Fr. an. Zudem würde das Finanzergebnis mit einem Aufwand von 40 bis 50 Mio. Fr. für Währungsabsicherung und -kosten belastet.

Anzeichen für einen Turnaround der Problemsparte

Strategisch wäre der Deal sinnvoll. Besonders im europäischen Markt für elektrische Komponenten ist der Konsolidierungsbedarf gross. Die Volumen schrumpfen, die Margen sind unter Druck, viele Unternehmen mit subkritischer Grösse stehen vor einem Nachfolgeproblem.

Dätwylers Sparte Technical Components hat Marktanteile verloren und erheblich an Profitabilität eingebüsst. Mit der auch in den USA und in Asien präsenten Premier Farnell käme sie auf 1,8 Mrd. Fr. Einnahmen. Der Konzernumsatz würde sich auf 2,5 Mrd. Fr. verdoppeln.

Der Zeitpunkt für die Übernahme sieht günstig aus. Dätwyler hat die Handelssparte in den vergangenen zwei Jahren restrukturiert. Seit Anfang Jahr verfügt Technical Components über eine einheitliche Infrastrukturplattform. Sie läuft noch längst nicht optimal, doch hat sich die Betriebsmarge im ersten Semester 2016 schon mal von 2,3 auf 3,9% (um Sonderkosten bereinigt 4,4%) erhöht.

Konzern-CEO Paul Hälg ist überzeugt, dass das Jahresziel von 5% Ebit-Marge erreicht wird. Für 2017 sind 10% geplant. Mehrjährige Sonderkosten sollten wegfallen und die neue Plattform Effizienzsteigerungen, bessere Produktverfügbarkeit und raschere Lieferzeiten ermöglichen.

Gewinn steigt 34%

Der Halbjahresausweis (vgl. Tabelle) dürfte in Verwaltungsrat und Management für eine gewisse Gelassenheit sorgen. Umsatz und Profitabilität auf Konzernebene fielen besser aus als erwartet. Der Gewinn in den ersten sechs Monaten stieg ein Drittel. Die operative Marge war so hoch wie noch nie.

Dazu trug die Industriesparte Sealing Solutions massgeblich bei, die organisch 3,6% wuchs und ihre Betriebsspanne auf 19% steigerte. Sie bietet Dichtungslösungen vor allem für die Pharma-, Automobil- und Konsumgüterindustrie an. Wie sich mit dem Zukauf des deutschen Spritzgussspezialisten Ott (Umsatz 33 Mio. Fr.) jüngst bestätigte, wird auch Sealing akquisitorisch ausgebaut.

Es ist also nicht so, dass die Zukunft Dätwylers mit dem Kauf von Premier Farnell steht und fällt. Das sehen auch die Investoren so. Die Aktien notierten am Freitag zeitweise 5% höher. Neuengagements sind vorzugsweise aber doch erst zu prüfen, wenn sich geklärt hat, ob die Übernahme zustande kommt – und zu welchem Preis.

Die komplette Historie zu Dätwyler finden Sie hier. »

 

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.