Uwe Rathausky, Manager des Mischfonds Acatis Gané Value Event aus Deutschland, folgt den Spuren Warren Buffetts und spricht über «Investieren ohne Stress».
Herr Rathausky, Investieren ohne Stress klingt gut. Ist der Vorsatz auch realistisch? Was verstehen Sie unter Stress?
Mit der Kombination aus Value und Event versuchen wir nicht nur das fundamentale, sondern auch das marktpreisbedingte Risiko einer Investition zu reduzieren. So gelingt es uns, das Abwärtsrisiko, die Maximum Drawdowns, die wir als «Stress» bezeichnen, im Vergleich zum Gesamtmarkt signifikant und systematisch zu verringern. Das geht, ohne dass wir dabei auf eine attraktive Rendite verzichten müssen.
Der Fonds ist derzeit mit über 70% in Aktien und 24% in Anleihen investiert. Weshalb Anleihen, wo die Renditen für gute Papiere gleich null oder negativ sind?
Bei den meisten Staats- und Unternehmensanleihen ist der reale Kapitalverlust längerfristig tatsächlich programmiert. Deswegen sind die Hälfte unserer Anleihen reine Geldmarktersatzpapiere. Das heisst, wir investieren in liquide Unternehmensanleihen erster Güte mit einer Restlaufzeit von einem bis zwei Jahren. So verdienen wir mit der Liquidität ein paar wenige Basispunkte. Gleichzeitig sind wir flexibel und können Chancen ergreifen, wenn die Volatilität an den Märkten zurückkehrt.
Und die andere Hälfte?
Sie umfasst vor allem Altanleihen von Banken. Die Finanzinstitute sind wegen der Regeln von Basel III gezwungen, neue Eigenkapitalinstrumente zur Gläubigerbeteiligung zu emittieren. Das machen sie nicht nur, um die Kapitalquoten hochzufahren, sondern auch, um Kapital abzulösen, das den strengen Kriterien von Basel III nicht mehr genügt. Mit jeder neuen Emission gewinnen unsere Altanleihen an Sicherheit. Da sind Renditen von 6% und mehr durchaus gegeben.
Bereitet Ihnen die Bondblase Sorgen?
Die Mischung aus fehlender Liquidität am Sekundärmarkt und Zinsänderungsrisiken mahnt zur Vorsicht. Wir haben deswegen die Duration deutlich reduziert und das Portfolio immunisiert.
Das heisst?
Ein Teil der nicht Basel-III-fähigen Bankanleihen sind CMS-Papiere, Constant Maturity Swaps. Sie bilden das jeweilige Zinsumfeld im Coupon ab, weswegen die Verzinsung zurzeit minimal ist und die Papiere nur zu 50 bis 60% ihres Nominals notieren. Wegen ihrer Couponstruktur genügen sie den Kriterien nach Basel III nicht mehr und verlieren seit dem 1. Januar 2012 jährlich 10% der Anrechenbarkeit zum Kernkapital. Die Zeit spielt für uns: Das Kurspotenzial durch wieder steigende Swap-Sätze ist gegeben. Je näher der 31. Dezember 2021 rückt – bis dann müssen die neuen Regeln eingeführt sein –, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Emittenten die Anleihen über Rückkaufangebote mit Gewinn erwerben möchten oder zum Nennwert von 100% ablösen werden.
Weshalb noch Anleihen und nicht ausschliesslich Aktien, deren Risikoprämien relativ zum Anleihemarkt noch immer attraktiv sind?
Wir tragen der veränderten Attraktivität Rechnung, indem wir unsere Aktienquote im Markteinbruch zu Jahresbeginn auf über 70% ausgebaut haben. Aber auch bei einzelnen Anleihen gibt es unverändert attraktive Prämien zu verdienen.
Was antworten Sie Skeptikern, die Aktien als überteuert bezeichnen?
Historisch scheint der Gesamtmarkt leicht überbewertet zu sein. Falls aber die Nullzinsen längerfristig andauern, ist er hochattraktiv. Viele Anleger könnten aus Anlagenot noch regelrecht in Aktien getrieben werden. Wir spekulieren aber nicht darauf, sondern konzentrieren uns auf herausragende Unternehmen. Sie sollten in fünf bis sieben Jahren deutlich mehr wert sein als heute, unabhängig vom dann vorherrschenden Zinsumfeld.
Das erklärte Vorbild von Ihnen und Co-Manager Henrik Muhle ist US-Investorenlegende Warren Buffett. Er ist reiner Value-Investor. Sie kombinieren Substanz mit Event. Wie geht das?
Die Substanz eines Unternehmens ist nur so viel wert, wie daraus ein freier Cashflow erzielt werden kann. Events helfen uns, das Timing zu verbessern. Es sind unternehmensspezifische Katalysatoren, die ein Investment beflügeln oder zumindest das Kursrisiko begrenzen.
Was kann ein solcher Katalysator sein?
Etwa operative Ereignisse oder Aktienrückkäufe. Auch Kapitalerhöhungen gehören dazu, wenn sie unsere Position als Anleihenbesitzer stärken. Man denke an die Vervielfachung der ausstehenden Aktien durch Kapitalerhöhungen bei der Commerzbank (CBK 6.476 0.47%): Als Aktionär bekommt man in einem solchen Fall das Grausen, als Anleihenbesitzer freut man sich.
Günstige Aktien haben meistens einen Haken. Macht es sich bezahlt, auf zurückgebliebene Titel zu setzen?
Wir orientieren uns nicht an der Regression zur Mitte, dass sich der Aktienkurs dem Mittelwert nähert, sondern daran, was hervorragende Unternehmen in fünf oder sieben Jahren verdienen werden und wie sie auf dem Weg dorthin mit dem Kapital der Aktionäre umgehen.
Gibt es dafür ein Muster?
Traditionell finden wir die besten Geschäftsmodelle in den Bereichen Konsum, Software und Finanzen.
Wie definieren Sie Qualität?
Ein Unternehmen verfügt im Idealfall über eine langfristige Wachstumsperspektive, eine hohe operative Marge, wiederkehrenden Umsatz, geringe Zyklizität, kleine Losgrössen, eine hohe Kapitalrendite und Preissetzungsmacht. Es sollte «Asset Light» sein, also nur geringe Erhaltungsinvestitionen benötigen, damit es ins künftige Wachstum und in die Ausschüttungen investieren kann.
Welche Unternehmen zeichnen sich in dieser Hinsicht besonders aus?
Berkshire Hathaway (BRK.A 225350.01 -0.18%), die deutsche Grenke-Gruppe, Novo Nordisk und L’Occitane sind gute Beispiele. Die Profitabilität des auf soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit ausgerichteten Naturkosmetikherstellers L’Occitane ist angesichts einer Rohertragsmarge von mehr als 80% fulminant. Investitionen in die Digitalisierung des Geschäftsmodells sowie in neue Produkte und Märkte lasten derzeit auf der operativen Marge, werden sich aber in den kommenden Jahren auszahlen. Vor drei Jahren, als wir erstmals eine Position aufbauten, kündigte das Unternehmen an, Aktienrückkäufe auf einem niedrigen Bewertungsniveau durchzuführen.
Was Sie aufhorchen liess?
Ja, zusammen mit einsetzenden Aktienkäufen des Managements war das ein wichtiger Faktor, der unsere Überzeugung für die Qualität der Kapitalverwendung stützte. Den meisten Gesellschaften ist eher daran gelegen, mit Aktienrückkäufen Aktienoptionen fürs Management abzusichern, als eine Arbitrage zwischen Preis und Wert im Sinne der Anteilseigner durchzuführen.
Ihr Fonds ist auch in der Schweiz registriert. Besitzen Sie Schweizer Aktien?
Schon seit vielen Jahren halten wir Nestlé (NESN 78.7 1.22%). Lindt & Sprüngli (LISN 68500 0.62%) waren uns leider immer zu teuer – ein Fehler, denn grossartige Unternehmen wachsen in die Bewertungen, die heute noch hoch erscheinen, meist ziemlich schnell hinein.
Die grösste Fondsposition ist Berkshire Hathaway, in die ein Anleger direkt investieren könnte.
Er könnte ausser in Berkshire Hathaway auch in Novo Nordisk, L’Occitane und Grenke investieren, dann hätte er mehr als 30% des Fonds abgedeckt. Aber eben nicht alles.
Wie weit führt die Fundamentalanalyse noch zum Ziel in Märkten, die von Zentralbankengeld getrieben werden und den Realitätsbezug zu vermissen scheinen?
Um bei Warren Buffett zu bleiben: «Erst wenn die Ebbe kommt, sieht man, wer eine Badehose trägt.» Teils erodieren die Geschäftsmodelle von Banken, Versorgern, Rohstoffunternehmen und Traditionskonzernen so stark, dass weit und breit keine Hose mehr in Sicht ist. Da nützt das ganze Zentralbankgeld nichts – als Aktionär ist man mit einem steten Kapitalverlust konfrontiert. Zudem gibt es trotz expansiver Geldpolitik regelmässig Kurseinbrüche. Davor haben wir keine Angst, Volatilität ist eine willkommene Gelegenheit, Liquidität zum Arbeiten zu bringen.
Welche Risiken müssen Sie eingehen, um Mehrertrag zum Index zu erzielen?
Wir orientieren uns nicht an Indizes. Die Strategie ist, das Kapital dann einzusetzen, wenn unsere Renditekriterien erfüllt sind. Wenn nicht, sind wir geduldig und halten Liquidität oder Geldmarktersatzpapiere, in der Vergangenheit waren das durchaus auch mal 30 oder 40%.
Wie schätzen Sie die Finanzmärkte generell ein, mehren sich acht Jahre nach der letzten Finanzkrise nicht doch die Stresssignale?
Wir gehen davon aus, dass die expansive Zentralbankpolitik fortbesteht und die Reparaturmassnahmen im Bankensektor weitergehen werden. Innerhalb dieses Weltbilds sollten Aktien allgemein attraktiv bleiben.
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