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16:23 Uhr - 13.09.2019

Die EZB entlastet die Banken

Im Durchschnitt müssen die Banken im Euroraum ab Oktober weniger Negativzinsen auf ihre überschüssigen Geldmittel bei der Notenbank bezahlen.

Nach der Ratssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag ist die Verzinsung von Staatsanleihen im Euroraum weiter gestiegen. Bei den richtungsweisenden Bundesanleihen aus Deutschland erhöhten sich die Renditen über alle Laufzeiten, besonders bei zweijährigen Papieren. Dies ist ungewöhnlich, hatte der EZB-Rat doch eine weitreichende Lockerung der Geldpolitik beschlossen.

Die Reaktion der Märkte lässt sich auch mit dem starken Kursanstieg bei Staatsanleihen in den Sommerwochen erklären, bei dem vor allem Konjunktursorgen  die Renditen auf Negativrekorde gedrückt hatten. Mit der wachsenden Risikofreude der Anleger seit Anfang September kommt es am Anleihenmarkt weltweit derzeit zur Gegenbewegung.

Heimliche Zinserhöhung?

Der Kursrückgang Ende dieser Woche bei deutschen Staatsanleihen, auch Bunds genannt, hat allerdings auch mit den Entscheidungen des EZB-Rats zu tun. Er senkte zwar den Negativzins auf überschüssige Einlagen der Banken von –0,4 auf –0,5%, zugleich wurden wie in der Schweiz aber Freibeträge beschlossen, sodass der durchschnittliche Zins auf Einlagen unter dem Strich weniger weit im Minus liegt. Die Strategen der Commerzbank (CBK 5.986 4.47%) schreiben mit Blick auf die sinkenden Anleihenkurse: «Bei Bunds belasten die Aussichten auf höhere durchschnittliche EZB-Sätze aufgrund des Staffelzinses das kurze Ende, während das unveränderte Emittentenlimit und das niedrige QE-Volumen das lange Ende belasten.»

Der Renditeanstieg hat demnach also auch mit dem Anleihenkaufprogramm (Quantitative Easing, QE) zu tun, das gemäss EZB-Beschluss im November wieder aufgenommen wird. Dabei beliess die EZB die nationalen Limiten des Aufkaufs von Staatsanleihen bei 33% des ausstehenden Volumens und hob sie nicht auf 50% an, wie an den Tagen vor der Sitzung gerne spekuliert wurde. Zudem entsprechen die 20 Mrd. € an Anleihen, die sie pro Monat zusätzlich kaufen wird, eher dem unterem Ende der erwarteten Spanne.

Beides sind allerdings Schwellen, die der Rat künftig ändern kann, falls sich die Konjunktur noch stärker eintrübt. «Das offene Ende des neuen QE-Programms ist viel wichtiger als die Rate der monatlichen Käufe», sagt Frederik Ducrozet, EZB-Beobachter bei Pictet Wealth Management in Genf.

Die Commerzbank-Strategen rechnen damit, dass die 33%-Grenze bei Bundesanleihen im Herbst 2020 erreicht wird.  Wegen des Widerstands einiger EZB-Ratsmitglieder gegen die Anleihenkäufe könnte das Limit 2020 zunächst nur auf 40% erhöht werden. «Dies würde Bund-Käufe bis weit ins Jahr 2022 ermöglichen, selbst bei einer unterstellten Kaufrate von 30 Mrd. € ab März nächsten Jahres», schreiben die Strategen. Der EZB-Rat beschloss, dass die quantitative Lockerung erst kurz vor Ende der ersten Zinserhöhung beendet wird. Bei einer Grenze von 50% könnte das Programm sogar noch sieben Jahre laufen, schätzt Pictet-Ökonom Ducrozet.

Eher indirekt könnte die Einführung des Staffelzinses auf die Bankeinlagen zu höheren Zinsen am Geldmarkt führen. Heute entspricht der Übernachtzins auf dem Euro-Interbankenmarkt (Eonia) dem Durchschnittssatz der Banken bei der EZB. Der liegt eher bei –0,37% als beim Einlagensatz von –0,4%. Dies liegt daran, dass die EZB für die Mindestreserven der Banken keine Gebühr verlangt. Seit Anfang 2012 müssen Kreditinstitute 1% auf bestimmte Verbindlichkeiten wie Kundeneinlagen als Mindestreserve auf einem EZB-Konto vorhalten.

Ausnahmen von Minuszins

Mit dem EZB-Beschluss bekommen die Banken einen Freibetrag, auf dem ebenfalls keine Gebühren fällig werden. Er soll vorerst dem Sechsfachen der Mindestreservepflicht entsprechen. In der Schweiz liegt dieser Wert beim Zwanzigfachen. Fraglich ist, wie sich der neue EZB-Staffelzins auf die Geldmarktsätze auswirkt. «Unter der Annahme, dass die Durchschnittszinsen relevant sind, könnte Eonia während der kommenden Reserveperiode, die am Mittwoch beginnt, zunächst auf –0,46% fallen und anschliessend in der Reserveperiode ab dem 30. Oktober auf –0,24% ansteigen», schreibt die Commerzbank.

Während also die Auswirkung auf die Geldmarktsätze noch unklar ist, zeigen Schätzungen von Pictet-Ökonom Ducrozet, welche Länder vom Staffelzins netto am meisten profitieren dürften: Mit 900 Mio. € steht Deutschland an der Spitze, gefolgt von Frankreich und den Niederlanden. Berechnungen der Société Générale zeigen, dass die Kosten für Einlagen der Banken insgesamt von 7,1 auf 5 Mrd. € sinken.

Nach Berechnung von JPMorgan kann die Deutsche Bank (DBK 7.604 2.51%) sogar mit der grössten Entlastung von 10% des Vorsteuergewinns rechnen – ihr Chef hatte sich zuletzt am lautesten über die Negativzinsen beschwert –, gefolgt von der Commerzbank, die 6% erwartet. In Frankreich und den Niederlanden belaufen sich die positiven Nettoeffekte bei den grösseren Banken meist auf 2 bis 3%.

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