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14:19 Uhr - 22.09.2014

Merck leistet sich teuren Zukauf

Die 13-Mrd.-€-Akquisition der Diagnostikgruppe Sigma-Aldrich löst die Probleme in der Pharmasparte nicht. Dem deutschen Traditionskonzern steht zudem viel Integrationsaufwand bevor.

Das deutsche Traditionsunternehmen Merck (MRK 60.44 -0.23%) gibt Gas, doch nicht im grössten Geschäftsbereich Pharma. Erst am vergangenen Donnerstag hatte die Gesellschaft aus Darmstadt an einem auf die Vorstellung der Pharmaaktivitäten (Merck Serono) fokussierten Investorentag einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen (vgl. Artikel dazu). Nun hat Merck mit der 13,1 Mrd. € schweren Übernahme des US-Diagnostikunternehmens Sigma-Aldrich die grösste Akquisition in der fast 350-jährigen Unternehmensgeschichte bekanntgegeben.

Dank dem Zukauf von Sigma-Aldrich, die im vergangenen Jahr einen Umsatz von insgesamt 2,7 Mrd. $ erwirtschaftet hat, nehmen die Merck-Einnahmen aus dem sogenannten Life-Sciences-Geschäft für Forschungslabors und Produzenten von biopharmazeutischen Produkten um fast 80% auf gegen 5 Mrd. € zu. Im ersten Jahr nach dem Vollzug der Übernahme, 2016, dürfte Merck gemäss Schätzungen von Analysten der Bank Barclays (BARC 229 -1.17%) 37% des Konzernerlöses in dieser Sparte erzielen. Ohne Sigma-Aldrich würde der entsprechende Anteil lediglich geschätzte 25% betragen. Der Anteil aus dem Pharmageschäft dürfte dagegen nur noch 40% (statt knapp 50%) betragen (vgl. Kuchengrafik).

Unter Konsolidierungsdruck

Der Life-Sciences-Markt umfasst nach Definition von Merck einen Umsatz von rund 100 Mrd. € und schliesst eine Vielzahl von Produkten wie Reagenzien, Filtrationssysteme, bildgebende medizinische Diagnostikgeräte, Zellkulturen oder hochpräzise Waagen ein. Wegen der zunehmenden Globalisierung im Bereich der Forschung und Pharmaproduktion nimmt der Konsolidierungsdruck aber zu.

Merck hatte sich bereits 2010 durch den Kauf des US-Unternehmens Millipore für 5,2 Mrd. € prominent im Geschäft mit Produkten für Life-Sciences-Kunden verstärkt. Dank der Zusammenführung der Aktivitäten von Millipore und Sigma-Aldrich verspricht sich das Merck-Management jährliche Synergien von rund 260 Mio. € ab dem dritten Jahr nach dem Vollzug der Akquisition. Es nimmt sich damit viel vor, entsprechen die geplanten Einsparungen doch, wie die Analysten von Barclays zu bedenken geben, rund 20% des Betriebsaufwands in diesem Geschäftsbereich. Andererseits mildern die Synergien den hohen Übernahmepreis vom rund Sechsfachen des von Sigma-Aldrich erzielten Umsatzes und vom – noch eindrücklicher anmutenden – Zwanzigfachen des Bruttobetriebsgewinns (Ebitda).

«Ein Rolls-Royce»

Unter Berücksichtigung der erhofften Synergien bezahlt Merck gemäss Berechnungen der Barclays-Analysten noch rund das Vierzehnfache des Ebitda von Sigma-Aldrich. In einem auf der Website des deutschen Unternehmens aufgeschalteten Interview rechtfertigt Merck-CEO Karl-Ludwig Kley den Kaufpreis damit, dass sich «ein Rolls-Royce wie Sigma-Aldrich nicht für ein Schnäppchen» erstehen lasse.

Die Integration der neuen US-Tochtergesellschaft wird das Management von Merck noch länger in Beschlag nehmen. Ausserdem muss auch noch die im Chemiegeschäft (Performance Materials) angesiedelte britische Gesellschaft AZ Electronic Materials integriert werden, die Merck erst Anfang Mai für 1,9 Mrd. € übernommen hat. Für eine Verstärkung der forschungsmässig nach wie vor schwach aufgestellten Pharmaaktivitäten dürften dem Unternehmen vorläufig das Geld und die Management-Kapazität fehlen.

Damit ist weiter in Frage gestellt, ob die mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) 2015 von 15 bewerteten Merck-Aktien zu führenden europäischen Pharmatiteln wie Novartis (NOVN 87.75 -0.57%) (KGV 2015 von 17) und Roche (ROG 282.2 -0.35%) (18) aufzuschliessen vermögen. Engagements drängen sich nicht auf, zumal die Merck-Aktien bereits zu rekordhohen Notierungen gehandelt werden.

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