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16:33 Uhr - 01.04.2020

Chinas holpriger Weg zurück zur Normalität

Trotz erster Erfolge in der Eindämmung wird Covid-19 längerfristig grosse wirtschaftliche Schäden hinterlassen.

Vor drei Wochen besuchte Xi Jinping die Provinz Hubei, das Epizentrum der  ­glo­balen Coronaviruspandemie. Der ­chinesische Präsident wollte damit der Welt zeigen, dass die Kommunistische Partei zumindest im eigenen Land im Kampf gegen Covid-19 die Oberhand gewonnen hat. Das war gleichzeitig ein klares ­Zeichen dafür, dass sich von nun an das Wirtschaftsleben schrittweise normalisieren wird.

Damit hat Peking den Schwerpunkt von der Seuchenbekämpfung klar auf die Stützung des im Februar eingebrochenen Wirtschaftswachstums verlegt. «Während sich das Coronavirus weltweit verbreitet, ist China eine Oase geworden, in der 90% ihre Arbeit wieder aufgenommen haben», triumphierte vergangene Woche auch das Parteiorgan «Global Times».

Mangelnde Transparenz

Angesichts der in China herrschenden ­Intransparenz bleibt es aber unklar, ob ­Peking im Kampf gegen die Epidemie wirklich einen entscheidenden Sieg ­davongetragen hat oder ob die wirtschaftlichen Kosten der landesweit verhängten Quarantänemassnahmen einfach zu hoch geworden sind und Peking damit zu einem Kurswechsel gezwungen wurde.

Auf alle Fälle bleibt die Situation im Reich der Mitte weit weg von der Normalität. Davon zeugen nicht nur die die ­rasant steigende Arbeitslosigkeit und die eingebrochenen Exporte, sondern auch die nach wie vor angespannte Lage an der Gesundheitsfront. Es mehren sich denn auch die Zeichen, dass Peking im Kampf gegen Covid-19 schmerzhafte Rückschläge hinnehmen muss.

So ordnete vergangenen Freitag das Nationale Filmbüro an, dass  600 Kinos, die Mitte März nach einer längeren vom Staat ­verordneten Zwangspause wieder den ­Betrieb aufgenommen hatten, bis auf weiteres geschlossen werden. Dasselbe trifft auch auf Restaurants in der Provinz Sichuan oder auch landesweit Tausende von Touristenattraktionen zu.

Gemäss der Hongkonger Tageszeitung «South China Morning Post» sind bis 10% der aus einem Spital in Wuhan entlas­senen Covid-19-Patienten wieder Virusträger ­geworden. Sie und wohl auch ­andere Fälle werden offenbar bei der von der ­nationalen Gesundheitsbehörde bestätigten Zahl der Neuinfektionen nicht mit­gerechnet. Es ist fraglich, ob die in den ­letzten Tagen ­steigende Zahl von Ansteckungen wirklich mehrheitlich auf Reisende aus dem ­Ausland zurückzuführen ist.

Offenbar traut auch die eigene Bevölkerung den von den staatlichen Medien verbreiteten Meldungen zum Sieg über die Epidemie nicht so recht. Das zeigte sich in der Vorwoche an der Grenze zwischen den Provinzen Hubei und Jiangxi, die zur Eindämmung der Epidemie seit Februar geschlossen war, am Freitag erstmals wieder geöffnet wurde. Das erlaubt die Rückkehr von seit Wochen in Hubei gestrandeten Menschen an ihre Arbeitsplätze in anderen Landesteilen. Doch ­haben Hunderte von teilweise gewaltsamen Demonstranten versucht, die Grenzübertritte nach Jiangxi zu verhindern.

Besseres Konjunkturklima

Derweil weisen erste Frühindikatoren wie etwa der am Dienstag veröffentlichte Einkaufsmanagerindex der verarbeitenden Industrien auf ein sich in den kommenden Monaten etwas verbesserndes Konjunkturklima hin. Dem steht jedoch ein im ersten Quartal förmlich eingebrochenes Wirtschaftswachstum entgegen. Ökonomen des Marktforschungsinstituts TS Lombard gehen davon aus, dass Chinas Bruttoinlandprodukt im ersten Quartal 2020 gegenüber demselben Zeitraum des Vorjahres bis zu 7% geschrumpft ist.

Eine Erholung der Wirtschaft bereits im ersten Semester macht vor allem auch das sich jetzt weltweit verbreitende Covid-19 wenig wahrscheinlich. Davon geht offenbar auch die chinesische Bevölkerung aus, die sich – anders als von der Regierung ­erhofft – mit Konsumausgaben weiterhin stark zurückhält.

Die Situation auf dem Arbeitsmarkt dürfte sich in den kommenden Wochen und Monaten weiter verschlechtern. So gehen etwa Schätzungen des japanischen Finanzhauses Nomura davon aus, dass wegen der anhaltend schwachen externen Nachfrage beinahe ein Drittel aller für die Exportindustrie tätigen Chinesen ihre Arbeit verlieren werden. Gleichzeitig drängen allein dieses Jahr mehr als 9 Mio. neue Universitätsabgänger auf den Arbeitsmarkt.

Die sich verschlechternde soziale Lage birgt enormen politischen Zündstoff. ­Damit wird es zunehmend wahrscheinlich, dass die Regierung – anders als bisher signalisiert – ein massives Konjunktur­paket schnüren wird. Aber auch damit würde sich die Lage in China nicht so schnell normalisieren.

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