Zurück zur Übersicht
17:43 Uhr - 02.02.2016

«470 Fr. je Syngenta-Aktie wäre ein sehr guter Preis»

Martin Lehmann, Manager des 3V Invest Swiss Small & Mid Cap, äussert sich zu den Übernahmeofferten für Syngenta und Kuoni sowie zu weiteren Spezialsituationen.

Herr Lehmann, angesichts der Börsenturbulenzen werweissen die Anleger, ob sie in der Schwäche zukaufen oder in Erholungsphasen, also in die Stärke, verkaufen sollen.
Martin Lehmann Bild: ZVGDa bin ich ganz klar auf der Seite derjenigen, die nach Tauchern zukaufen. Die allgemeine Stimmung im Markt ist so schlecht, das lässt mich schon wieder positiv in die Zukunft schauen.

So etwa nach dem Motto: Kaufen, wenn die Kanonen donnern. Aber haben wir es nicht mit einer alternden Hausse zu tun?
Es gibt sicher Ermüdungserscheinungen. Aber wenn ich etwa den Aktienkurs der Credit Suisse (CSGN 16.89 -3.71%) betrachte, der unter 18 Fr. liegt, dann erinnert mich das mehr an die Zeit von 2008 und 2009, als an eine Hausse. Investieren war schon im letzten Jahr anspruchsvoll, das wird auch in diesem Jahr wieder so sein. Es gilt, die richtigen Titel zu erwischen.

Woraus beziehen Sie denn Ihren grundsätzlich Optimismus?
Die wichtigste Rahmenbedingung für mich ist, dass die Zinsen tief bleiben. Und das wird definitiv noch lange der Fall sein. Das heisst, es mangelt an vernünftigen Anlagealternativen zu Aktien. Dann kommt der Anleger an Qualitätstiteln nicht vorbei. Zudem sind die Dividendenzahlungen auf Rekordniveau, allein die Gesellschaften aus dem Leitindex SMI (SMI 8179.72 -1.58%) dürften heuer 37,5 Mrd. Fr. ausschütten. Wo gehen diese Mittel hin? Viel Geld fliesst auch 2016 wieder in die Börsen hinein.

Sprechen Sie mit den Zinsen die Risikoprämie an, die ein Anleger dafür verlangt, dass er in risikobehaftete Aktien anlegt und nicht in sogenannt risikolose Anleihen?
Gerade der Blick auf die klassischen, defensiven Schweizer Qualitätstitel wie Nestlé (NESN 75.3 -0.4%), Novartis (NOVN 77.45 -1.34%) und Roche (ROG 259.8 -1.7%) (RO 259.75 -0.86%) zeigt: Die Risikoprämie ist so hoch wie fast noch nie. Sie liegt klar über dem historischen  Durchschnitt. Für mich ein Kaufargument.

Ein Blick auf das Portfolio des Fonds 3V Invest Swiss Small & Mid Cap zeigt, dass Sie nicht in defensive Werte, sondern grossteils recht risikoreich  in Titel mit hohen Kursschwankungen investieren.
Es gibt viele Schweizer Small- und Mid-Cap-Fonds, die von Auswahl und Gewichtung her nahe an ihrem Vergleichsindex investieren – meistens jene mit einer Bank im Rücken. Wir bei 3V sehen uns als ausgeprägten Nischenanbieter und schauen uns auch sehr kleine Werte an, die sich sonst kaum einer mehr anschaut.

Es fällt auf, dass 3V in zwei Gesellschaften investiert ist, die in Übernahmediskussionen stecken: Syngenta und Kuoni, für die am Dienstag ein Angebot gemacht wurde. Wetten Sie auf Übernahmen?
Nein, die Position in Kuoni (KUNN 359.75 17.85%) haben wir im letzten Sommer aufgebaut, zu Preisen um 230 Fr. Das auslösende Moment war für uns der Verkauf des Reiseveranstaltergeschäfts, das anfangs 2015 angekündigt und im Sommer vollzogen wurde.  Damit war der Hemmschuh für die Gruppe weg.

Welchen Wert schrieben Sie dem Rest zu?
Im Sommer kamen wir mit unserer Analyse der Einzelteile zum Schluss, dass Kuoni 340 bis 350 Fr. je Aktie wert hat.

Dann sind Sie mit dem von EQT offerierten Preis von 370 Fr. zufrieden?
Ja, wir werden zu diesem Preis andienen.

In Übernahmegesprächen steckt auch der Pflanzen- und Saatguthersteller Syngenta. Warum hat 3V in diesen Titel investiert, der notabene kein Small und Mid Cap ist?
Syngenta (SYNN 395.6 4.55%) ist eine langjährige Position von uns. Wir dürfen bis zu 20% in  grosskapitalisierte Standardwerte investieren. Das hilft uns bei der Steuerung der Liquidität im Fonds. Den Fall von Syngenta finden wir spannend, weil es sich um einen Megatrend handelt: Die Weltbevölkerung wächst, die Anbaufläche sinkt, da muss der Anbau effizienter werden.

In den letzten Jahren hatte Syngenta aber Probleme, auch hausgemachte.
Die letzten Jahre waren unbefriedigend. Wer auf Syngenta setzt, setzt auch auf Schwellenmärkte, und gerade in Brasilien gibt es Probleme. Aber auch deshalb läuft die Branche in eine Konsolidierung hinein. Und Syngenta ist eine attraktive Braut, mit einem integrierten Ansatz und attraktiven Technologien. Zudem hat sie keinen Ankeraktionär, was eine Übernahme erleichtert. Das war wie eine Absicherung.

Es lief aber nicht alles wie gewünscht, Sie haben darum die Vereinigung kritischer Syngenta-Aktionäre mitgegründet.
Wir waren enttäuscht, wie die Führung den Annäherungsversuch des US-Konkurrenten Monsanto (MON 88.55 -1.75%) im letzten Sommer handhabte. Generell hat Syngentas Führung eine unbefriedigende Leistung gezeigt, dennoch nahm die Entlöhnung ärgerlicherweise konstant zu. Inzwischen hat CEO Mike Mack das Unternehmen verlassen. Und ich habe mich bei der Vereinigung, die einen Anteil von 1% an Syngenta repräsentiert, zurückgezogen.

Weshalb?
Die Vereinigung kritischer Syngenta-Aktionäre hat eine politische Dimension erhalten, angesichts der Warnungen vor den Chinesen…

…weil die staatliche ChemChina in der Poleposition für eine Syngenta-Übernahme ist?
Für den Werkplatz Schweiz wäre es besser, ChemChina würde Syngenta übernehmen und nicht Monsanto. ChemChina erwarb 2015 ja den italienischen Reifenhersteller Pirelli (Pirelli 0 0%), den sie aber recht autonom führt. Es gibt dort auch keinen Exodus.

Was ist denn Ihre Preisvorstellung bei einer allfälligen Übernahme von Syngenta?
Gemunkelt wird, ChemChina könnte 470 Fr. je Aktie bieten. Das würden wir annehmen. Es wäre ein sehr guter Preis. Man muss sehen, dass Syngenta zurzeit aus fundamentaler Sicht überbewertet ist. Bliebe ein Angebot aus, würde der Kurs wieder beträchtlich sinken. Doch die Branche muss sich konsolidieren.

Ein unbekannter, sehr kleinkapitalisierter Wert in Ihrem Portfolio ist Airesis.
Das Investment war in den letzten Jahren ein schwieriges Unterfangen. Kaum einer kennt die Beteiligungsgesellschaft Airesis (AIRE 1.09 5.83%). Bekannter ist die Sportartikelmarke Le Coq Sportif, an der sie 78% hält. Es wird versucht, die Marke zu revitalisieren. So ist Le Coq Sportif Sponsor der Tour de France oder des Fussballklubs AC Fiorentina.

Sie erkennen da versteckte Werte?
Eine Marke wie Umbro wurde zum Dreifachen des Umsatzes verkauft. Le Coq Sportif setzt 110 Mio. Fr. um. Nur schon mit einmal Umsatz bewertet, hätte der Aktienanteil von Airesis einen Wert gegen 90 Mio. Fr. Airesis hat aber nur eine Börsenkapitalisierung von gut 60 Mio. Fr. und im Übrigen noch einige andere Vermögenswerte.

Ist denn eine Übernahme der Marke Le Coq Sportif gut denkbar?
Man muss wissen, dass Le Coq Sportif die Rechte an der Marke nur ex-Asien haben. Der asiatische Teil wird von der viermal grösseren Descente gemanagt. Die Japaner hätten wohl Interesse an einer Übernahme von Le Coq Sportif. Doch Airesis’ Chef und Hauptaktionär, Marc-Henri Beausire, ist momentan nicht verkaufsbereit. Er will mehr aus Le Coq Sportif herausholen. Das werte ich als gutes Zeichen.

Ein spannender Wert in Ihrem Portfolio ist auch die mit über 2 Mrd. Fr. kapitalisierte Cosmo Pharmaceuticals…
…einer unserer Top-Picks. Ich habe eine hohe Meinung von der Führung, die immer wieder mit cleveren Aktionen auffällt, so im letzten Jahr mit dem Börsengang der Dermatologiesparte Cassiopea (SKIN 29.35 -1.01%).

Nach steilem Kursanstieg sind die Cosmo-Titel seit anderthalb Jahren in einem Seitwärtstrend. Folgt bald ein Ausbruch?
Viel hängt von Methylene Blau ab. Das Mittel markiert etwa Polypen im Verdauungstrakt blau, was eine operative Beseitigung stark erleichtert. Wichtige Studienergebnisse aus der dritten, also letzten Phase der klinischen Entwicklung stehen im ersten Quartal 2016 an. Sie können jeden Tag herauskommen. Fallen sie positiv aus, gibt das dem Kurs neuen Schub.

Und wenn sie negativ ausfallen?
Dazu muss man wissen, dass Methylene Blau auf einer bewährten Plattform-Technologie basiert. Das limitiert das Ausfallrisiko. Cosmos Führung sieht den Studienergebnissen darum relaxt entgegen. Aber selbst wenn, Cosmo (COPN 150.6 -0.2%) ist nicht nur Methylene Blau. Sie haben andere Produkte, die schon Umsatz bringen, Vermögenswerte, wie den verbleibenden 45%-Anteil an Cassiopea und eine volle Kriegskasse.

Zum Schluss ein Wort zu Ihrer nach Syngenta zweitgrössten Position, der am Konglomerat Conzzeta. Setzen Sie da auf weitere Portfolioanpassungen?
Ja, nachdem Conzzeta (CON 615.5 -1.36%) 2015 die Immobilientochter Plazza (PLAN 202 0.5%) abspaltete resp. an die Börse brachte, erwarten Investoren wie ich weitere Portfoliobereinigungen. Ein Zeichen dafür, dass die Gruppe aufwacht und vorwärtsmachen will, war die Aufdotierung ihres Verwaltungsrates, etwa mit Ernst Bärtschi, der einen hervorragenden Leistungsausweis von seiner Zeit bei Sika (SIK 3676 -0.05%) mitbringt, oder mit Roland Abt, dem Finanzchef von Georg Fischer (FI-N 668.5 -1.69%). Ich setze darauf, dass dieser Verwaltungsrat die nötigen Anpassungen auf die Reihe bringt.

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.