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11:52 Uhr - 09.08.2022

Schwere Zeiten voraus in der Chipindustrie

Die Warnungen von Intel und Nvidia rütteln die Investoren auf. Die Branche birgt die Gefahr von Rückschlägen.

Die Zahlen von Intel (INTC 35.37 +2.46%) vergangene Woche waren ein Desaster, die Ergebnisse von Nvidia (NVDA 180.97 +5.92%) am Montag nicht besser: Der Umsatz der Chipgiganten lag weit unter den Erwartungen. Selbst die Subventionspakete der USA und der Europäischen Union, mit der die jeweils eigene Chipindustrie gestärkt werden soll angesichts des schwelenden Taiwankonflikts, dürften den Halbleiterkonzernen nur wenig helfen. Die Sonderkonjunktur für die Branche durch die Coronapandemie ist Geschichte.

Die Halbleiterindustrie steht wegen vieler Themen im Fokus: wegen des Unterbruchs der globalen Lieferketten, teils noch aufgrund von Corona-Lockdowns in Asien, und damit verbunden des Mangels an Komponenten vielerorts, wegen der staatlichen, milliardenschweren Investitionsprogramme in den USA und Europa, um die Abhängigkeit eigener wichtiger Industrien von Asien zu lösen, schliesslich wegen des Taiwankonflikts, der vielen erst deutlich gemacht hat, wie bedeutend diese eine Region für die weltweite Versorgung mit Chips ist.

Taiwan beherrscht den Sektor

Mehr als drei von vier Halbleitern kommen aus einer Chipfertigung in Taiwan. Die beherrschende Stellung gründet vor allem im Erfolg der Taiwan Semiconductor Manufacturing Company, besser bekannt als TSMC (TSM 88.67 +4.06%). «Niemand kann TSMC mit Gewalt kontrollieren», hat TSMC-CEO Mark Liu jüngst erklärt. «Wenn man militärische Gewalt oder eine Invasion einsetzt, wird die TSMC-Fabrik nicht mehr betriebsfähig sein», sagte er weiter mit Blick auf die jüngsten Drohungen Chinas. 

 So weit ist es noch nicht, doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Sonderkonjunktur durch die Coronapandemie abflaut. Als in weiten Teilen der Welt Arbeiten, Lernen und Spielen zu Hause zum «New Normal» wurden, zur neuen Normalität, bescherte das der Branche einen Boom. 6,8% stieg der Umsatz der Halbleiterindustrie 2020, 26,2% im Folgejahr besser lief es gemäss Statistik der World Semiconductor Trade Statistics (WSTS) in der jüngeren Vergangenheit nur direkt im Anschluss an die Finanzkrise (vgl. Grafik).

Für dieses Jahr rechnet die Interessenvereinigung der Halbleiterhersteller mit einem Wachstum von «nur» noch 16,3%, für nächstes Jahr von 5,1. Der Abschwung trifft eine Industrie, die investiert wie schon lange nicht mehr was naturgemäss die Furcht vor einem Schweinezyklus nährt: Dabei kommt es in einer Phase mit reger Nachfrage und hohen Preisen zu Investitionen, die erst verzögert greifen und in der Folge zu Überangebot und Preisverfall führen. In diesem Effekt unterscheiden sich Schweinemast und Chipproduktion kaum.

Allein TSMC rechnet mit Investitionen von 44 Mrd. $ in diesem Jahr, knapp 50% mehr als 2021. Intel will in den nächsten zehn Jahren 80 Mrd. € für den Aufbau einer europäischen Fertigung ausgeben. Der US-Kongress hat einem Gesetz zugestimmt, das 50 Mrd. $ an Subventionen den Chipherstellern zuspricht, die ihre Fertigung in den Staaten auf- oder ausbauen, dazu 200 Mrd. $ an Zuschüssen für Forschung in Feldern wie künstlicher Intelligenz oder Quantum Computing. Die Europäische Union will ebenso knapp 50 Mrd. € für die Ansiedlung von Chipunternehmen aufwenden. Die Pläne sollen den Komponentenmangel dämpfen und eigene, starke Halbleiterstandorte ermöglichen.

Chipkonzerne leiden

In den vorläufigen Zahlen von Nvidia spiegeln sich bereits die vollen Lager. Die Bestände und damit verbundene Rückstellungen kosten das Unternehmen 1,3 Mrd. $. Nvidia leidet unter mehreren Effekten. Zum einen ist der Markt für Computer- und Videospiele eingebrochen. Dort werden weniger Grafikkarten benötigt. Zudem eignen sich die Grafikchips des Unternehmens zum Mining von Kryptowährungen. Doch auch der Kryptomarkt ist zuletzt zusammengesackt. Schliesslich ist auch der PC-Markt im zweiten Quartal 10% zurückgegangen. 

Unter dem Rückgang des Verkaufs von Computern leidet auch Intel. Sie musste für das abgelaufene Quartal einen Verlust ausweisen und hat den Ausblick für 2022 gestutzt. Der Umsatz im zweiten Quartal ist 22% gefallen, der stärkste Rückgang in mehr als einer Dekade. Dazu kommen hausgemachte Probleme: Eine neue Chipgeneration verzögert sich.

Die Analysten von Barclays (BARCl 1.69 -0.76%) sehen Gewinnrevisionen voraus für viele Unternehmen der Industrie. «Die Branche birgt erhebliches Rückschlagspotenzial», erklärt Barclays-Analyst Blayne Curtis. Wer im Sektor investiert ist, sichert sein Depot dementsprechend ab. [info 3W]

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