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07:04 Uhr - 13.06.2019

«Heute ist man auf die Technologie der Zulieferer angewiesen»

Stephan Wagner, Professor für Logistikmanagement an der ETH Zürich, betont, dass sich Lieferketten oft nicht schnell anpassen können.

Herr Wagner, viele Unternehmen hängen von globalen Lieferketten ab. Sind die Handelshemmnisse etwas völlig neues?
Es gab in den vergangenen Jahren immer wieder Phasen von zunehmendem Protektionismus, etwa wenn die USA sich gegen wachsende Autoeinfuhren aus Asien gewehrt haben. Neu ist aber, dass die Massnahmen erratisch verkündet werden und nicht rational begründet sind. Die Unternehmen können sich daher nicht gut vorbereiten. Auch die Massnahmen neben den Zöllen sind ungewohnt: So werden Firmen auf schwarze Listen gesetzt – das kannte man nur in sensiblen Branchen wie der Rüstungsindustrie.

Wie können Unternehmen reagieren?
Sie sind nun in einer Phase grosser Unsicherheit. Viele Lieferketten können trotz all der Unvorhersagbarkeit nicht schnell angepasst werden. Denn Entscheidungen müssen oft langfristig getroffen werden. Die Supply Chains sind oft über Jahrzehnte gewachsen. Das Management braucht keine ewige Stabilität, aber eine gewisse Vorhersehbarkeit. Und das ist bei den politisch getriebenen Entwicklungen nicht gegeben. Bei neuen Projekten wartet man ab, aber bei einer bestehenden Lieferkette werden die Unternehmen den Schaden der höheren Zölle oftmals erst einmal akzeptieren: Die Preise zugelieferter Teile steigen, die Nachfrage sinkt. Für einfache Fertigungsschritte mögen südostasiatische Länder wie Vietnam eine Alternative zu China sein. Aber im Unterschied zu früher kommt man an China als Standort in vielen Industrien nicht vorbei.

Es geht nicht nur um geringere Kosten?
China ist schon lange nicht mehr nur günstiger Kopierer von Technologie, sondern hat in vielen Branchen die Innovationsführerschaft übernommen. Man denke nur an Elektromobilität oder die Smartphoneproduktion. Heute bedeutet für viele Unternehmen Outsourcing nicht nur, dass man bei einem Zulieferer fertigen lässt, sondern auch, dass man auf die Technologie und die Innovationskraft der Zulieferer angewiesen ist. Die Unternehmen sind offener für die Zusammenarbeit mit anderen Partnern – mit Start-ups oder sogar Konkurrenten.

Hat man eine Störung der Supply Chains gar nicht vorhergesehen?
Den Unternehmen hilft jetzt ein Trend, der schon länger vonstattengeht. Man versucht, näher am Absatzmarkt zu produzieren und dort auch Wertschöpfungsketten aufzubauen. Dadurch kann man flexibler auf Kundenbedürfnisse reagieren. Die verteilten Lieferketten bieten auch mehr Sicherheit. Das sieht man in China etwa beim Flugzeughersteller Airbus (AIR 122.92 -0.18%) oder den deutschen Automarken. Sie produzieren ihre Produkte dort, weil es einer der grössten Märkte ist.

Kann Washington durch Protektionismus nicht Unternehmen zwingen, in den USA mehr Innovation hervorzubringen?
Das ist wohl ein Grund für die Massnahmen, auch wenn die Politik eher auf mehr Arbeitsplätze abzielt. Ich will nicht ausschliessen, dass in einzelnen Fällen vermehrt in den USA entwickelt wird. Aber insgesamt halte ich es für illusorisch, dass man mit Handelshemmnissen die Innovationsfähigkeit zurückholen kann. China ist für westliche Unternehmen ein grosser Markt mit viel Kaufkraft und hat verstanden, dass man massiv in neue Technologien investieren muss.

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