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18:59 Uhr - 03.03.2015

Schweiz wird den Frankenschock meistern

Trotz der miserablen Umfrageergebnisse aus der Wirtschaft erwarten die Konjunkturforscher keinen Absturz in die Rezession.

zoomUnmut der Schweizer Wirtschaft über das überraschende Ende des Euromindestkurses wird mehr und mehr statistisch unterlegt. Am Dienstag veröffentlichte die Konjunkturforschungsstelle Kof der ETH Zürich ihre monatliche Unternehmensumfrage zu den Konjunkturaussichten. Das Ergebnis ist fürchterlich. Der Geschäftslageindikator für die Industrie notierte im Februar –15,3 Punkte, nach –0,3 im Januar. Es handelt sich um den schärfsten Rückgang innerhalb eines Monats seit der Indikator vor zehn Jahren eingeführt wurde.

Betroffen von der Klimaverschlechterung sind alle Unternehmen: Gross oder klein, egal in welcher Branche sie operieren und ob ihre Kunden im Ausland sitzen oder im Inland. Die Kof-Umfrage legt offen, dass überall die Produktion gedrosselt wird und die Arbeitgeber planen, die Zahl der Mitarbeiter zu vermindern. «Ein derartiges Absacken der Beschäftigungserwartungen der Industriefirmen gab es zuletzt Ende 2008 mit dem Ausbruch der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise», teilen die Zürcher Wissenschaftler mit.  Auch der Einkaufsmanagerindex für die Industrie, ein viel beachteter Frühindikator, liegt im Februar deutlich unter der Schwelle, die  Wachstum signalisiert.

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Aussserhalb des verarbeitenden Gewerbes ist die Lage kaum besser. Der Detailhandel spricht von einer noch knapp befriedigenden Stimmung. Er bereitet sich allerdings auf schrumpfende Umsätze vor. Die Preise sollen auf breiter Front gesenkt werden, um das Abwandern der Kundschaft über die Landesgrenze einzudämmen. Weniger die Frankenstärke als vielmehr die Minuszinsen dämpfen die ansonsten immer noch gute Stimmung im Finanzsektor. Banken warnen nun aber vermehrt, sie wollten ihren Personalbestand abbauen.

zoomDie Konjunkturforscher blicken vorsichtig in die Zukunft. Noch herrscht Konsternation über den Währungsschock vor. Vergleichsdaten für eine Analyse fehlen. Die Computermodelle tun sich schwer in solchen Phasen, in denen das Ungewöhnliche regiert. Die Mehrheit der Auguren geht derzeit aber davon aus, dass die Schweiz nicht in eine anhaltende Rezession fallen wird. In den ersten zwei Quartalen dürften zwar Minusraten beim Bruttoinlandprodukt anstehen. Darauf deutet auch das Kof-Konjunkturbarometer für die Gesamtwirtschaft hin, das seit Dezember stark gefallen ist. Später soll sich wieder Wachstum einstellen.

Im Jahresdurchschnitt wird die Wirtschaft demnach mehr oder weniger stagnieren. Vorausgesetzt der Euro stabilisiert sich auf dem jetzigen Niveau nahe 1.10 Fr./€. Die meisten Ökonomen setzen fest auf die Nationalbank: Sie werde mit Interventionen verhindern, dass der Kurs auf oder unter die 1:1-Parität zurückfällt.

Lichtblicke im Ausland

zoomIn der Tat sind Pluspunkte anzuführen. So wurde die Wirtschaft nicht aus einer Position der Schwäche in die neue Ära ohne Eurountergrenze gestossen. Die Zahlen für das Bruttoinlandprodukt (BIP), die am Dienstag publiziert wurden, legen nahe, dass sie über ein gewisses Polster verfügt. Im dritten und vierten Quartal expandierte das BIP beträchtlich. Im Jahresdurchschnitt 2014 resultierte ein Realwachstum von 2%, nach 1,9% im Vorjahr. Die Raten liegen über dem langfristigen Potenzialpfad.

«Die Erholung in der Eurozone wird uns sehr helfen», sagt Janwillem Acket, Chefökonom der Bank Julius Bär (BAER 43.56 -1.25%). Er baut darauf, dass dort die Nachfrage kräftig anzieht. Erfahrungsgemäss sind solche Nachfrageffekte für das Schweizer Wachstum wichtiger als der Wechselkurs. David Marmet, verantwortlich für die Schweizer Konjunkturprognosen bei der Zürcher Kantonalbank, vergleicht die Situation mit einem Konjunkturprogramm, das in der Eurozone derzeit Wirkung zeige. «Es sorgt dafür, dass die Schweiz knapp an einer Rezession vorbei schrammen wird.»

Auch die aussereuropäischen Absatzmärkte boomen. Erdöl bleibt günstig. Kommt hinzu, dass sich der Franken zum Dollar nur begrenzt aufgewertet hat. Das Umfeld ist insgesamt also solide.

Terms of Tradezoomzoom

Normalerweise sorgt eine Aufwertung dafür, dass ein Land für das gleiche Exportvolumen mehr importieren kann. Die realen Austauschverhältnisse (Terms of Trade) verbessern sich. In der Schweiz ist dieses Phänomen aber weniger eindeutig. Das zeigen die BIP-Quartalsschätzungen: Nicht nur die Importpreise sind letztes Jahr jedes Quartal gefallen, sondern auch die Exportpreise. Bei den Waren (ohne Wertsachen und  Transithandel) nahmen erstere  durchschnittlich 1,2% ab, letztere 0,9%. Dienstleistungsimporte wurden 0,2% günstiger, -exporte gar um 0,7%.

Da die meisten Exporteure zugleich auch viel importieren, nutzen sie die Einsparungen beim Einkauf als Puffer, um zu grosse Margeneinbussen zu verhindern. Ökonomen rechnen erfahrungsgemäss bei einer Aufwertung um 10% mit Preisabschlägen im Export von 2 bis 4%. Die Konsumteuerung wird tief im Minus liegen. Die prognostizierten Werte sind selbst für Schweizer Verhältnisse aussergewöhnlich.

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