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11:23 Uhr - 08.08.2017

«In Europa investieren – da ist viel Dynamik drin»

Sandro Dittli, Anlagechef des Vermögensverwalters WMPartners, setzt auf Aktien und hält viel von alternativen Investments.

Herr Dittli, wie reagieren Sie beim Blick auf die Börse: mit Freude über die anhaltend positive Entwicklung oder mit Bedenken, der Aufschwung könnte übertrieben sein?
In der Weltwirtschaft findet ein synchroner Wirtschaftsaufschwung statt, der die Gefahr einer Rezession klein hält. Die vorlaufenden Indikatoren lassen einen weiteren guten Konjunkturverlauf erwarten. Hinzu kommt die expansive Geldpolitik, die Aktien nach wie vor unterstützt. Das fundamentale Bild sowie der Liquiditätsfaktor bereiten mir somit Freude. Das Sentiment ist gut, jedoch nicht euphorisch. Die Bewertungen sind im Verhältnis zu den Obligationenrenditen trotz Kursanstieg attraktiv. Demgegenüber ist das Momentum an den Märkten überkauft. Meine Bedenken über ein Ende des Aufschwungs halten sich aber in Grenzen.

Wie strukturiert WMPartners vor diesem Hintergrund ein ausgewogenes Depot für Privatanleger?
Wir halten Aktien über dem strategischen Gewicht und sind in Obligationen untergewichtet. Innerhalb der alternativen Anlagen bilden Gold (Gold 1260.6 0.22%) und anleihenähnliche Investments den Hauptbestandteil. Ein ausgewogenes Portfolio besteht zurzeit aus 46% Aktien, 25% Obligationen, 23% alternative Anlagen und 6% Liquidität.

Den Aktienteil haben Sie auf leicht Übergewichten zurückgefahren. Bereuen Sie es nicht, nachdem der SMI (SMI 9145.05 -0.11%), der Index für Schweizer Standardwerte, vergangene Woche eben wieder ein neues Jahreshöchst erreicht hat?
Nein, wir konnten bis jetzt von unserer Aktienübergewichtung profitieren und haben vereinzelt Gewinne realisiert. Mit einer Aktienquote von gegenwärtig 6 Prozentpunkten über dem strategischen Gewicht nehmen wir weiterhin an den positiven Börsen teil.

Wie verhalten Sie sich in einer Korrektur: Zukaufen oder abbauen?
Das hängt vom Auslöser ab. Sollte es sich psychologisch bedingt nur um Gewinnmitnahmen handeln und das erwähnte fundamentale Bild intakt bleiben, würde ich zukaufen. Falls sich jedoch das nach meiner Meinung aktuell grösste Risiko bewahrheiten sollte – ein überraschender Anstieg der Inflation, der die Zentralbanken zu raschem Handeln, sprich Leitzinserhöhungen zwingt – hätten wir negative Folgen an den Finanzmärkten. Der Liquiditätsfaktor würde sich eintrüben. Eine defensive Positionierung wäre dann notwendig.

Wie gross ist dieses Risiko?
Das lässt sich zurzeit schwer abschätzen. Ich stelle fest, dass trotz wirtschaftlicher Erholung und Verbesserung am Arbeitsmarkt die Lohninflation niedrig bleibt. Es ist davon auszugehen, dass das sehr niedrige Produktivitätswachstum einem starken Anstieg der Löhne im Wege steht. Das hält das Risiko eines gröberen Umschwungs in Grenzen.

Der Hauptexportmarkt der Schweiz ist Europa. Welche neuen Horizonte eröffnen die anziehende Konjunktur im Euroland und der stärkere Euro der Schweizer Börse?
Die Konjunktur im Euroland ist tatsächlich in einer guten Verfassung und breit abgestützt. Der Internationale Währungsfonds hat bereits mehrfach die Wachstumsprognosen nach oben gesetzt, und die vorlaufenden Indikatoren haben teils sogar schon eine euphorische Note. Wir tragen dem weniger mit Engagements am Heimmarkt Rechnung. Wir sind in kleinkapitalisierte, binnenorientierte Unternehmen via ETF auf den Euro Stoxx Small Cap Index investiert. Das ist, wenn Sie so wollen, unsere Europakarte.

Bleibt Europa Trumpf, oder kommt America First wieder ins Spiel?
Die Börseneuphorie um Präsident Trump ist mittlerweile verflogen. Dass Steuersenkungen, Infrastrukturprojekte und anderen Reformen bisher ausbleiben, lässt die Zuversicht schwinden. Ich denke, die Abkühlung des transatlantischen Bündnisses birgt Chancen für Europa. In der Eurozone scheint die Einsicht zu reifen, dass Europa nun eigenständiger handeln und zusammenstehen muss. Die Chancen stehen gut, dass auch Deutschland sich verstärkt der «Lösung Europa» annimmt. Da ist viel Dynamik vorhanden. Mit den aktuellen Währungsverhältnissen können die Unternehmen – auch die schweizerischen – gut umgehen.

Erwarten Sie per Ende Jahr höhere oder tiefere Aktienkurse als heute?
Sollten wir eine überraschend anziehende Inflationsdynamik sehen, stehen die Börsen auf einem tieferen Niveau als heute. Von dem gehe ich nicht aus. Das überkaufte Momentum wird uns zwischenzeitliche Kurskorrekturen bescheren. Hohe kreditfinanzierte Aktienkäufe und niedrige Volatilitäten mahnen zur Vorsicht. Solche Korrekturen sollten jedoch wie gesagt für Zukäufe genutzt werden.

Bei WMPartners fällt die mit 23% im ausgewogenen Depot relativ hohe Gewichtung alternativer Anlagen auf, obligationenähnliche Investments wie Mikrofinanz oder versicherungsbasierte Anlagen. Was ist die Überlegung dahinter?
Die obligationenähnlichen alternativen Anlagen ermöglichen es, den tiefen Renditen auf der klassischen Obligationenseite zu entrinnen. Ihre niedrige Korrelation mit traditionellen Anlageklassen reduzieren insgesamt auch das Risiko eines Portfolios.

Für manche Anleger ist das Thema neu. Welche Rendite versprechen alternative Investments und welche Risikofähigkeit setzen sie voraus?
Die Renditespanne reicht von 2 bis 4% bei Mikrofinanzanlagen und versicherungsbasierten Anleihen. Renditen von 6 bis 7% sind mit Infrastrukturanlagen und privat platzierten Versicherungsanleihen zu erreichen. Dafür muss aber eine höhere Illiquidität in Kauf genommen werden. Gleiches gilt für Private Debt, also Privatkredite, und für Private Equity (PEHN 78.55 1.35%).

Alternative Anlagen somit auch für Privatinvestoren, für kleinere Depots? Mildern sie wirklich das Risiko, falls die Stimmung an den traditionellen Märkten kippt?
Ja, gerade die obligationenähnlichen Lösungen geben dem Portfolio aufgrund ihrer Diversifikationseigenschaften ein besseres Risikoprofil. Sie sind Zinsänderungen und politischen Ereignissen weniger ausgesetzt als Obligationen oder Aktien. Demgegenüber ist bei Anlagen in Private Debt und Private Equity im Fall einer Wachstumseintrübung mit Kurseinbussen zu rechnen. Dafür werden Anleger mit höheren durchschnittlichen Renditen entschädigt.

Welche Kriterien, welche Sektoren bevorzugen Sie bei der Aktienselektion?
Wir investieren schwergewichtig in Aktien von Unternehmen mit Geschäftsmodellen, die nachhaltig eine überdurchschnittliche Kapitalverzinsung aufweisen. Entsprechend ist die Sektorzugehörigkeit kein entscheidender Faktor. Wir würden auch nicht in ein unterdurchschnittliches Unternehmen investieren, nur weil es zu einem «positiven» Sektor gehört.

Welche Einzeltitel stechen dabei als besonders attraktiv hervor?
Aus diesem Selektionsprozess stechen vor allem Gesellschaften mit nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen hervor, starke Markennamen, wofür Nestlé (NESN 83.05 -0.12%) bekannt ist, Technologien, wie bei Microsoft (MSFT 72.4 -0.39%). Andere herausragende Merkmale sind Patente, was beispielsweise für Novartis (NOVN 81.85 -0.24%) zutrifft, Netzwerkeffekte wie im Falle von Google (GOOGL 945.75 -0%) und Amazon (AMZN 992.27 0.47%) oder nicht-replizierbare Vermögenswerte. Solche findet man beispielsweise beim US-Eisenbahnunternehmen Union Pacific.

Wovon würden Sie die Finger lassen?
Von Unternehmen mit ungenügender Kapitalrendite, von «Fantasieaktien» und von Gesellschaften, deren Aussichten man nicht ausreichend beurteilen kann.

Wie beurteilen Sie Finanzaktien, vor allem  Grossbankentitel wie CS, UBS (UBSG 16.9 -0.35%) und Deutsche Bank (DBK 15.345 -0.81%)?
Das Umfeld für Finanzaktien hat sich verbessert. Es ist jedoch schwierig, die Bilanzen der Banken genügend beurteilen zu können, weshalb die Titel bei uns nicht zuoberst erscheinen. Ein Engagement in Bankaktien betrachte ich als eine spekulative Wette auf Zinsänderungen und eine Verbesserung des Kreditumfelds.

Big Pharma oder zyklische Small & Mid Caps – wie würden Sie entscheiden?
Das kann man nicht pauschal beantworten. Es gibt interessante Pharmakonzerne wie Novartis, aber eben auch jene, die überdurchschnittlich vom Patentabläufen  betroffen sind oder enttäuschende klinische Studien präsentieren. Bei zyklischen Nebenwerten gilt Ähnliches: Die Bewertung vieler Schweizer Small & Mid Caps ist sehr hoch. Aber es gibt immer noch Ausnahmen wie zum Beispiel Autoneum (AUTN 243.7 0.7%).

Welche fünf Titel – Schweiz und international – dürfen auf sechs bis zwölf Monate in keinem Portefeuille fehlen?
Nestlé und Novartis aus der Schweiz, die Titel der dänischen Schmuckkette Pandora (PNDORA 688.5 -8.57%), Walt Disney (DIS 106.35 -1.24%) aus den USA und Suncor (SU 33.01 0.06%) Energy aus Kanada.

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