Peking sorgt vor dem Parteikongress für Stabilität. Entsprechend positiv fallen die Halbjahreszahlen der Grossbanken und die Konjunkturindikatoren aus.
Wenn die Halbjahreszahlen der vier chinesischen Grossbanken als Massstab genommen werden, hat sich der Zustand der weltweit zweitgrössten Volkswirtschaft in den vergangenen Monaten deutlich verbessert.
Die Bank of China etwa hat für das erste Semester 2017 einen um 11,5% höheren Nettogewinn ausweisen können, nachdem das Ergebnis im Vorjahr lediglich 1,3% gestiegen war.
Die Industrial and Commercial Bank of China – das gemessen an der Bilanzsumme grösste Finanzinstitut der Welt – konnte den Nettogewinn 1,8% auf 153 Mrd. Yuan (23 Mrd. $) steigern, nach einem Gewinnanstieg von 0,8 im Vorjahr. So kräftig ist der Semestergewinn seit dem ersten Halbjahr 2013 nicht mehr gewachsen.
Auch andere Indikatoren wie etwa die Einkaufsmanagerindizes der verarbeitenden Industrie weisen auf eine robustere Konjunktur hin. Denselben Trend spiegeln die Börsen.
Der Hongkonger Hang Seng (Hang Seng 27740.26 -0.76%) Index hat seit Anfang Jahr rund 27% zugelegt und Ende August zum ersten Mal seit April 2015 die Barriere von 28 000 Punkten durchbrochen . Die Landeswährung Yuan wiederum ist in diesem Jahr gegenüber US-Dollar rund 5% erstarkt.
Die Ratingagentur Moody’s, die im vergangenen Mai Chinas Kreditwürdigkeit mit Verweis auf den rasant gestiegenen Verschuldungsgrad herabgestuft hatte, hat auf diese positiven Entwicklungen bereits reagiert.
Wie zuvor auch andere Institutionen hat sie die Prognose für das Wachstum des realen Bruttoinlandprodukts im laufenden Jahr nach oben korrigiert. Statt wie bisher 6,6% erwarten die Moody’s-Ökonomen jetzt ein Wachstum von 6,8%.
Kreditboom ist ausgereizt
Es gibt allerdings auch Stimmen, die das Bild einer sich deutlich verbessernden Konjunkturlage hinterfragen. Getrübt werden die guten Aussichten etwa durch den Einkaufsmanagerindex des Dienstleistungssektors.
Er befindet sich zwar weiterhin über der Wachstumsgrenze, ist aber im August überraschend auf 53,4 gefallen, den tiefsten Wert seit Mai 2016. Es bleibt ausserdem offen, ob die Banken auch im zweiten Halbjahr ihren Wachstumskurs aufrechterhalten können.
An einer von der Regierung in Peking einberufenden Expertenkonferenz im Juni wurde der Abwendung einer Finanzkrise oberste Priorität beigemessen. Seither geht der Staat verschärft gegen Exzesse im Schattenbankensystem vor.
Das zeigt sich unter anderem daran, dass vor allem kleinere Banken, deren Gewinne noch vor kurzem deutlich schneller gewachsen waren als die der Grossbanken, in ihrer Kreditvergabe weit zurückhaltender geworden sind. Gemäss der Nachrichtenagentur Reuters gehen Analysten davon aus, dass die Geldhäuser bereits in den ersten sechs Monaten des Jahres 80% ihrer für 2017 zustehenden Kreditquote ausgeschöpft haben.
Das könnte bedeuten, dass sich das Wirtschaftswachstum im laufenden Semester infolge eines geringeren Kreditwachstums verlangsamt. Den Banken könnten für die Bereinigung ihrer Bilanzen höhere Kosten anfallen.
Zwar ist der Anteil der von den vier Grossbanken ausgewiesenen Problemkredite im ersten Semester gefallen. Die Agricultural Bank of China weist einen Rückgang um 18 Basispunkte auf 2,2% aus.
Branchenweit beläuft sich die Rate notleidender Kredite gemäss Bankenaufsichtsbehörde auf 1,74%. Die Zahl dürfte allerdings ohne die Effekte kreativer Buchhaltung weit höher liegen.
Mehr faule Bankdarlehen
Darüber hinaus sind in China viele Industrieunternehmen dabei, ihre Überkapazitäten begleitet von entsprechenden Abschreibungen abzubauen. Dadurch dürften in den kommenden Monaten vermehrt Risikokredite in den Bilanzen der Banken auftauchen.
Hinzu kommt, dass China gegenwärtig im Bann des für Oktober angesagten Kongresses der Kommunistischen Partei steht. An dem nur alle fünf Jahre stattfindenden Anlass werden mit wichtigen Personalentscheidungen die politischen und wirtschaftlichen Weichen gestellt.
Im Vorfeld hat die Regierung alles getan, um die Wirtschaft auf Wachstumskurs zu halten und den Anschein der Normalität zu wahren.
Das hat auch den Börsen erheblichen Auftrieb gegeben, konnten chinesische Investoren in den vergangenen Monaten doch davon ausgehen, dass die Obrigkeit im Fall grösserer Kursturbulenzen stützend eingreift.
Allerdings könnte sich das nach Abschluss des Kongresses ändern, besonders wenn Beschlüsse gefasst werden, die kurz- und mittelfristig wirtschaftlich einschneidende Folgen haben.
Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.