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06:56 Uhr - 26.05.2015

Bondmarkt: Hausse-Ende ohne Zinswende

Die Zinsen haben ihr Tiefst hinter sich, steigen aber kaum – dieser Konsens ist die harmloseste Lesung der Bondmarktkorrektur.

zoomVor drei Wochen rieben sich Bondhändler die Augen: Als sicher geltende Staatsanleihen brachen ein, ihre Renditen zogen jäh an. Bei zehnjährigen deutschen Staatstiteln (Bunds) schossen sie binnen 48 Stunden von rund 0,1% 20 Basispunkte nach oben, so viel wie seit 2012 nicht mehr. Eine Woche später waren es 0,75%.

Der Markt hat sich zwar beruhigt, doch die Frage steht im Raum: Ist der 33-jährige Bond-Bullenmarkt zu Ende? Oder erleben wir nur eine Neuauflage von 2013, als die US-Notenbank den Ausstieg aus dem Wertschriftenkaufprogramm bekanntgab? Kaum hatten die Renditen darauf mit einem Anstieg reagiert, wurde die Zinswende ausgerufen. Doch dann fielen die Sätze wieder. Seither wagt niemand mehr, das Ende der Zinserosion zu deklarieren.

Nicht unbedingt ein Déjà-vu

Es gibt Unterschiede zum «Taper Tantrum» von 2013: Damals bereitete das Fed die Märkte auf ein Ende der Wertschriftenkäufe (Tapering) vor. Die Europäische Zentralbank (EZB) zeige dagegen die Entschlossenheit, das im Januar lancierte Anleihenkaufprogramm fortzusetzen, erklärt Gero Jung, Chefökonom von Mirabaud Asset Management.

Vielen scheint die Erholung der Eurozone – unterstützt von schwachem Euro und tiefem Ölpreis – nachhaltiger als damals. Am Donnerstag schrieb die Agentur Moody’s, die Unternehmensgewinne in der Eurozone würden dank Stabilisierung der Nachfrage in den nächsten eineinhalb Jahren wachsen.

Für die jüngste Korrektur am Bondmarkt – eine der schärfsten – machen Experten hauptsächlich gestiegene Inflationserwartungen, die auf einen überbewerteten, illiquiden und damit korrekturanfälligen Markt trafen, verantwortlich.

Nach dem falschen Alarm 2013 sind ihre Prognosen vorsichtiger. Sie lassen sich so zusammenfassen: Der Tiefpunkt bei den Zinsen liegt hinter uns, ohne dass eine Zinswende eingetreten ist. «Was wir gesehen haben, ist keine Trendwende, sondern eine Korrektur», erklärt Jung. Das EZB-Anleihenkaufprogramm werde weiter eine enorme Wirkung haben. Daher sei nicht von einem Zinsanstieg, sondern von einer Stabilisierung auf aktuellem Niveau auszugehen.

Auch Asset-Manager Aquila glaubt nicht, dass die Zinswende eingeläutet wurde. Dazu sei das Wachstum global nicht stark genug, die Notenbankpolitik noch zu expansiv. Das Zinsniveau bleibe tief, nur die Volatilität steige. Der über dreissigjährige Bullenmarkt sei allerdings vorbei. Anleger sollten in Kredit- statt Zinsrisiken investieren. Und Mikio Kumada von LGT sieht in den Verwerfungen die typische Überreaktion auf die Normalisierung sehr tiefer Inflationserwartungen.

Rückfall oder Zinsschock

Es gibt Alternativen zum Szenario moderaten Inflationsanstiegs und Wachstums: Trotz expansiver Notenbanken könnte der Inflationsdruck auf sich warten lassen, der Rohölanstieg Episode bleiben. Die Zinsen fielen plötzlich wieder. Für Albert Edwards, Stratege bei Société Générale, könnten sich die Renditen zehnjähriger Bunds von aktuell rund 0,65% denen der «Eidgenossen» annähern und unter null fallen.

Entsprechende US-Treasuries fielen von 2,2 auf bis zu 0,5% zurück. Beide Werte wären Allzeittiefs – der Bond-Bullenmarkt ginge weiter. Drückten die Notenbanken die Leitzinsen genügend tief ins Minus, gebe es auch für Renditen kein Limit nach unten, gibt Edwards zu bedenken.

Selbst das Abdriften in eine Deflation sei nach wie vor möglich. Auslöser könnte etwa eine Rezession in den USA sein. Einen Hinweis auf diese Gefahr liefere der bereits feststellbare Margendruck.

Ausgeschlossen ist eine weitere Überraschung aus Übersee nicht: Der US-Aufschwung ist bereits ins Stottern geraten, anders als Anfang Jahr glaubt kaum jemand mehr an eine Zinserhöhung des Fed im Juni (mehr dazu hier). Zahlungsbilanzprobleme in Schwellenländern könnten zudem über eine massive Abwertung ihrer Währungen Deflation in den Rest der Welt exportieren. «Wir sind nur eine Rezession von Deflation entfernt», warnt Edwards.

Gefahr für DividendenaktienDie Zinswende würde die als Anleihenersatz beliebten defensiven Qualitätswerte unter Druck setzen. Eine Sektorrotation wäre der Gesundheit der Hausse allerdings zuträglich. Lesen Sie hier mehr.Es könnte auch in die andere Richtung schiefgehen: Sollte sich das Wachstum tatsächlich beschleunigen, würden die Märkte erwarten, dass das bisher im Finanzsystem gestaute Notenbankgeld die Teuerung anheizt. Die Zinsen könnten dann schnell und heftig steigen. Die Börsen scheinen bereits eine höhere Inflationsprämie auf langfristigen Zinsen einzupreisen.

«Falls unsere Prognose von 2,2% Wachstum stimmt, gibt es keinen Grund, warum zehnjährige Bundrenditen nicht auf 1%, den Stand von Herbst 2014, klettern sollen», erklärt Graham Secker, Aktienstratege bei Morgan Stanley (MS 38.17 0.34%) – zumal das Umfeld besser sei als damals. «Wenn Anleihenanleger merken, in einer Woche das Zinseinkommen der nächsten zehn Jahre verlieren zu können, könnten sie in Aktien umschichten.» Der Zinsanstieg würde weiter alimentiert.

Dollarschwäche kommt zu spätDer Greenback notiert wieder etwas tiefer. Dennoch fürchtet die US-Notenbank, dass der Aufwertungsschock bleibende Schäden in der Wirtschaft hinterlassen hat. Lesen Sie hier mehr.

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