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16:18 Uhr - 23.05.2017

Was tun, wenn die Märkte seitwärts tendieren

Kein Crash, sondern eine Seitwärtsbewegung, lautet das Marktszenario des Anlagechefs Aktien Europa von Fidelity International, Paras Anand. Qualität zu günstigen Preisen, ist sein Rezept.

Eine Hausmeinung gibt es im globalen Fondshaus Fidelity International bewusst nicht. Jeder Fondsmanager und Chefstratege soll seine eigene Meinung vertreten und umsetzen. Das zwingt zu einem klaren Vorgehen, zu Verantwortung und Transparenz gegenüber dem Kunden. Kompromisse in der Anlagestrategie lehnt das Asset-Management-Unternehmen ab – es zählt 7000 Angestellte und verwaltet 275 Mrd. €. Denn Kompromisse, so wurde an einer europäischen Medienkonferenz in London erklärt, trüben den Blick auf die Fakten und machen das Zukunftsbild schummrig.

Die Spezialisten des Hauses äusserten denn auch pointiert, was sie an den Märkten erwarten. «Die Aktienhausse befindet sich im letzten Viertel des Aufschwungs», sagt Dominic Rossi, globaler CIO für Aktien. Der Höhenflug gehe weiter, noch maximal zwei Jahre. Auch ein Zinsanstieg – mässig, nicht dramatisch werde er sein – bringe die Attraktivität von Aktien nicht zum Verschwinden. Fürs Jahr 2020 sagt Rossi einen S&P-500-Index von 2700 voraus. Es wäre der Höhepunkt der Rally, rund 300 Zähler oder 13% höher als heute.

Geldpolitische Treiber ausgereizt

Mit sinkenden Zinsen sei es vorbei. Deshalb fehle dieser Treiber, der die Aktienbewertung mit nach oben gehievt habe. In Zukunft müssten es die Unternehmensgewinne und die Dividenden richten. Darin waren sich die Exponenten einig.

Noch nicht vollständig erholt habe sich der Unternehmensgewinnzyklus in Asien. Auch wenn sich längerfristig die Lage aufhellen werde und Asiens Schwellenmärkte grosses Aufholpotenzial besässen, sei bis auf weiteres mit einer durchzogenen Entwicklung zu rechnen.

Auf das grösste Risiko angesprochen, antwortet Tim Orchard, CIO Aktien Asien Pazifik: «Nordkorea.» US-Präsident Trump versuche, mit Einschüchterung ein Gleichgewicht des Schreckens mit dem nordkoreanischen Regime herbeizuführen. Das könne gelingen, doch es könne immer wieder Säbelrasseln absetzen, was die Märkte verunsichere.

Europa seitwärts

Schon fast beängstigend, wenn man sich unter globalen Aktienstrategen umhört, ist die einhellig positive Meinung zu Europa. «Europe first», empfehlen Börsenauguren in seltener Einstimmigkeit. Paras Anand, CIO Europa von Fidelity International, hält sich davon ein Stück weit fern. Weitsichtigen Investoren – wer ist das nicht – empfiehlt er, sich mit dem Gedanken an eine Seitwärtsbewegung zu befassen.

Die ultralockere Geldpolitik der Notenbanken habe vor allem die Vermögenspreise beflügelt. «Als Folge davon ging die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auf. Das verursacht soziale Spannungen, die noch länger bestehen bleiben», erklärt Anand. Ebenfalls intakt seien protektionistische Tendenzen. «Sie werden die Globalisierungsfortschritte der letzten 25 Jahre nicht rückgängig machen, aber den internationalen Handel beeinträchtigen.» Betroffen sei davon nicht zuletzt das exportorientierte Europa, mit Deutschland an der Spitze.

Kursaufschwung nimmt vieles vorweg

Als Vorbote eines Kurseinbruchs will Anand diese Entwicklung zwar nicht verstanden wissen. Aber der Ausblick verleite auch nicht zur Euphorie: Dass sich das konjunkturelle Wachstum in Europa fortsetze und, wie manche Strategen meinen, sogar dasjenige der USA übertreffen werde, sei noch keineswegs klar. Dass die Unternehmensgewinne wieder zulegen, sei unbestritten. Doch der kräftige Kursaufschwung habe schon vieles vorweggenommen, ebenso wie immer mehr auch die von den Analysten nach oben revidierten Prognosen.

Mittelfristig würden bei weiter ansprechender Konjunktur die Reallöhne steigen. Das fördere den Konsum, «kratzt aber an den Gewinnmargen», sagt Anand. Eine grosse Herausforderung sei zudem digitale Transformation. Sie stelle Geschäftsmodelle auf den Prüfstand. «Mit fortschreitender Technologisierung verkürzt sich der durchschnittliche Lebenszyklus der Unternehmen und verschärft sich die Konkurrenz.»

Was für Europa spreche, sei die Bewertung, die sich im Bereich des langfristigen Durchschnitts bewege, mit Dividendenrenditen, die deutlich über der Rendite von festverzinslichen Anlagen lägen. Die Bilanzen seien gesund und erlaubten es den Unternehmensführungen, strategisch zu agieren statt zu reagieren. «Das wirtschaftliche Umfeld hat sich aufgehellt, und das Finanzsystem ist besser auf exogene Schocks vorbereitet als früher», fügt Anand weitere Vorzüge an.

Aktiv in gute und günstige Aktien investieren

Wie geht man in Seitwärtsmärkten, wie der Europa-CIO von Fidelity International sie sich vorstellt, vor? «Aktiv in unterbewertete Unternehmen mit hoher Gewinnqualität investieren», ist die Antwort von Paras Anand.

Konkreter wird Fondsmanager Matt Siddle: Barclays (BARC 214.2 0.4%), Royal Dutch Shell (RDSB 2168.75 0.57%), den Versicherungswert Prudential (PRU 20 -2.27%) – «gleich günstig bewertet wie spanische oder italienische Banken» – und die Bekleidungskette Inditex (ITX 36.24 -0.28%) nennt er als Beispiele von Aktien, in die der auf gute Qualität mit attraktiver Bewertung fokussierte Fonds Fidelity European Larger Companies investiert.

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