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15:02 Uhr - 13.03.2015

ZKB-CEO: «Die kleinen Banken leben lassen»

Martin Scholl, der Chef der Zürcher Kantonalbank, hält die zunehmende Konzentration im Bankgeschäft für gefährlich, wie er im Interview mit der FuW erlkärt.

Die Zürcher Kantonalbank (ZKB) müsse auf Einlagen von 10 bis 12 Mrd. Fr. bei der SNB (SNBN 1026 -0.77%) Negativzins zahlen, sagt Martin Scholl. Wegen der neuen Rahmenbedingungen würden sich Bankaktionäre auf  tiefere Dividenden  gefasst machen müssen, erklärt der Geschäftsleitungsvorsitzende der ZKB. Doch der Chef der viertgrössten Schweizer Bank warnt vor weiteren Konsolidierungen und einer durch den Regulator getriebenen «Monokultur». Zur PersonMartin Scholl wurde 2007 Vorsitzender der Generaldirektion der Zürcher Kantonalbank, nachdem sein Vorgänger wegen Transaktionen in Sulzer-Aktien hatte zurücktreten müssen.

Scholl ist ein ZKB-ler von der Pike auf. Er trat 1977 als Lehrling in die Bank ein, machte Karriere im Firmenkundengeschäft, das die Bank in den Neunzigerjahren sanieren musste und das er bis 2005 führte. Danach übernahm er die Leitung der Geschäftseinheit Privatkunden.

Er ist in den Führungsgremien der Bankiervereinigung, des Kantonalbankenverbands und der Economiesuisse. Der bekennende Hockeyfan (ZSC) ist 54 Jahre alt.
Diese mache den Finanzplatz weniger sicher. Für die Kunden gibt es wegen des Minuszinses künftig vielleicht weniger Produkteauswahl: Die ZKB könnte zehnjährige Festhypotheken aus Risikogründen bald nicht mehr anbieten oder rationieren.

Herr Scholl, seit dem Frankenschock sind fünfzig Tage vergangen. Inwiefern profitiert die ZKB vom neuen Umfeld?
Wir verzeichnen eine verstärkte Nachfrage nach strukturierten Produkten mit tiefen Knock-in-Schwellen. Unsere Handelsabteilung hatte zwei gute Monate, sie profitierte von höheren Volumen und gestiegenen Volatilitäten.

Was rät die ZKB ihren Kunden im Private Banking?
Die Kundenreaktionen auf das Umfeld sind sehr unterschiedlich. Es gibt Kunden, die ihre Risiken erhöhen, um wenigstens eine minimale Rendite zu erzielen. Unter den ZielenWir raten jedem, zu seinem Risikoprofil zu stehen und nicht auf der Jagd nach Rendite unsinnige Risiken einzugehen.  Was auch vergessen wird: Null Prozent Zins zu erhalten ist im heutigen Umfeld ein subventionierter Ertrag.

Trotzdem werden viele Kunden sich mit dem Negativzins nicht anfreunden.
Bargeldbezüge in grösserem Stil stellen wir nur vereinzelt fest. Wir weisen in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass die Versicherung von Bargeld Sache des Kunden ist– selbst wenn das Geld in unserem Tresor liegt.

Wird die ZKB weitere Übernahmen tätigen?
Mit der Swisscanto haben wir einen der grössten Asset Manager der Schweiz übernommen. Das wird uns eine Weile beschäftigen und sich langfristig auszahlen. Swisscanto unterstreicht unsere Strategie, das Geschäftsmodell breiter abzustützen und den Kommissions- und Dienstleistungsertrag zu erhöhen.

Eine  Retailbank?
Die Übernahme eines Institutes, das schwergewichtig im Zinsdifferenzgeschäft tätig ist, macht für uns keinen Sinn. Auch weil Kapital ein Engpassfaktor geworden ist. Ebensowenig sind wir an internationalem Private Banking interessiert, solange die Steuerprobleme ungelöst sind.

Viele Beobachter glauben, dass die Konsolidierung noch viel grössere Ausmasse annehmen wird. Bereits heute befinden sich in gewissen Segmenten bis zu 80% des Marktes bei Banken die staatsgarantiert und/oder systemrelevant sind.
Der Trend läuft Richtung Monokultur. Das macht den Schweizer Finanzplatz nicht sicherer. Die Vielfalt in Bezug auf Eigentümerstruktur und Geschäftsmodelle sollte unbedingt erhalten werden. Eine zunehmende Konzentration im Bankgeschäft halte ich für gefährlich.

Das sagt die ZKB, eine der grössten Banken in der Schweiz?
Es ergibt keinen Sinn, dass die Regulierung die Existenz vieler Banken gefährdet. Man soll die kleinen und mittleren Banken leben lassen. Die ZKB stimmt mit den inlandorientierten Banken überein und fordert eine differenzierte Regulierung.

Die Grossbanken argumentieren, es sei nicht realistisch, gleichzeitig zwei Standards anzuwenden. Einen strengeren für die internationale Kundschaft, einen liberaleren für die Schweizer.
Das geht bestens nebeneinander. Wer etwas anderes behauptet, macht reine Interessenpolitik. Schon heute arbeitet die Filiale Hombrechtikon im Private Banking anders als das Private Banking International in Zürich.

Was bedeutet der Frankenschock für die Firmenkunden der ZKB?
Alle unsere Unternehmenskunden sind von den neuen Rahmenbedingungen betroffen, sowohl die Exportindustrie als auch die Binnenwirtschaft. Es wird sicher einen Wachstumsdämpfer geben, aber wir gehen nicht von einer Rezession aus.

Sie zeichnen ein positiveres Bild als die UBS (UBSG 17.55 0.98%), die die Wirtschaft «am Rand einer Rezession» sieht.
Die Unternehmen haben gute Jahre hinter sich, das stimmt uns zuversichtlich. Die Firmen sind stark und beweglich.

Die Firmen bewegen die Arbeitsplätze ins Ausland?
Weitere Auslagerungen von Arbeitsplätzen sind unausweichlich. Das geschieht nicht über Nacht, dieser Prozess ist schon lange im Gang.

Was heisst das für den Immobilienmarkt?
Der Markt ist dreigeteilt: Wer nicht weiss, ob er morgen noch einen Job hat, wird keine Wohnimmobilie kaufen. Wir erwarten deswegen in diesem ersten Segment eine Abschwächung der Nachfrage. Ob der Zins ein halbes Prozent höher oder tiefer ist, spielt für diese Käufer keine Rolle. Zweitens verstärkt sich der Run auf Renditeobjekte. Die Investoren suchen verzweifelt nach Rendite, was die Preisentwicklung nochmals anheizen wird. Sodann sehen wir, drittens, einen deutlichen Rückgang im Geschäftsflächenmarkt, wo das bestehende Überangebot sich konjunkturbedingt weiter ausprägen wird.

Was bedeutet dieses Szenario für die Kreditrückstellungen bei der ZKB?
Wir erwarten keine deutliche Verschlechterung der Risikosituation.

Vergibt die ZKB noch langfristige Hypotheken?
Im Moment vergeben wir noch zehnjährige Hypotheken, aber eine Prognose ist derzeit nicht möglich. Die Swapmärkte, die wir für die Risikoabsicherung benutzen, sind dünn. Vor dem Entscheid der SNB waren Kosten und Nutzen dieser Absicherungen ausgeglichen. Nun sind aber die Kosten wegen der negativen Zinsen deutlich gestiegen. Sollte unser Treasury feststellen, dass die Absicherung nicht mehr gewährleistet ist, würden wir langfristige Hypotheken rationieren oder nicht mehr anbieten.

Aber die Marge auf den Hypotheken ist ja gestiegen?
Das Problem liegt darin, dass die Kundeneinlagen noch kurzfristiger geworden sind und die Kreditnachfrage noch langfristiger geworden ist. Daraus ergibt sich ein höheres Risiko, das abgegolten werden muss.

Also wird das Ergebnis der ZKB steigen?
Nein, die Gewinne werden im Banking und auch bei der ZKB sinken und die Eigentümer werden sich mit weniger Dividenden zufrieden geben müssen. Auch die Zinsergebnisse werden generell sinken. Bei der ZKB wird das weniger gravierend sein als bei Instituten, die stärker vom Zinsdifferenzgeschäft leben als wir.

Was sind die Folgen der Frankenstärke für die ZKB?
Die ZKB ist von der Frankenaufwertung direkt wenig betroffen. Kosten und Erträge sind mehrheitlich im Franken. Stärker tangiert uns der tiefe bzw. negative Zins. Die Kundeneinlagen werfen keinen Ertrag mehr ab, weil die ZKB das Geld, das sie entgegennimmt, nicht profitabel anlegen und selber nur beschränkt Minuszinsen belasten kann. Wir liegen im Passivgeschäft 70% unter dem Höchst von 2008.

Wieso ist die ZKB so stark vom Negativzins betroffen, sie ist doch eine Universalbank?
Die ZKB hält infolge ihrer Systemrelevanz eine besonders hohe Liquidität bei der Nationalbank: Es sind gegenwärtig über 30 Mrd. Fr. Der Freibetrag wird von der SNB unabhängig von diesen besonderen Liquiditätserfordernissen festgelegt. Er liegt gegenwärtig beim Zwanzigfachen der Mindestreserven.

Die ZKB hat im Januar Gegensteuer gegeben und als eine der ersten Banken Negativzinsen von 0,75% «auf Guthaben bestimmter Grosskunden» angekündigt. Von welchen Summen sprechen wir?
Von unseren Einlagen bei der SNB werden gegenwärtig zwischen 10 bis 12 Mrd. Fr. mit dem Negativzins von 0,75% belastet.

Auf Jahresbasis wären das immerhin 75 Mio. Fr. höhere Kosten?
Ja, das ist grundsätzlich richtig. Die Negativzinsen geben wir  in dem Mass weiter, in dem wir davon betroffen sind.

Die Kundeneinlagen bei der ZKB betragen knapp 100 Mrd. Fr. Also erhebt sie auf gut 10% der Einlagen Negativzins?
Die Zürcher Kantonalbank gibt die Negativzinsen zuerst im Interbankenmarkt und dann differenziert auf Sichtgeldern von Grosskunden weiter. Kundengelder, die negativ verzinst werden, liegen deutlich unter 10 Mrd. Fr.

Weder der Kanton Zürich noch die Pensionskasse der Stadt Zürich müssen gemäss Recherchen der FuW Negativzinsen auf ihren zweifellos hohen Bargeldbeständen zahlen. Wer zahlt dann?
Zur Festsetzung eines Freibeitrags, der nicht belastet wird, steht die Bank im Dialog mit ihren Kunden. Über einzelne Kunden kann ich mich nicht äussern.

Inwiefern belastet die ZKB kleinere Unternehmen und den Privatkunden?
Wir belasten weder KMU noch Privatkunden mit dem Negativzins.

Unter den Zielen2014 erreichte die ZKB mit ihrem Gewinn von 647 Mio. Fr. eine Eigenkapitalrendite von 7,2%. Erstmals seit 2008 liegt der RoE unterhalb des Zielbandes von 9 bis 12%.

Bei Vergleichen ist allerdings sowohl die relative Kapitalstärke der ZKB zu berücksichtigen wie auch der Umstand, dass sie keine Gewinn- und Kapitalsteuern zahlt. Profitables Wachstum zu schaffen ist für grosse Banken schwierig, auch für die ZKB.

Sie versucht, zwischen Systemrelevanz und staatlicher Eigentümerschaft zu navigieren. Mit dem Kauf der Swisscanto forciert sie das Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft und wird zur Nummer 3 der Fondsgesellschaften in der Schweiz. Das Ende der Swisscanto als Gemeinschaftswerk der Kantonalbanken bringt einzelne KB dazu, eigene Fonds aufzulegen oder Drittanbieter zu erwägen. In einer ersten Phase bestimmen deshalb Kostensynergien den Erfolg der Übernahme.

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