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16:28 Uhr - 30.07.2014

«Die Mehrheit übertrifft den Index nicht»

Andreas Homberger, Leiter Research von Hinder Asset Management, erläutert im Interview mit der FuW, wieso er Exchange Traded Funds (ETF) für die ideale Anlageform hält.

Herr Homberger, mit Indexfonds, wie sie Hinder Asset Management einsetzt, kauft man automatisch auch die teuren Titel. Ist das sinnvoll, wenn die Börsen nahe oder auf Rekord notieren?
In Ihrer Frage steckt implizit die Annahme, dass sich sogenannt teure Aktien schlechter entwickeln als günstige. Wie das Beispiel Apple (AAPL 98.22 -0.16%) zeigt, bleiben jedoch teure Aktien häufig über Jahre teuer, während preiswerte günstig bleiben. Welche Aktien teuer und welche günstig waren, weiss man meist erst im Nachhinein. Andreas Homberger plädiert für Cash, Grossbritannien und Schwellenländer. Bild: ZVG Wie unzählige wissenschaftliche Studien zeigen, gelingt es der grossen Mehrheit der Investoren nicht, mit Stock Picking nach Kosten den Index zu übertreffen. Deshalb sind Exchange Traded Funds, also ETF,  mit ihren sehr niedrigen Verwaltungskosten für alle Anleger die ideale Anlageform. Viel wichtiger ist die Frage, ob heute generell ein günstiger Zeitpunkt ist, um Aktien zu kaufen.

Was ist Ihr Urteil?
Der US-Aktienmarkt ist sicher am oberen Rand einer angemessenen Bewertung angelangt: Der Börsenwert aller Unternehmen ist im Vergleich zum US-Bruttoinlandprodukt heute höher als 2007. Warren Buffett sagt immer: Price is what you pay, value is what you get. In anderen Märkten ist die Bewertung etwas angemessener. Nach unseren Analysen schneiden beispielsweise die Aktienmärkte der Schwellenländer moderat ab. Am Obligationenmarkt war die Kursentwicklung für hochverzinsliche Titel übertrieben und die aktuellen Risikoprämien sind zu tief. Da scheint sich bereits eine Korrektur abzuzeichnen.

Umso wichtiger ist zur Risikoabsicherung eine gute Diversifikation. Kann diese anstatt mit ETF nicht ebenso, wenn nicht sogar besser, mit Einzeltitel erreicht werden?
Für die meisten Investoren ist das in breiten Märkten und übers ganze Spektrum hinweg fast nicht machbar. Nehmen wir die USA oder den Bereich der Emerging Markets. Für eine breite Diversifikation braucht es dazu im Minimum 50 bis 80 Titel – Small und Mid Caps noch nicht mitgerechnet. Einzig der Schweizer Aktienmarkt ist mit zehn Einzeltiteln gut replizierbar. Ein Portfolio mit Einzeltiteln muss dann aber auch aktiv bewirtschaftet werden, was erhebliche Kosten verursacht. Die meisten institutionellen Anleger, zum Beispiel Pensionskassen, setzen deshalb auf indexierte Anlagelösungen.

Das Kursbild ist seit Monaten diffus, klare Sektor- und Markttrends fehlen. Spricht das fürs Stock Picking? Wie sonst kommt eine Mehrrendite zustande?
Einverstanden, was die Marktlage angeht. Diese ist zurzeit schwierig einzuschätzen. So sind die langfristigen Zinsen deutlich gesunken, währenddessen sich die Aktienhausse fortgesetzt hat und Wachstumserwartungen spiegelt. Obligationen- und Aktienanleger gehen von einem unterschiedlichen Wirtschaftsszenario aus. In diesem Umfeld ist es jedoch sehr anspruchsvoll, mit Stock Picking eine Mehrrendite erzielen zu wollen. Überhaupt ist im Moment Cash keine schlechte Anlage.

Bar oder kurzfristig angelegt?
Angesichts der Nullzinsen würden wir das Geld auf dem Konto parken und so ohne nennenswerte Opportunitätskosten maximale Flexibilität bewahren. Kurzfristige Anlagen, wie beispielsweise Festgelder, rentieren kaum.

Das Nullzinsniveau favorisiert gute Dividendentitel, womit wir wieder bei Aktien sind. Was halten Sie von dieser Idee, mit oder ohne ETF?
An der Schweizer Börse werden aktuell rund zwanzig ETF auf sogenannte Dividendenindizes gehandelt. Diese decken alle wichtigen Regionen und Länder ab. Die meisten eignen sich hervorragend als Portfoliobeimischung, um den laufenden Ertrag im Niedrigzinsumfeld zu steigern. In den letzten Jahren wurden immer ausgeklügeltere Indizes in diesem Bereich entwickelt. So setzen viele Indexanbieter auf Unternehmen, die über längere Zeit eine steigende oder zumindest beständige Dividende aufweisen.

Was, glauben Sie, wird in den nächsten Monaten die Märkte dominieren?
Geopolitische Probleme werden sicher eine grosse Rolle spielen. Ausserdem wird die Gewinnentwicklung der Unternehmen stärker in den Fokus rücken: Sowohl global als auch in den USA sind die Gewinne in den vergangenen zwei Jahren viel weniger gestiegen als die Kurse. Deshalb sind die Bewertungen heute teilweise recht sportlich. Die Diskussion um die Normalisierung der Geldpolitik wird uns noch längere Zeit beschäftigen.

Die US-Notenbank stellt ihre Anleihenkäufe im Herbst ein und signalisiert eine erste Zinserhöhung für nächstes Jahr. Wie gross ist bei dieser Ausgangslage das Überraschungspotenzial, welche Kursfolgen sind zu berücksichtigen?
Das Fed wird wie die anderen Notenbanken tendenziell lieber zu wenig als zu viel agieren und sehr vorsichtig kommunizieren. Wie sagte doch Alan Greenspan einst: «Ich weiss, dass Sie glauben, dass Sie verstehen, was Sie meinen, was ich gesagt habe. Ich bin mir aber nicht sicher, ob Sie realisieren, dass das, was Sie gehört haben, nicht das ist was ich meinte.» Weil die Finanzwelt bereits seit geraumer Zeit über den Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik diskutiert, wird der Effekt vermutlich limitiert sein. Bestimmt wird es zu einem moderaten und mehr als gerechtfertigten Zinsanstieg kommen. Früher oder später steht dann auch eine überfällige Korrektur am Aktienmarkt an.

Deshalb denken Sie an Cash.
Wie viele andere Investoren auch, warten wir seit geraumer Zeit auf eine Korrektur und einen Anstieg der Volatilität. Anleger sind gut beraten, rechtzeitig entsprechende Vorkehrungen zu treffen und das Aktienrisiko im Portfolio entsprechend zu reduzieren.

Gibt es keine Anlagen mehr, die das Risiko entschädigen? Muss der sicherheitsorientierte Investor auf Rendite verzichten?
Im Obligationensektor halten wir Anlagen mit variablem Coupon, beispielsweise versicherungsbasierte Anleihen oder Senior Loans, immer noch für sehr attraktiv. Auch Schwellenländerbonds sind fair bewertet. Aktienseitig werden die Emerging Markets wieder attraktiver, und unter den traditionellen Börsen gefällt die britische. Sie hat defensiven Charakter und weist eine Dividendenrendite von gut 4,5% auf. Immobilien in Europa besitzen ebenfalls Potenzial.

Was ist von Begriffen wie Smart Beta, alternatives Beta und Enhanced Return zu halten, die Mehrrendite versprechen? Traumschloss oder reelle Chance?
Eine Mischung aus beidem. Es gibt sinnvolle Smart-Beta-Ansätze, zum Beispiel im Obligationenmarkt, wo die Indizes nach Wirtschaftsleistung statt nach Marktkapitalisierung gewichtet werden und so nicht die grössten Schuldner «belohnt». Die meisten anderen Produkte bringen auch «enhanced», also erhöhte Risiken mit sich; diese sind nicht immer auf den ersten Blick erkennbar.

Eingeschlafen ist die Nachfrage nach ETF auf physisches Gold (Gold 1293.37 -0.45%). Bleibt’s dabei?
Temporäre Erholungen sind immer möglich, besonders bei einer grösseren Aktienkorrektur. Wir glauben jedoch nicht, dass die physische Goldnachfrage mittelfristig stark zunehmen wird. Auch längerfristig erwarten wir keine fundamentale Trendumkehr und einen neuen Boom bei den Gold-ETF. Das gelbe Metall ist langfristig unattraktiv, und steigende Zinsen würden den Goldpreis belasten.

Welche Strategie drängt sich für den wachstumsorientierten Anleger auf?
Auch wachstumsorientierte Investoren sollten im Moment genug Cash halten, um bei Korrekturen einsteigen zu können. Angesichts der tiefen Volatilität ist eine Absicherung von Aktienpositionen mit Put-Optionen eine interessante Möglichkeit. Allenfalls kann der Kauf von Put-Optionen mit einem Verkauf von Call-Optionen so kombiniert werden, dass die Strategie selbstfinanzierend ist.

Wie findet man dafür und generell für seine Anlageziele die besten Indexfonds?
Für ETF sind ausser den Kosten die Replikationsmethode, die Grösse des Fonds und die Liquidität – die Geld-Brief-Spanne – entscheidende Parameter. Vernachlässigt wird oft das Thema Steuern. Hat sich ein Anleger für einen Index entschieden, vergleicht er idealerweise die vergangene Performance der verschiedenen ETF. Für Cash und den Handel mit Put- und Call-Optionen braucht es keinen Indexfonds. Da setzt man am besten Indexoptionen ein.

Was fehlt am Markt der ETF noch, was sind Ihre Wünsche als Vermögensverwalter, Ihre Wünsche an Anbieter und Handel?
Es gibt nach wie vor kein umfassendes Angebot an währungsgesicherten ETF. Im Obligationensektor gibt es nur wenige ETF mit variabler Verzinsung, und bei den Immobilien-ETF ist das Angebot recht klein. Für den Handel wäre ein Wegfall der Stempelsteuer sehr hilfreich, weil der Stempel oft gleich hoch ist wie die jährliche Fondsgebühr. Ein Wunsch von uns ist, dass das überzeugende Konzept von ETF als preisgünstige Anlage in breit diversifizierte Indizes nicht durch die Entwicklung neuer Produkte, die andere Ansätze verfolgen, verwässert wird.

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