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07:59 Uhr - 10.08.2015

Der verhinderte Ritter

Wenn der Versicherungskonzern Zurich wirklich die britische RSA Insurance übernimmt, dann ist es auch das Verdienst von Stephen Hester.

Stephen Hester ist es, der die Braut hübsch gemacht hat. Denn bevor er seinen Job als CEO im Februar 2014 annahm, stand es schlecht um den Versicherer. Eine Serie von Gewinnwarnungen nach einem Bilanzskandal in Irland führten zu riesigen Verlusten und einem zu knappen Eigenkapital. Das kostete RSA (RSA 7.32 0.37%) Vertrauen, und den damaligen CEO den Job.

Hester kam und fackelte nicht lange. Innerhalb von zwei Monaten lancierte er eine Notfall-Kapitalerhöhung im Umfang von umgerechnet 1,2 Mrd. Fr. Zur ambitionierten Restrukturierung des angeschlagenen Versicherungskonzerns kamen später Teilverkäufe sowie ein Kostensparprogramm hinzu.

Für die «Financial Times» ist Hester, der 19 Jahre lang als Investmentbanker bei Credit Suisse (CSGN 28.29 -0.6%), zuletzt in höchsten Chargen, gearbeitet hatte, «Mr. Fixit». Zur RSA kam er nach dem Turnaround der zu gut 80% verstaatlichten Royal Bank of Scotland (RBS). Zuvor hatte er sich bei dem Immobilienverwalter British Land und der Bank Abbey National (NATN 87.8 0.92%) den Ruf des Sanierers erarbeitet.

Der pausbackige 54-jährige Hester liebt Herausforderungen. «Ich will gewinnen», sagte er einst im Interview mit dem «Guardian». Diese Qualität hat ihn weit gebracht. Und weil er so ehrgeizig ist, kann er schlecht mit Kritik umgehen. Er soll es abscheulich finden, wenn die englische Presse ihn in voller Fuchsjagd-Montur zu Pferd ablichtet. Weil Hester wegen seiner Bonuszahlungen an der Spitze der «Staatsbank» RBS für Aufregung sorgte, kam dies den Medien aber gerade recht. Hester gehört längst zum City-Geldadel mit einem Ferienhaus in Verbier und einem riesigen Landsitz in der Grafschaft Oxford. In Oxford hat er auch studiert, ursprünglich stammt er aus Yorkshire im Norden Englands und ging dort an eine staatliche Schule. Und obwohl er bei British Land und bei RBS auf geadelte «Sirs» folgte, ihm selbst blieb die Ehre bisher verwehrt. Denn die Queen schlägt Banker aus der City nicht mehr so leichtfertig zum Ritter. Hesters Vorgänger bei RBS, Fred Goodwin, wurde der Titel «Sir» gar entzogen.

Die Mammutaufgabe RBS hätte früher wohl für die Knighthood gereicht. Fünf Jahre wirkte Hester in der Bank und hat es dank 45 Mrd. £ Kapital des Staates geschafft, sie zu stabilisieren. Er musste eine Bilanz sanieren, die so wenig Eigenkapital enthielt und doch so riesig war wie weltweit keine andere Bankbilanz. Er selbst verglich seine Arbeit mit der des Experten, der Bomben entschärft. Doch dann wurde der Hauptaktionär ungeduldig und verlangte eine Strategieänderung – ohne Hester. Die neue RBS betreut nun vor allem Kunden aus Grossbritannien.

In seinem jetzigen Job macht nicht die Regierung dem geschiedenen, zweifachen Vater das Leben schwer, sondern der Grossaktionär Cevian, ein aktivistischer Aktionär, der vor kurzem auch beim Industriekonzern ABB (ABBN 20.2 0.8%) eingestiegen ist. Cevian hält fast 10% an RSA und macht Druck auf eine rasche Restrukturierung oder eine Aufspaltung. Hester wird RSA nur zum bestmöglichen Preis verkaufen und so seine bisher letzte Restrukturierung abschliessen wollen. Geht RSA an Zurich Insurance (ZURN 288.2 1.37%), ist die einzige Frage, wo «Fixit»-Hester als Nächstes auftaucht.

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