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11:46 Uhr - 25.11.2016

Schwellenländer fallen aus der Gunst

Anleihen aus Emerging Markets waren bis vor Kurzem die Lieblingsposition vieler Investoren. Doch die Anlageklasse leidet seit der Wahl von Donald Trump unter steigenden US-Renditen.

Wer kann da widerstehen? Eine laufende Rendite von 5,6% – das wirft ein Indexfonds auf Dollaranleihen aus Schwellenländern derzeit ab. Solche Bonds schenkten Anlegern dieses Jahr lange viel Freude. Von ­Januar bis September brachten Kurs­gewinn und Coupon rund 15% Rendite. Dann kam der Absturz. Seit Anfang ­November verloren die Bonds über 5%.

Der Grund für den Verlust ist leicht zu erraten. Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten hat für weltweit ­höhere Zinsen und damit für sinkende Anleihenkurse gesorgt. Besonders Bonds in Hartwährungen – meist in Dollar – hängen eng an den Zinsen in entwickelten Märkten. Anleihen in lokaler Währung werden dagegen eher von lokalen Bedingungen beeinflusst (vgl. Text unten).

Paul McNamara, Investment Director für Schwellenländer bei GAM (GAM 10.05 -0.49%), beobachtet: «Hartwährungsanleihen sind gegenüber den Bewegungen von US-Staats­anleihen empfindlich geworden.» Denn lang laufende Schwellenländerbonds performten bis vor der US-Wahl dank immer weiter sinkender Renditen besonders stark. Dreht sich dieser Trend nun, haben sie am meisten zu verlieren.

Das weckt Erinnerungen an 2013. ­Damals sorgte das Taper Tantrum – die Angst vor dem Ende der lockeren US-Geldpolitik – für rasant steigende Renditen. Doch die Schwellenländeranleihen kamen nicht nur durch die höheren Zinsen unter Druck. Der zweite Verlustbringer entstand dadurch, dass Kapital zurück in die USA floss. Das liess den Risikoaufschlag, Spread, für Schwellenländer zusammen mit den amerikanischen Renditen steigen. Das ist diesmal nicht der Fall, beobachtet Romain Bordenave, Fondsmanager bei Edmond de Rothschild Asset Management. «Im Gegensatz zu 2013 hat sich der Risikoaufschlag für Schwellenländerbonds nur minimal bewegt», sagt Bordenave.

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Bordenave zeigt sich aber besorgt, wie schnell Anleger bis in den Sommer in Schwellenländerbonds umgeschichtet hatten: «Jetzt könnten sich die Geldflüsse kehren – und zu grossen Abflüssen führen.» Selbst Privatanleger waren dem Lockruf hoher Renditen gefolgt. Steigende Rohstoffpreise und die Stabilisierung in China liessen Sorgen um die Schwellenländer abklingen.

Vielen war die Euphorie nicht geheuer. Im September schrieben Analysten von Citi über die gute Stimmung: «Noch im ersten Quartal sorgte man sich um die Refinanzierung der Schwellenländerschuldner zwischen 2018 und 2020, wenn die meisten Bonds auslaufen. Wie schnell sich die Zeiten ändern.» Die gute Stimmung ist selbst verstärkend: Sind Anleger den Anleihen wohlgesinnt, ist für Schuldner die Refinanzierung kein Problem. Andersherum kann schlechte Stimmung zu Problemen bei der Refinanzierung führen – und so die Stimmung weiter verdüstern.

zoomKönnen sich nun abzeichnende Abflüsse aus Schwellenländeranleihen zum Problem werden? Paul McNamara relativiert die Sorgen: «Wir glauben nicht, dass Geldflüsse die künftige Performance vorhersagen können.» So habe das Jahr 2009 mit grossen Ab­flüssen begonnen, dann aber eine starke Performance für die Bonds geliefert.

McNamara schaut nun auf «Signale aus der US-Politik» und die weitere Zinsentwicklung in den USA: «Die Renditen dort hängen davon ab, wie sich die US-Fiskalpolitik entwickelt.» Der Markt erwarte unter Trump steigende Ausgaben und höhere Staatsschulden. Über den grossen Angstfaktor der vergangenen Jahre – tiefe Rohstoffpreise – macht er sich weniger Gedanken. «Wir fokussieren uns darauf, wie robust Länder gegenüber niedrigeren Rohstoffpreisen aufgestellt sind.» Die Fundamentaldaten seien nun besser als noch im Taper-Jahr 2013.

Auch Bordenave konzentriert sich stärker auf die Zinsentwicklung als auf die Rohstoffpreise. «Wir haben uns schon vor der US-Wahl gegen höhere Renditen abgesichert», sagt er. «Das half uns, die Performance des Benchmark-Index zu schlagen.» Sein zweites Rezept für Outperformance sind riskante Anleihen – etwa aus Venezuela und der Ukraine. «Es geht darum, für das eingegangene Risiko entschädigt zu werden. Diese Entschädigung ist bei Bonds mit Investment-Grade-Rating etwa von osteuropäischen Ländern, Peru, Chile und Thailand nicht der Fall.» Anleihen mit Anlagequalität seien zu teuer und hätten durch den Renditeanstieg nun am meisten verloren.

Eine Krise der Schwellenländer hat Trump nicht ausgelöst. Aber Anleger sollten sich der Risiken bewusst sein: Die Bonds reagieren auf die US-Renditen und die stark schwankenden Kapitalflüsse. Die gute Verzinsung kommt nicht umsonst.

 

Dollaranleihen

zoomSchwellenländeranleihen in harter Währung zeigen mehr Stabilität. Sie sind meist in Dollar, manche in Euro denominiert. Anleger haben im Gegensatz zu Anleihen in Lokalwährungen keine grossen Wechselkursbewegungen zu verkraften. Schwellenländerspezialist Paul McNamara von GAM erklärt: «Ausser in Krisen verhalten sich Schwellenländeranleihen in harter und lokaler Währung verschieden.» Das bedeutet: Wird nicht bezweifelt, dass ein Dollarschuldner aus einem Schwellenland die Anleihe zurückzahlen kann, spielt die heimische Wirtschaft eines Landes nur eine kleine Rolle.

zoomDie meisten Schwellenländer, die Hartwährungsanleihen ausgeben, haben Rohstoffeinnahmen – können also ihre Schulden mit den eingenommenen Devisen bedienen. So finden sich Ölländer wie Mexiko, Russland, die Philippinen und Brasilien unter den grössten Positionen eines börsengehandelten Indexfonds (ETF) auf Hartwährungsanleihen. Diese können sich in Fremdwährungen günstiger finanzieren als in heimischer Währung.

Doch das wird zum Nachteil, wenn trotz Rohstoffreichtum die Deviseneinnahmen nicht mehr ausreichen. Der Risikoaufschlag für Venezuela, im ETF mit einem Anteil von 2,4% vertreten, ist nun so hoch, dass die laufende Rendite bei über 20% liegt.

 

Lokalwährung bedeutet mehr Risiko

Anleihen der Schwellenländer in lokaler Währung haben die vergangenen Jahre gegenüber Hartwährungsanleihen enttäuscht. Grund sind die Wechselkursverluste dieser Märkte. Gemäss einem Index von J. P. Morgan haben sie gegenüber dem US-Dollar seit Anfang 2013 fast ein Drittel abgewertet. Dabei wurden von vielen Strategen die Bonds in lokaler Währung gerade deswegen lange Zeit empfohlen, weil sie den Devisen der Schwellenländer Aufwärtspotenzial eingeräumt haben.

zoomDie Anleihen in Lokalwährungen bieten zumindest in einem Aspekt mehr Sicherheit: Es besteht wenig Gefahr, dass die Länder ihre Schulden nicht zurückzahlen. Da sie im Notfall einfach mehr ihrer eigenen Währung drucken können, muss man sich über einen Mangel an Devisen als Gläubiger keine Sorgen machen.

Doch das ist nur ein schwacher Trost. Zwar musste man sich nicht um einen Zahlungsausfall sorgen. Doch die Angst über die vergangenen Jahre, dass die niedrigen Rohstoffpreise und der schwache Welthandel das Wachstumsmodell der Schwellenländer unter Druck setzt, drückte sich in schwächeren Währungen aus.

Auch der oft genannte Vorteil, dass man mit Lokalwährungsanleihen nicht so eng an den US-Renditen hängt, schützte nicht vor dem Zinsschock nach der Wahl von Donald Trump. Denn die höheren US-Renditen liessen den Dollar erstarken – und führten so zu Verlusten für ausländische Anleger in den Lokalwährungsbonds.

zoomPaul McNamara von GAM betont: «Anleihen in Lokalwährungen hängen eher am Dollar und sind empfindlich gegenüber den tatsächlichen Wirtschaftsbedingungen in den Schwellenländern.» Die Wirtschaftsaussichten mancher Länder haben sich nun durch die Wahl von Trump verdüstert: «Am meisten litten die Währungen von Mexiko und anderen handelsorientierten Schwellenländern», sagt McNamara. «Die Rhetorik von Donald Trump ist feindlich gegen Handel und Globalisierung. Und in diesen Gebieten hat der Präsident am meisten Einfluss.» In einem typischen ETF auf Bonds in lokaler Währung gehören die eng mit den USA verzahnten Nationen Südkorea und Mexiko zu den grössten Emittenten.

Zwar haben sich durch die stetig abwertenden Devisen der Schwellenländer die Lokalwährungsanleihen über die letzten Jahre als riskante Verlustbringer erwiesen. Aber es könnte auch in die andere Richtung gehen. Höhere Rohstoffpreise, ein stärkerer Welthandel und ein Präsident Trump, der sanfter agiert als gedacht, könnten den Währungen neue Impulse geben. In solch einem Szenario wären die Lokalwährungsanleihen eine lohnende Wette.

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