Die Genfer Privatbank Mirabaud stuft die Inflations- und Zinsgefahr in den USA höher ein als die meisten anderen Institute. «Hände weg von Staatsanleihen», warnt Chefökonom Gero Jung.
Zuhauf präsentieren Banken und Vermögensverwalter in diesen Wochen ihren Marktausblick fürs neue Jahr. Das Szenario des Genfer Finanzhauses Mirabaud Asset Management weicht dabei in einem wesentlichen Punkt von den Perspektiven der meisten anderen Auguren ab. Diese rechnen mit kaum veränderten Zinsen im neuen Jahr. Nicht so Mirabaud-Chefökonom Gero Jung. «Die Zinsen sind allgemein zu tief», hält er an der Jahrespräsentation in Zürich fest. Für die USA sagt er eine deutlich über der Markterwartung liegende Zinsverteuerung voraus.
Eine Zinserhöhung der US-Notenbank Fed in der kommenden Woche steht ausser Zweifel und ist am Markt eingepreist. Doch für 2018 gehen die Meinungen auseinander. Die Zinskurve in den USA ist wie in anderen Ländern flach. Weder machen sich Anleger Sorgen über die Inflation, noch erwarten sie einen merklichen Anstieg der Zinsen über das aktuell historisch niedrige Niveau hinaus. Für die Schweiz teilt Gero Jung diese Ansicht: «Der Franken bleibt stark, und für die Schweizerische Nationalbank besteht bis auf weiteres kein Anlass, von den Negativzinsen abzurücken.»
Die Ausnahme Schweiz
Auch in Europa drohe unmittelbar keine Zinsgefahr. Euroland liege wie Japan im Konjunkturzyklus hinter den USA zurück, obwohl auch in Euroland die Kreditsätze im Verhältnis zum Wirtschaftswachstum zu billig seien. Weil der Alte Kontinent aber unter Potenzial wachse, sei der Inflationsdruck gering, sodass für die Europäische Zentralbank (EZB) unmittelbar keine Veranlassung bestehe, vom Gas zu gehen.
Anders stuft der Mirabaud-Chefökonom die Situation in den USA ein. Dort habe die Wirtschaft ihr Wachstumspotenzial – für 2015 bis 2020 auf 1,7% p.a. veranschlagt – erreicht bzw. überschritten. Überkapazitäten sind verschwunden, und der Arbeitsmarkt ist ausgelastet. Lohnsteigerungen sind die Folge, beispielsweise in der Bauwirtschaft. Inflationär wirkten ausserdem der dieses Jahr erheblich schwächere Dollar und höhere Produzentenpreise in China. Diese schlagen zusätzlich auf die (importierte) Inflation durch.
Vier US-Zinsschritte 2018
Mirabaud geht deshalb für 2018 von vier Zinsschritten der US-Notenbank um jeweils 25 Basispunkte aus, denn der Druck, der von der Kerninflation ausgehe (ohne Energie und Nahrungsmittel), sei offensichtlich und werde das Fed nicht untätig bleiben lassen. Die Mitglieder im Offenmarktausschuss der Notenbank stellen aktuell drei Zinsschritte 2018 in Aussicht, der Markt rechne sogar mit nur einer oder maximal zwei Zinserhöhungen, erläutert Jung. Damit weicht die Genfer Privatbank klar vom Konsens ab. So sagt die Bank Julius Bär (BAER 57.1 0.79%) zum Beispiel nur zwei Leitzinssteigerungen in den USA im neuen Jahr voraus.
Dass Mirabaud bei diesem Ausblick dezidiert vom Kauf amerikanischer Staatsanleihen abrät und das Portfolio um inflationsgeschützte Papiere erweitert hat, ist naheliegend. Auch geht sie nicht mit anderen Auguren einig, die eine weitere Erstarkung des Euros voraussagen. Das Pendel werde zugunsten einer zum Euro stabilen oder leicht festeren US-Währung ausschlagen. Den Euro-Dollar-Kurs veranschlagt die Genfer Bank für 2018 auf 1.15 € (aktuell 1.18 €), und die Rendite der zehnjährigen US-Treasuries sieht sie in einem Jahr von zurzeit 2,34 auf 3,5% steigen.
Falls die Prognose eintritt und sich die US-Zinsen nicht absolut, aber doch relativ erheblich verteuern, kommt es dann zu einem Bondcrash und im Sog davon zu einer Börsenkrise? «Nein, ein Zinsanstieg auch in diesem Ausmass ist verkraftbar», meint Jung. US-Wirtschaft und Unternehmensgewinne würden weiter wachsen.
Amerika braucht kein Impulsprogramm
Das sei das Hauptszenario. Ein Nebenszenario dürfe man gleichwohl nicht aus den Augen lassen. Kritisch könne es dann werden, wenn die US-Regierung von Donald Trump zusätzlich zu den beschlossenen Steuersenkungen noch ein Wachstumspaket schnüre, wie es der US-Präsident im Wahlkampf vorgesehen habe. Das brauche die amerikanische Wirtschaft nun wirklich nicht. Sie sei auch so – ohne Steuersenkungen – stark genug.
Bei einem Impulsprogramm in Milliardenhöhe würde die Konjunktur überhitzen, und das Fed würde zu einer scharfen Gangart veranlasst. Das könnte eine Rezession hervorrufen und in diesem Fall tatsächlich die Börse in die Knie zwingen. Das sei jedoch, wie erwähnt, ein Nebenszenario. Ein wahrscheinlicheres Risiko seien die hohe Privatverschuldung in China und, sollte der Dollar stärker als erwartet steigen, ein Kapitalabfluss aus den Schwellenländern.
Für Aktien ist Mirabaud insgesamt weiter positiv gestimmt. Taktisch bevorzugt sie europäische Titel und unter den Sektoren zyklische Papiere. Stark untergewichtet ist das Genfer Institut demgegenüber nicht nur in amerikanischen, sondern auch in europäischen Staatsanleihen.
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