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18:59 Uhr - 15.07.2016

Gemischte Gefühle zum Halbjahr

Die Berichtssaison zur ersten Jahreshälfte ist angelaufen. Erste Resultate deuten auf gegenläufige Entwicklungen hin.

Die ersten Schweizer Unternehmen haben die Zwischenberichte über das erste Semester respektive das zweite Quartal 2016 bereits vorgelegt. Der erste Eindruck ist zwiespältig: Ems-Chemie hat positiv überrascht, während der Dienstleister DKSH die Analystenschätzungen zum Umsatzwachstum übertroffen, die zum Gewinn aber nicht erfüllt hat. Bossard schrammte mit den Umsatzzahlen knapp an den Erwartungen vorbei. Der Uhrenhersteller Swatch Group warnte am Freitag vor einem Gewinneinbruch.

Mehr zum ThemaBei Bankaktien ist Vorsicht geboten. Lesen Sie hier, warum bei Versicherern die Zinsbaisse im Kurs eingepreist ist. In der Finanzbranche hat der Vermögensverwalter Partners Group seine Ausnahmestellung bestätigt und mehr Neugeldzusagen erhalten als von den Analysten vorausgesehen. Solide gewirtschaftet hat die Zuger Kantonalbank.

Vorsichtig positiv

Die Frage bleibt offen, welcher Trend sich in der angelaufenen Berichtssaison durchsetzen wird. Zuversichtlich gestimmt ist Remo Rosenau, Chefanalyst der Neuen Helvetischen Bank. Er erwartet, dass die Industrieunternehmen «grundsätzlich gute Zahlen bringen und eher positiv überraschen werden». Er lenkt die Aufmerksamkeit dabei auch auf einen versteckten Faktor, der dem Geschäft im zweiten Quartal etwas zusätzlichen Support gegeben habe. Dieses Jahr umfasst die Dreimonatsperiode von April bis Juni nämlich 63 Arbeitstage, zwei oder gut 3% mehr als 2015. Dazu komme diesmal auch von der Währungsseite etwas Hilfe, wenigstens für die auf Europa ausgerichteten Unternehmen, meint Rosenau. Gestützt wird er dabei durch die Umsatzzahlen von Bossard. Das Zuger Unternehmen, das als Logistiker einen guten Industrieindikator abgibt, profitierte im ersten Halbjahr von einem positiven Währungseffekt, der in Europa 2,1 und insgesamt 1,7 Prozentpunkte zum Umsatzwachstum beitrug.

Patrik Schwendimann von der Zürcher Kantonalbank bestätigt, dass Unternehmen in den europäischen Märkten Rückenwind von der Währungsseite erhalten werden. Er warnt jedoch, dass dort, wo die Schwellenländer ein wichtiges Absatzgebiet darstellen, der Wechselkurseffekt negativ sein dürfte. Denn viele der Schwellenländerwährungen notieren niedriger als vor Jahresfrist. Schwendimann rechnet deshalb damit, dass der Nahrungsmittelhersteller Nestlé – bedingt durch das stetig steigende Gewicht der Schwellenländer in seinem Umsatz – im Halbjahresbericht per saldo einen negativen Währungseffekt ausweisen wird.

Grundsätzlich bleibt der Analyst der Zürcher KB eher vorsichtig. «Die Halbjahresresultate könnten aufzeigen, dass es in der realen Wirtschaftswelt schlechter läuft, als die Wirtschaftsstatistiken signalisieren.» In den USA etwa wiesen die Wachstumszahlen und die Arbeitslosigkeit auf eine solide Konjunktur hin, doch komme der private Konsum trotzdem seit längerem nicht vom Fleck. Diese Diskrepanz gelte auch für China, wo sich die Statistikzahlen oft nicht mit den Einschätzungen vonseiten der Firmen deckten.

«Unternehmen aus zyklischen Branchen könnten schwache Zahlen vorlegen», warnt Schwendimann. «Defensive Gesellschaften dürften aber eine bessere Figur machen.»

Ein Fokus auf den Ausblick

zoomWas bringt das zweite Halbjahr? «Die Unternehmen werden wohl teilweise eine Verbesserung im zweiten Halbjahr in Aussicht stellen, wie sie das oft machen», sagt Schwendimann. «Doch gibt es handfeste Gründe für eine solche Verbesserung? Ich glaube, eher nein.» Der Brexit, die weiter schwächelnden Schwellenländer, die Fragezeichen um China und die politische Stagnation in der EU würden kaum stärkere Auftriebkräfte aufkommen lassen, vermutet der Spezialist.

Ems-Chemie hat den Ausblick für 2016 zwar nun angehoben. Broker Chris Lukaszek von Kepler Cheuvreux ist dennoch vorsichtig. Er weist darauf hin, dass die Investoren momentan davon ausgingen, der globale Autozyklus neige sich dem Ende zu. «Im wichtigen US-Markt wird nach dem starken Boom die Nachfrage nach neuen Autos bald einmal sinken», so Lukaszek. Die ersten Auswirkungen davon könnte die Branche bereits im zweiten Halbjahr spüren. Die Ängste vor einem zyklischen Abschwung würden das Handeln von Investoren mit Bezug auf den Autosektor beherrschen, stellt Lukaszek fest.

Qualität zieht bei Anlegern

zoom Welche Implikationen hat das schwierige Börsenumfeld für die Anlageentscheide? Die Investoren seien skeptisch gegenüber den Zyklikern, von denen sie sich in der zweiten Jahreshälfte wenig erhofften, notiert Lukaszek von Kepler Cheuvreux. «Wir sehen, dass unsere Kunden zyklische Aktien zurzeit meiden.»

zoom Gemäss Schwendimann von der ZKB werden auch defensive Titel wie Nestlé weiter besonders in der Gunst der Anleger stehen: «Bei solchen Aktien wird deshalb die Schere zwischen Gewinnentwicklung und Bewertung weiter auseinandergehen.»  Das heisst, die Aktienkurse könnten stärker steigen, als es die Gewinnentwicklung rechtfertigen würde. «Denn in einem Umfeld negativer Renditen an den Bondmärkten steigt nach wie vor der Druck, Kapital in den Aktienmarkt umzulenken», erklärt Schwendimann.

zoom Ähnlich argumentiert Rosenau von der Neuen Helvetischen Bank.  «Qualitativ hochwertige Aktien von Unternehmen, die Vertrauen geniessen, werden weiterhin Support erhalten.» Qualität spiegle sich besonders in einer hohen Rendite auf dem investierten Kapital. Zunehmend wichtig werde im Ultratiefzinsumfeld auch eine gewisse Dividendenrendite.

Zu den von Anlegern präferierten Gesellschaften, die topsolide arbeiten und eine hohe Berechenbarkeit in ihrer Ergebnisentwicklung aufweisen, zählen Namen wie die erwähnte Nestlé, ferner der Aromen- und Riechstoffhersteller Givaudan, der Sanitärtechniker Geberit, der Schokoladenhersteller Lindt & Sprüngli, der Aufzugshersteller Schindler oder Swisscom. Unter den kleineren Gesellschaften entsprechen etwa der Aussenwerber APG, die beiden Nahrungsmittelhersteller Bell und Emmi sowie die Industriegruppe Belimo den hohen Qualitätskriterien.

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