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10:28 Uhr - 03.11.2015

Antworten zur Vollgeldinitiative

Die Initianten haben 100'000 Unterschriften für das Volksbegehren gesammelt. Was Vollgeld ist und wie die Initiative beurteilt wird.

Am Samstag hat der Verein Monetäre Modernisierung (MoMo) bekannt gegeben, er habe für die eidgenössische Volksinitiative «Für krisensicheres Geld: Geldschöpfung allein durch die Nationalbank» 100’000 beglaubigte Unterschriften gesammelt. Sie sollen am 1. Dezember in Bern eingereicht werden, um einen Volksentscheid zu bewirken. Hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten zur Vollgeldinitiative.

Was will die Initiative erreichen?
Kernpunkt der Vollgeldreform ist, dass der Franken nur noch vom Staat geschaffen wird. Bisher wird elektronisches Geld auf Bankkonten faktisch durch die Geschäftsbanken geschaffen, indem sie Kredite ausgeben. Das soll sich durch Vollgeld ändern.

Was würde mit unserem Geld geschehen?
Gemäss Initiative soll es neben dem Papiergeld auch elektronisches Geld für die Privatkunden geben, das von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) herausgegeben wird. Der Initiativtext sieht dafür eine Änderung des Artikels 99 der Bundesverfassung und einen neuen Artikel 99a vor.

Wieso dürfen private Banken bislang selbst Franken herstellen?
Der Franken ist gesetzliches Zahlungsmittel. Nur Banknoten werden aber direkt durch die Nationalbank herausgegeben. Der Betrag auf einem Bankkonto ist dagegen eine Verbindlichkeit gegenüber der Bank.

Wie schaffen die Banken neues Geld?
Vergibt die Bank einen Kredit, verlängert sie normalerweise ihre Bilanz: Sie schreibt den Kreditbetrag dem Kundenkonto gut (Aktivseite) und nimmt gleichzeitig den Kredit als Forderung in die Bilanz (Passivseite). Damit werden Bankkredite «aus dem Nichts» geschaffen. Näheres zur Geldschöpfung aus der Kreditvergabe finden Sie hier und hier.

Können die Banken unendlich viele Kredite schaffen?
Die Kreditvergabe der Banken ist faktisch durch die Eigenkapitalanforderungen begrenzt. Dagegen spielt die Mindestreserve – der Anteil der Kreditsumme, der bei der Nationalbank hinterlegt werden muss – in der Praxis kaum eine Rolle.

Wie würde verhindert, dass die Banken neue Kredite schaffen und damit Geld schöpfen?
Es wäre ihnen mit der Verfassungsänderung verboten. Das bedeutet, dass eine Bank zuerst Geld von Kunden oder Investoren einsammeln muss, bevor sie Kredite vergeben kann. Die Bankkonten sollen dagegen von der Bilanz der Banken getrennt werden.

Was geschieht dann mit meinem Bankkonto?
Die Konten wären als Einlagen direkt von der Nationalbank garantiert. Damit wäre ein Bankkonto vor einer Bankinsolvenz sicher – denn die Nationalbank kann nicht pleitegehen, da sie selbst Franken herausgibt. Heute gibt es zwar auf Bankkonten eine Einlagensicherung von 100’000 Fr. Über diesem Betrag ist der Kunde aber im Insolvenzfall Gläubiger der Bank.

Ein Schema bringt die Unterschiede zwischen dem bisherigen und dem neuen Geldsystem auf den Punkt:

VollgeldsystemzoomQuelle: FuW

Was für weitere Vorteile verspricht die Vollgeldinitiative?

  • Wenn Banken in Schieflage geraten, wäre der Druck auf den Staat geringer, sie zu retten. Faktisch haben Banken eine Art Versicherung, vom Staat im Notfall gerettet zu werden (implizite Staatsgarantie). Rettungen (Bailouts) könnten viel seltener werden, wenn die Bankkonten von einer Insolvenz nicht betroffen wären. Wer trotzdem einer Bank Geld ausleiht, als Kunde oder als Investor, müsste sich bewusst sein, ein Ausfallrisiko in Kauf zu nehmen.
  • Bisher hängt die Geldversorgung der Volkswirtschaft an der Kreditvergabe der Banken. Sie handeln dabei prozyklisch: In schlechten Zeiten fürchten sie mehr Kreditrisiko und geben weniger neues Geld aus. Das kann Wirtschaftskrisen verschlimmern. Andersherum werden in guten Zeiten mehr Kredite vergeben, und zu viel Sorglosigkeit bei den Banken kann zu Finanzblasen führen.
  • Wenn die SNB direkt Buchgeld schafft, wird sie auch mehr Gewinn einstreichen. Der mögliche zusätzliche Geldschöpfungsgewinn wird von der Vollgeldinitiative auf 5 bis 10 Mrd. Fr. jährlich taxiert. Dieses Geld soll an den Bund und die Kantone fliessen.

Gibt es Studien zur Auswirkung von Vollgeld auf das Wirtschaftssystem? 
Ein Arbeitspapier von Ökonomen des Internationalen Währungsfonds (IWF) kommt zum Schluss, dass der sogenannte Chicago-Plan positive Effekte hätte. Dieser Plan sieht allerdings nicht Vollgeld vor (also kein staatlich garantiertes elektronisches Geld), sondern die Pflicht der Banken, das Geld auf Konten zu 100% bei der Zentralbank zu hinterlegen. Der Effekt sollte aber ähnlich sein: Die Stabilität des Wirtschaftssystems wird gemäss dem Arbeitspapier verbessert, Rezessionen wären weniger schlimm.

Das klingt alles toll. Warum gibt es das Vollgeld nicht schon längst?

  • Es gibt Zweifel an den versprochenen positiven Effekten von Vollgeld. So verweist der wirtschaftsnahe Think Tank Avenir Suisse auf den Aufwand und die Risiken der Umstellung des Finanzsystems. Die Umstellung auf das neue System sei komplex und würde viel Zeit und Aufwand brauchen. Dem könnte das Finanzsystem nervös entgegenblicken: «Der Übergangsprozess könnte Erschütterungen auslösen, die das ganze Projekt in Frage stellen.» Wenn den Banken tatsächlich die Schöpfung von neuen Kontenguthaben verboten wird, wäre ihre Kreditvergabe auf einen kleinen Rest minimiert, «mit erheblichen Unannehmlichkeiten für Anleger und Kreditnachfrager».
  • Ausserdem zweifelt Avenir Suisse, ob die Geldmenge vom Staat tatsächlich besser gesteuert werden kann. Denn die Zentralbank müsste darüber bestimmen, wie viel sie dem Staat gutschreiben will. «Zentralbanken waren noch nie vollkommen unabhängig, und alle Hyperinflationen der Weltgeschichte waren staatlich angeordnete Aktionen zur direkten und indirekten Staatsfinanzierung», rufen die Ökonomen ins Gedächtnis. Sie mahnen, bescheidenere Massnahmen umzusetzen, «ohne die Risiken eines irreversiblen Schadens einzugehen». Auch verfüge die SNB schon jetzt über Instrumente, um die Geldschöpfung der Geschäftsbanken zu begrenzen – «sofern sie dies will».
  • Einleuchtend ist auch das Gegenargument, dass die Banken weiterhin Geld schöpfen könnten, auch wenn ihnen das für Bankkonten verboten würde. So gibt es kurzfristige Bankverbindlichkeiten (z.B. Tagesgeld oder Schuldverschreibungen), die als Near Monies (Fast-Gelder) bezeichnet werden. Wird dies den Finanzinstituten nicht verboten, könnte die Kreditvergabe über die Ausgabe solcher Instrumente weiterlaufen. Wird es ihnen dagegen verboten, müsste das Kreditportfolio radikal schrumpfen und die Kreditvergabe auf weniger effiziente Institutionen ausweichen, erklärt Avenir Suisse.

Steht die Schweiz allein da, oder gibt es ähnliche Pläne in anderen Ländern?
Die Schweiz ist mit ihrer direkten Demokratie sicherlich so nahe an einer Umsetzung wie kein anderes Land. Im März wurde bekannt, dass der isländische Premier eine Studie zu einer Reform des Geldsystems in Auftrag gegeben hat. Von einem Parlamentsabgeordneten verfasst, sieht der Reformvorschlag ein Ende der Geldschöpfung durch Banken vor. Das Hauptargument ist das Ende von Finanzkrisen, die durch übermässige Kreditvergabe ausgelöst werden. Die Diskussion in Island scheint aber erst am Anfang zu stehen.

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