Zurück zur Übersicht
13:58 Uhr - 02.09.2016

Sechs Fragen zum G-20-Gipfel

Kommende Woche treffen sich Vertreter der zwanzig grössten Volkswirtschaften im chinesischen Hangzhou. «Finanz und Wirtschaft» beantwortet die wichtigsten Fragen zum Gipfel.

1. Was ist die G-20?

Die «Gruppe der 20» (G-20) ist ein internationales Forum, das Vertreter der grössten Volkswirtschaften zusammenbringt. Die Gruppe vertritt 85% der globalen Wirtschaftsleistung gemessen am Bruttoinlandprodukt und gut zwei Drittel der Weltbevölkerung.

Entstanden ist die G-20 zur wirtschaftlichen Krisenbekämpfung. 1999 trafen sich die jeweiligen Finanzminister und Zentralbankmitglieder erstmals, um gemeinsame Lösungen zur Überwindung der Asienkrise auszuarbeiten. Durch ihre Grösse will die Organisation möglichst alle wirtschaftlichen Schwergewichte vereinen. Anders als bei den G-8- beziehungsweise G-7-Treffen sollen sich auch die Schwellenländer einbringen.

2. Was ist das Ziel der G-20?

Im Fokus der G-20 steht die Unterstützung des globalen Wirtschaftswachstums, insbesondere durch Massnahmen zur Vollbeschäftigung und zur Liberalisierung des internationalen Handels. Beim jährlichen Treffen wird jeweils die Agenda für das kommende Jahr festgelegt.

Seit 2008 fokussieren sich die Mitglieder dabei vor allem auf die Bekämpfung der Folgen der globalen Finanzkrise. Durch koordinierten Fiskalstimulus hat die Organisation Konjunktur und Gesamtnachfrage gestützt.

Zusätzliche Massnahmen sollen globale Wirtschaftskrisen in Zukunft verhindern. Dazu gehört der Ausbau der Finanzmarktregulierung durch Kapitalvorschriften für Banken, die Überwachung des Derivatmarktes, grössere Transparenz und verbesserte Abwicklungsmechanismen.

3. Wer nimmt in Hangzhou teil?

Als G-20 werden 19 Mitgliedstaaten und die Europäische Union (EU) bezeichnet. Derzeit sind dies: Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexico, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, Türkei, USA.

Seit 2008 werden die zwanzig Mitglieder durch die jeweiligen Staatsoberhäupter vertreten. Im Fall der EU nimmt Donald Tusk, Präsident des EU-Rats, teil. Ständiger Gast ist zudem der spanische Premierminister, derzeit ist das Mariano Rajoy.

Ebenfalls eingeladen zum diesjährigen Treffen sind die Präsidenten des Chad, Ägyptens und Kasachstans, die Premierminister von Singapur und Thailand, sowie der Vorsitzende des Verbands Südostasiatischer Nationen (ASEAN), Bounnhang Vorachith, und der Präsident der Neuen Partnerschaft für Afrikas Entwicklung (NEPAD), Macky Sall.

4. Was hat sich im Vorfeld des Treffens abgespielt?

In vielen Staaten ist die Zentralbankenpolitik trotz rekordtiefer Zinsen und Stimulierungsmassnahmen zuletzt an ihre Grenzen gestossen. Insbesondere in der EU haben die Liquiditätsspritzen der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht das gewünschte Kreditwachstum zur Ankurbelung der Konjunktur erreicht.

EZB-Präsident Mario Draghi verweist seit mehreren Monaten  auf die Verantwortung der Mitgliedstaaten, die geldpolitischen Massnahmen durch Konjunkturprogramme zu ergänzen. Unterstützung erhielt er zuletzt vom Chef der Bank of England, Mark Carney. Dieser betonte beim ersten Treffen der britischen Notenbanker nach dem Brexit, dass die Geldpolitik an ihre Grenzen stosse. Die Tief- und Negativzinspolitik müsse durch staatliche Fiskalpolitik ergänzt werden, um das Wachstum anzutreiben.

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hat im Hinblick auf den G-20-Gipfel einen Report zum Stand der Umsetzung der Kapitalanforderungen für Banken veröffentlicht. Die BIZ drängt darin auf die Umsetzung der Massnahmen im Rahmen des Basel-III-Abkommens. Noch hätten nicht alle Länder den gewünschten Standard implementiert.

Im Vorfeld des Treffens zirkulierte zudem ein Themenpapier des Internationalen Währungsfonds (IWF). Der IWF verweist darin auf das langsamere Wachstum der Weltwirtschaft und des internationalen Handels, die schwächere US-Wirtschaft, die Unsicherheit in den Schwellenländern und die trüben Aussichten für Grossbritannien nach dem Brexit-Votum.

Gewicht legte IWF-Chefin Christine Lagarde vor allem auf die Folgen der protektionistischen Tendenzen weltweit. Die wirtschaftliche Abschottung in vielen Staaten werde das Wachstum nachhaltig belasten. Die Erholung des internationalen Handels erfordere aber die Koordination von Geldpolitik, strukturellen Reformen und fiskalpolitischen Massnahmen.

5. Was wird am G20-Gipfel thematisiert?

Im Fokus dürften die Aufgaben und die Koordination von Geld- und Fiskalpolitik stehen. Den Notenbankern gehen zunehmend die Instrumente aus, um das Wachstum anzukurbeln. Dadurch gewinnen staatliche Konjunktur- und Infrastrukturprogramme an Bedeutung. Der Ruf nach Austerität und Sparübungen gehört eindeutig der Vergangenheit an.

Kaum thematisiert werden dürfte dagegen die Kritik des IWF an den protektionistischen Massnahmen der Staaten. In den USA stellen sich beide Präsidentschaftskandidaten gegen die Weiterführung der Gespräche um ein transatlantisches Handelsabkommen. Damit wäre das Ende der Amtszeit Barack Obamas im Dezember – zumindest vorläufig – auch das Ende der Verhandlungen.

Ebenfalls wenig Aufmerksamkeit im Vergleich zu anderen Jahren dürfte die Wechselkurspolitik erhalten. Insbesondere Chinas schrittweise Abwertung des Yuans wurde in den vergangenen Monaten weitgehend ignoriert.

Angesichts der Flüchtlingskrise sind aus europäischer Sicht auch die Gespräche mit den eingeladenen Vertretern aus Afrika und dem Nahen Osten von besonderem Interesse. Vor allem die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, hofft die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit diesen Regionen ausbauen zu können. Durch regionales Wirtschaftswachstum sollen die Lebensverhältnisse verbessert und der Migrationsdruck in Europa vermindert werden.

Traditionell werden beim G-20-Treffen auch sicherheitspolitische Fragen behandelt. US-Aussenminister John Kerry hat angekündigt, mit China über die Aufnahme Indiens in die Gruppe der Kernmateriallieferländer zu verhandeln. Die USA wollen Indien bis Ende Jahr in die Organisation mit 46 Mitgliedern aufnehmen. Doch eine Einigung ist eher unwahrscheinlich.

Denn China wird als Gastgeber versuchen, die Themen auf wirtschaftliche Probleme zu beschränken und sicherheitspolitische Fragen aussen vor zu lassen. Daher wird auch die anhaltende Auseinandersetzung im Südchinesischen Meer kaum zur Sprache kommen. China erhebt Ansprüche auf 80% des Meeres zwischen dem chinesischen Festland, Indonesien und den Philippinen.

6. Welche Ergebnisse werden vom Treffen erwartet?

Die Absicht des Treffens der Staatsoberhäupter der G-20 ist es, eine Agenda mit den wirtschaftlichen Kernthemen für das kommende Jahr auszuarbeiten. Daher dürften in Hangzhou höchstens gemeinsame Ziele bekanntgegeben werden. Konkrete Ergebnisse werden dagegen kaum erwartet.

Bei den meisten makroökonomischen Themen herrscht zudem überwiegend Einigkeit über das weitere Vorgehen. So stellt keine Regierung die Notwendigkeit fiskalpolitischer Massnahmen ernsthaft in Frage. Mehr als erneute Lippenbekenntnisse sind im dieser Hinsicht aber keine zu erwarten.

Einen kleinen Erfolg könnte der Klimaschutz feiern. Gemäss der chinesischen Zeitung «South China Morning Post» werden US-Präsident Barack Obama und der chinesische Präsident Xi Jinping die Ratifizierung des Übereinkommens von Paris zum Klimaschutz bekanntgeben. Das ist ein wichtiger Schritt für das baldige Inkrafttreten des Übereinkommens, das an der UN-Klimakonferenz in Paris im Dezember 2015 verabschiedet wurde. Bis spätestens 2020 soll es das heute geltende Kyoto-Protokoll ersetzen.

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.