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11:10 Uhr - 06.06.2016

Indiens Wirtschaft gewinnt trotz Gegenwind an Fahrt

Der indische Premierminister Modi musste sich jüngst mit wenig erfreulichen Nachrichten herumschlagen. Für einen Lichtblick sorgen die regionalen Wahlen.

Es sind schwierige Tage für den reformorientierten indischen Premierminister Narendra Modi. Vergangene Woche sind Spekulationen über einen Verzicht des Notenbankgouverneurs Raghuram Rajan auf die im September beginnende zweite Amtszeit aufgekommen.

Boomende ausländische Direktinvestitionen in Indienzoom Quelle: CLSADer international hoch angesehene ehemalige Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF) hat 2013 wesentlich dazu beigetragen, dass Indien nicht in eine Zahlungsbilanzkrise geschlittert ist. Der mittlerweile wieder anhaltende Zufluss von Kapital aus dem Ausland ist vor allem auch ein Beweis des Vertrauens in Rajan, der die Regierung trotz Missfallen einzelner einflussreicher Parteifreunde des Premiers zur Haushaltsdisziplin zwingt.

Wenig freuen konnte sich Modi auch darüber, dass ein Gericht im Bundesstaat Gujarat 24 Angeklagte wegen eines vierzehn Jahre zurückliegenden Massakers an über tausend Muslimen schuldig gesprochen hat. Der heutige Premierminister war damals Regierungschef von Gujarat. Seiner hindunationalistischen Bharatiya-Janata-Partei (BJP) war damals vorgeworfen worden, die antiislamische Stimmung geschürt zu haben.

Modi selbst wurde beschuldigt, er habe durch sein spätes Einschreiten gegen die Aufstände direkte Verantwortung für das Ausmass des Blutvergiessens getragen. Obwohl er von einem indischen Gericht von den Vorwürfen freigesprochen worden ist, verwehrten ihm die USA bis zu seinem Amtsantritt als Premier vor zwei Jahren die Einreise.

Globaler Wachstumsmotor 

Trotzdem wird Modi bei seinem offiziellen Besuch in Washington am Dienstag der rote Teppich ausgerollt. Das hat nicht nur damit zu tun, dass der islamistische Extremismus in Pakistan und Afghanistan wie auch das zunehmend breitspurige Auftreten Chinas in Fernost zu einer Annährung Indiens an die USA geführt haben.

Aber vor allem ist der südasiatische Staat mit einem Bruttoinlandprodukt (BIP) von deutlich über 2 Bio. $ die weltweit am schnellsten wachsende grosse Volkswirtschaft. Damit wird das 1,2 Mrd. Einwohner zählende Land zunehmend zu einem Wachstumsmotor der Weltwirtschaft.

Indiens BIP ist im ersten Quartal vor allem dank einem rasant steigenden Konsum der Privathaushalte und einem robusten Agrarsektor gegenüber dem Vorjahreszeitraum 7,9% gewachsen. Die Dynamik wird vor allem durch eine sich stabilisierende Inflation, fallende Zinsen und steigende Gehälter im öffentlichen Sektor angetrieben.

Die bevorstehende Monsunperiode könnte für zusätzlichen Schwung sorgen: Meteorologen prognostizieren wegen des La-Niña-Effekts überdurchschnittliche Niederschläge. Damit könnte die Landwirtschaft im zweiten Semester das Wachstum noch stärker als bisher befeuern.

Schleppende Modernisierung

Mit Verweis auf diese Entwicklungen hat die britisch-asiatische Bank HSBC (HSBA 447 0.54%) Mitte Mai ihre Empfehlung für die im historischen Verglich hoch bewerteten indischen Aktien von «Verkaufen» auf «Halten» heraufgesetzt. Der IWF geht davon aus, dass das BIP 2016 wie schon im Vorjahr 7,5% expandieren wird.

Das Investitionsklima dürfte sich dank vereinzelten erfolgreichen Reformschritten weiter verbessern. So gelang es Modi, in den zwei Parlamentskammern ein modernes Insolvenzgesetz durchzudrücken. Damit können bankrotte Unternehmen neu in drei Monaten abgewickelt werden. Zuvor dauerte das bis zu vier Jahre.

Zwar ist die von Modi im Wahlkampf versprochene Modernisierung der Wirtschaft angesichts des Fehlens einer Mehrheit der BJP und ihrer Verbündeten im Oberhaus auf unerwartet starke Opposition gestossen. So lässt etwa die Einführung einer landesweiten Warenumsatzsteuer ebenso auf sich warten wie ein vereinfachtes Landexpropriationsrecht. Damit bleibt der Binnenmarkt fragmentiert. Gleichzeitig wird das ehrgeizige Infrastrukturprogramm durch langjährige laufende Einsprüche behindert.

Hoffen auf Parlamentswahlen

Doch die BJP konnte jüngst in Wahlen in die Parlamente von Teilstaaten beachtliche Erfolge davontragen. So hat Modis Partei in Assam zum ersten Mal überhaupt eine Mehrheit gewonnen. In den Bundesstaaten Kerala und Westbengalen konnte sie bedeutende Sitzgewinne verbuchen. Damit wächst auch die Wahrscheinlichkeit, dass die BJP die 2019 anstehenden landesweiten Parlamentswahlen gewinnt.

Gleichzeitig bleibt Modis Regierung genug Zeit, vor Beginn des Wahlkampfs wenig populäre Projekte wie etwa die Sanierung des Bankensektors anzugehen. Die schwere Last der faulen Kredite ist ein Hauptgrund dafür, dass Indien nur ein langsames Kreditwachstum aufweist und sich die Sachinvestitionen bloss verhalten entwickeln.

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