Bergbahnen kommen vorerst nicht aus den roten Zahlen. Zugleich sitzen sie auf umfangreichen Investitionen.
Die Jungfraubahn-Gruppe holt weit aus, um das vergangene Geschäftsjahr einzuordnen: Es seien Parallelen zum Ersten Weltkrieg auszumachen, schreibt das Unternehmen im Geschäftsbericht. Damals war 1912 die Bahn auf das Jungfraujoch eröffnet worden, im Sommer 1914 begann der Krieg. Vergangenen Dezember hat das Unternehmen mit der Eröffnung der V-Bahn einen weiteren Meilenstein erreicht. Die Bahn bringt Reisende in 15 Minuten von Grindelwald zum Eigergletscher – oder brächte, denn mit der zweiten Coronawelle sind die meisten Gäste zuhause geblieben.
Erstmals seit der Gründung der Jungfraubahn Holding schreibt das Unternehmen Verlust. Das grösste Segment Jungfraujoch verlor rund die Hälfte des Umsatzes. Vergleichbar war der Einbruch im Segment Erlebnisberge. Besser hielt sich der Wintersport, wo die Zahl der Eintritte zwar ebenfalls um 16% abnahm, der Umsatz aber nur 3,6% zurückging. Die Anlagen durften bekanntlich offenbleiben und das Wetter war gut. Zudem hätten mit der Eröffnung der V-Bahn teilweise höhere Preise gelöst werden können, sagt CEO Urs Kessler.
Doch für die Gruppe, die stark von Besuchern aus dem Ausland abhängt, ist das nur ein kleiner Trost. In normalen Zeiten kommen die Gäste überwiegend aus Asien, aber auch aus den USA und dem europäischen Ausland. Im Rekordjahr 2019 waren es über eine Million. Dieses Geschäft fing 2020 schon im Januar an zu bröckeln. Die Gruppenreisenden aus China kamen nicht mehr. Insgesamt kamen im vergangenen Jahr noch 362’000 Besucher – Zahlen wie in den Achtzigerjahren, schreibt das Unternehmen.
Erschwerend kam hinzu, dass der Bau der V-Bahn teurer wurde als gedacht. Anstelle der budgetierten 320 Mio. Fr. hat die Gruppe nun bereits 340 Mio. Fr. investiert, davon 91 Mio. Fr. allein im vergangenen Jahr. Heuer dürften es weitere 20 Mio. Fr. werden, sagt CEO Urs Kessler im Gespräch mit FuW. Mit Sparmassnahmen und Kurzarbeit konnten die Kosten immerhin auf Gewinnstufe Ebitda noch gedeckt werden (vgl. Tabelle).
Die Lage ist mit einem Verlust just nach einer Grossinvestition ungemütlich. Dabei befinden sich die Jungfraubahnen (JFN 145.00 -0.41%) in der Branche in guter Gesellschaft. Auch die Titlis-Bahnen (TIBN 49.00 -0.81%) planen mit einem neuen Bergrestaurant und einer zweiten Seilbahn eine Grossinvestition und schreiben derzeit Verlust. Im Unterschied zur Jungfraubahn-Gruppe wurde das Projekt am Titlis aber vorerst auf Eis gelegt. Und auch BVZ, die mit der Matterhorn Gotthard Bahn, der Gornergrat Bahn und dem Glacier Express ebenfalls vom Tourismus abhängige Bahnen betreibt, verbuchte rote Zahlen und plant, bis 2028 27 Züge für 300 Mio. Fr. zu beschaffen – deren zwölf sind bereits bestellt.
Leisten können sich das die drei kotierten Bahnunternehmen nach langen, sehr profitablen Jahren. Im Ausblick überwiegt daher die Zuversicht. 2021, das ist jetzt schon klar, dürfte nochmals «ein verlorenes Jahr» werden, sagt Björn Zern. Er ist Experte für Nebenwerte und analysiert seit zwanzig Jahren auch Bergbahnen. Doch schon für 2022 halten die Unternehmen Zahlen wie 2019 zumindest wieder für möglich.
Allerdings gleicht eine Prognose derzeit der Hellseherei, denn die weitere Entwicklung der Pandemie im In- und Ausland ist noch zu wenig vorhersehbar und zugleich für den Geschäftsgang im Tourismus entscheidend. Die Dividende dürfte 2020 wie auch 2021 wegfallen. Die Valoren der Jungfraubahn-Gruppe haben seit Beginn der Krise viel Boden gutgemacht. «Der Kurs hat schon viel vorweggenommen. Generell scheinen mir die Anleger einen Tick zu optimistisch, dass 2022 ein Jahr werden wird wie 2019», sagt Zern. Ein Einstieg ist auch wegen der geringen Liquidität der Titel wenig verlockend.
Trotz aller Schwierigkeiten hat die Pandemie für die Branche auch positive Aspekte. Schon vor Corona am Kämpfen waren kleine und mittelgrosse, noch stark auf die Wintersaison ausgerichtete Betriebe. Sie haben vergangenen Winter doppelt profitiert, denn das Wetter und die Schneeverhältnisse waren ideal, und immerhin einheimische Gäste blieben für einmal im Land und kamen zahlreich, sagt Zern.
Für Kessler ist das aber kein Grund, nun die Strategie zu ändern: «Asien, USA und Europa werden die wichtigsten Märkte bleiben.» Das sieht auch Zern so, denn als Schweizer habe man die Jungfrau irgendwann einmal gesehen. «Ohne Gäste aus den Fernmärkten dürften sich die Investitionen in die V-Bahn nicht rechnen.»
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