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18:42 Uhr - 01.09.2015

Kuoni stiftet Unsicherheit

Nach der «Klarstellung zur voraussichtlichen Nettoverschuldung» stürzt der Aktienkurs weiter ab. Die Konzernführung kommt unter Druck.

Die Macht der StiftungSeit Jahrzehnten bestimmt die Kuoni und Hugentobler-Stiftung das Geschick des Touristikkonzerns.zoomAm Montag hat die Reisegruppe Kuoni (KUNN 191.3 -5.48%) eine Klarstellung veröffentlicht: Ihr ist zu entnehmen, dass sich «die voraussichtliche Nettoverschuldung» per Ende Jahr auf 200 bis 250 Mio. Fr.  verbessern dürfte, verglichen mit 468 Mio. Fr. per Ende Juni. Die Kalkulation beruht auf einigen Annahmen, so dem Vollzug des Verkaufs des Veranstaltergeschäfts in Europa und Asien, mit dem Kuoni den Charakter grundlegend verändert.

Unter den Analysten zeigte man sich von der Klarstellung überrascht, hat sie aber kaum kommentiert. Credit Suisse (CSGN 25.13 -3.16%) immerhin sprach von einem «weiteren Rückschlag» für die Glaubwürdigkeit von Kuonis Mittelfristzielen für 2017 und senkte das Kursziel von 225 auf 210 Fr.

Der Kursrückgang am Montag von 2% und am Dienstag von zeitweise über 8% auf 186 Fr. weist deutlich auf die Tragweite der Klarstellung hin. Kuoni versuchte damit nach eigener Darstellung, «frühere Aussagen zu präzisieren».

Wie Sprecher Peter Brun anfügt, sei die Gabelung zwischen den einzelnen Annahmen der Marktteilnehmer zur Nettoverschuldung per Ende Jahr «zu gross» gewesen. Die Schätzungen schwankten offenbar von  unter 100 bis über 400 Mio. Fr.

Schulden statt Nettocash

Tatsächlich sind die Begriffe «Klarstellung» und «präzisieren» in der Mitteilung euphemistisch, angesichts des Durcheinanders, das die Kuoni-Führung stiftete. So hatte sie im Januar, als der Plan zum Verkauf des traditionellen Reiseveranstaltergeschäfts angekündigt wurde, erklärt, dass Kuoni nach Abschluss aller Transaktionen statt einer Nettoverschuldung vielmehr einen Nettocashbestand aufweisen dürfte. Auf eine Zahl liess sie sich nicht hinaus. Aber, so ein Marktteilnehmer, sie hat nicht widersprochen, als dreistellige Millionenbeträge genannt wurden.

Noch am Investorentag im Juni – kurz vor der Ankündigung, das europäische Reiseveranstaltergeschäft werde an die Rewe-Gruppe verkauft – bestätigte Finanzchef Thomas Peyer, dass nach den Transaktionen ein Nettocashbestand zu erwarten sei. Später war plötzlich die Rede von einer Nettoverschuldung im Bereich eines hohen zweistelligen oder tiefen dreistelligen Millionenbetrags, der nun auf 200 bis 250 Mio. Fr. präzisiert wurde.

Hauptgrund für das Wendemanöver ist, dass Kuoni für das europäische Veranstaltergeschäft nicht den Preis löst, den man sich erhofft hatte, wohl nicht halb so viel. Die Zürcher Kantonalbank (ZKB)schätzt den Erlös auf rund 120 Mio. Fr.

Die Kommunikation mit dem Finanzmarkt ist missglückt. Anlässlich des Halbjahresberichts kündigte Kuoni dann überraschend an, Finanzchef Peyer werde das Unternehmen verlassen. Er bot sich als Bauernopfer an: In der Finanzgemeinde hat er, erst seit März 2014 im Amt, kein sonderliches Ansehen.

Dazu kommt, dass Kuoni anfänglich erklärte, die Veräusserungen würden keinen Goodwillabschreiber nach sich ziehen – am 22. Juni musste man eingestehen, dass der Verkauf der europäischen Reiseveranstalteraktivitäten das Semesterergebnis mit 180 Mio. Fr. belastet, auch wegen einer Goodwillwertberichtigung.

Das führte dazu, dass das Eigenkapital von Kuoni per Ende Juni auf 440 Mio. Fr. sank – wodurch eine von zwei Covenants resp. Klauseln für die syndizierte Kreditfazilität über 256 Mio. Fr. gebrochen wurde, nämlich jene, dass das Eigenkapital mindestens 500 Mio. Fr. betragen muss. Die Banken sahen aber über die Verletzung der Klausel hinweg, sie blieb folgenlos.

Selbst wenn all die Vorfälle nicht ein günstiges Licht auf den Finanzchef werfen, lässt sich die Schuld nicht einfach auf ihn abschieben. Es sollte genügend Kompetenz im Management und Verwaltungsrat vorhanden sein, gerade Kompetenz in Finanzfragen: Peter Meier war noch Finanzchef von Kuoni, bevor er das Amt als CEO im März 2014 eher widerwillig definitiv übernahm. Verwaltungsrat David Schnell war u. a. Finanzchef von Swisscom (SCMN 510 -2.39%). Sie alle und VR-Präsident Heinz Karrer stehen in keinem guten Licht.

Finanzen am Limit

Die Klarstellung zur Nettoverschuldung hat ihre Tragweite nun auch in Bezug zur zweiten Klausel der syndizierten Kreditfazilität. Sie verlangt, dass die Nettoverschuldung das 2,75-Fache des Betriebsgewinns auf Stufe Ebitda nicht überschreiten darf. Die Nettoverschuldung ist hier allerdings vor Abzug der Kundenvorauszahlungen definiert, wie Kuoni-Sprecher Brun sagt. Das Unternehmen selbst versteht sie, auch in der jüngsten Klarstellung, nach Abzug der Kundenvorauszahlungen.

Dennoch: Es könnte knapp werden. Marco Strittmatter, Analyst der ZKB, rechnet etwa neu per Ende Dezember mit einer Nettoverschuldung von 256 Mio. Fr. vor Abzug der Kundenvorauszahlungen sowie mit einem Ebitda von 101 Mio. Fr. für dieses Jahr. Damit betrüge das Verhältnis 2,53 und würde nur knapp im Rahmen des Erlaubten liegen.

Auch die Eigenkapitalquote, die im ersten Halbjahr von 32,2 auf 18,5% sank, signalisiert alles andere als eine komfortable Finanzierung. Dazu kommt, dass die immateriellen Werte wie Goodwill weit grösser sind als das Eigenkapital.

Vor diesem Hintergrund stellt der Markt, wo an Kuonis Führung gezweifelt wird, schon erste Gedanken an, ob eine Kapitalerhöhung nahen könnte. Solch ein Schritt wäre ein Schock für die Anleger – und könnte für Kuoni endgültig alles ändern: Der Hauptaktionär, die Kuoni und Hugentobler-Stiftung, wäre kaum in der Lage, eine Kapitalerhöhung mitzumachen.

Klar ist, dass sich mit Blick auf die schlechte Kursentwicklung die Fragen zu Kuonis Zukunft mehren. So stellt die Bank Vontobel (VONN 50 -1.77%) zur Debatte, ob es für Kuonis Perle, das Visa-Geschäft, nicht einen besseren Eigentümer gibt – doch wenn es verkauft wird, was bleibt? Ein Investor bringt es auf den Punkt: Kuoni hat sich die Frage der Daseinsberechtigung zu stellen. Von einem Kauf der Aktien ist abzuraten.

Die Macht der StiftungSeit Jahrzehnten bestimmt die Kuoni und Hugentobler-Stiftung das Geschick des Touristikkonzerns entscheidend mit. Sie kontrolliert mit 6,25% Kapitalanteil 25% der Stimmen und ist mit David Schnell im Verwaltungsrat des Unternehmens vertreten. Hauptzweck der Stiftung ist gemäss Homepage, den Kuoni-Konzern «als Touristikunternehmen auf solider Grundlage dauernd zu erhalten». Darüber hinaus sind Erträge der 1957 vom Kuoni-Erben Alfred Kuoni jun. gemeinsam mit Harry Hugentobler errichteten Stiftung für gemeinnützige Zwecke zu verwenden – soweit sie nicht dem Fortbestand der Stiftung dienen.

In der wechselhaften Kuoni-Vergangenheit spielte die Stiftung nicht immer eine löbliche Rolle. Namentlich in der Besetzung von Verwaltungsratspräsident und CEO griff sie oft unglücklich ein, wie auch in der Bestellung der eigenen Reihen. So musste sie 2001 Fremdmittel aufnehmen, um ihren damaligen Präsidenten Daniel Affolter abfinden zu können, der einen Machtkampf inszeniert hatte. Bereits ein Jahr vorher hatte die Stiftung eine Kapitalerhöhung von Kuoni nur mit einem Kredit finanzieren können. 2005, als ebenfalls eine Kapitalerhöhung erwogen wurde, hätte die Stiftung passen müssen.

Immerhin ging die Kapitalerhöhung vom Frühjahr 2011 ohne Nebengeräusche über die Bühne. Indem die Stiftung voll mitzog, behielt sie ihre Stimmkraft.

Der strategischen Weiterentwicklung von Kuoni wollte die Stiftung zwar jeweils nicht entgegenstehen, aber zum grossen Wurf war sie dennoch nicht bereit. Der Stabilitätsfaktor in der Gestalt eines Grossaktionärs entpuppte sich für den Reisekonzern mehr und mehr als Hindernis.

Ob die Kuoni und Hugentobler-Stiftung derzeit bereit und in der Lage wäre, an einer Kapitalerhöhung teilzunehmen, darf bezweifelt werden. Interpretationsspielraum bietet die Anmerkung auf der Homepage: «Zurzeit unterstützt die Kuoni und Hugentobler-Stiftung keine gemeinnützigen Projekte, da sie ihre Kräfte auf die Erfüllung des primären Stiftungszwecks konzentriert, Kuoni Reisen langfristig im Interesse aller Aktionäre, aber auch Mitarbeiter und Kunden zu erhalten.» (GA)

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