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17:40 Uhr - 26.07.2016

Vontobel-CEO: «Lieber zu vorsichtig als übermütig»

Zeno Staub, Chef der Bank Vontobel, über die Ambitionen in Asien, die Perspektiven im Geschäft mit strukturierten Produkten und die Folgen des Brexit für das Europageschäft.

Die Bank Vontobel (VONN 45.3 2.95%) konnte im ersten Semester trotz des schwierigen Marktumfelds einen klaren Gewinnanstieg verbuchen. Allerdings spiegelt sich auch der Abgang des namhaften Fondsmanagers Rajiv Jain in den Zahlen. CEO Zeno Staub nennt die Nachfolgelösung im Gespräch «optimal» und verweist darauf, dass sich Anlagestrategie und Prozesse nicht geändert hätten.

Herr Staub, wegen des Abgangs von Rajiv Jain wurden 10 Mrd. Fr. an Abflüssen erwartet. Jetzt sind es 12 Mrd. Wird es dabei bleiben?
Der Löwenanteil der Abflüsse bei der bisher durch Jain geleiteten Quality-Growth-Boutique fiel auf die ersten zwei Monate nach Ankündigung. Sie waren eine zu erwartende Konsequenz aus dem typischen Verhalten vieler internationaler institutioneller Kunden, die einen sofortigen Austritt oder mindestens einen Review vollziehen müssen beim Abgang des leitenden Portfoliomanagers. Wir konnten mit Matthew Benkendorf, der langjähriger Stellvertreter von Rajiv Jain war, und dem vollumfänglich beibehaltenen Investmentteam aber eine optimale und vorbereitete Nachfolgelösung anbieten; die Anlagestrategie und die Prozesse haben sich nicht geändert. Dies hat sicherlich eine wichtige Rolle gespielt bei vielen unserer Anleger. Alle anderen Boutiquen wuchsen insgesamt 7%.

Das Asset Management bekommt im dritten Quartal Zuwachs durch die Übernahme von Vescore. 15 Mrd. Fr. ist die Noch-Raiffeisen-Tochter schwer. Sie geben die Boutiquen, an denen Sie interessiert sind, mit 9 Mrd. Fr. Kundenvermögen an. Was ist mit dem Rest?
Die Zusammenarbeit mit Vescore hat gerade erst begonnen, wir erwarten das Closing für das dritte Quartal. Grundsätzlich geht aber keine Integration bzw. keine Übernahme ohne gewisse Abflüsse vonstatten. Mit den 9 Mrd. Fr., die sich auf die beiden Kernboutiquen Nachhaltigkeit und Quantitative Investments beziehen, wollen wir dem Markt Transparenz über die Bedeutung dieser beiden Anlagestrategien geben.

Sie sind stark im Geschäft mit strukturierten Produkten, auch als Technologieanbieter. Das ist Leonteq ebenfalls, an der Raiffeisen fast 30% hält. Könnte es in diesem Bereich zu einer Kooperation kommen?
Nein. Wir bauen mit unseren kotierten strukturierten Produkten Schritt für Schritt in unseren Märkten eine Präsenz auf. Wir sind in Deutschland, in Skandinavien und nun auch in Italien an der Börse. Wir haben bisher einen Marktanteil von 8% in Europa und sind Technologie- und Kostenführer. Weitere Markteintritte in Europa sind geplant. Ausserdem haben wir das Geschäft mit unserer eigenen Plattform. Dabei hat unsere Technologie den Vorteil, als einzige Plattform eine offene Architektur mit Wettbewerb beim Option Pricing anbieten zu können – weshalb sie sich durchsetzen wird.

Sie treten in Asien bewusst nicht derart forsch auf wie Ihre Konkurrenz. Zahlt sich das aus?
Wir verfolgen in Asien in allen drei Geschäftsbereichen eine Nischenstrategie. Im Asset Management sind wir gerade daran, unseren Vertriebsansatz von den Top 100 institutionellen Kunden der Region auf die Top 600 auszudehnen. Zudem erschliessen wir uns mit Vertriebspartnerschaften neue Kundenkanäle, beispielsweise in Taiwan. Das Geschäft im Wealth Management bauen wir aus, indem wir zusätzliche Kundenbetreuer einstellen. Das ist ein stufenweiser Prozess. Im Private Banking haben wir auch bewusst kein lokales Buchungszentrum, sondern können unser Know-how und unsere Produkte mit lokaler Beratungskompetenz aus der Schweiz heraus anbieten, ohne eine kostenintensive Struktur vor Ort aufstellen zu müssen. Das Geschäft entwickelt sich stabil.

Einer Ihrer Fokusmärkte ist Grossbritannien. Wie wirkt sich der Brexit auf Ihr Geschäft dort aus?
Für uns ist nicht London der Hub für Europa, sondern Deutschland. Wir haben hier also keinen Anpassungsbedarf. In London bedienen wir das nationale Geschäft im Vereinigten Königreich. Und die Tatsache, dass Grossbritannien eine reiche Nation mit einem grossen Pensionskassensystem ist, hat sich nicht verändert.

Im Verhältnis zum Asset Management hinkt das Private Banking bei Vontobel hinterher. Ist es das Sorgenkind im Institut?
Die Behauptung, das Private Banking sei Vontobels Sorgenkind, stösst bei mir auf Unverständnis. Wir haben uns bereits vor Jahren aus nicht strategischen Märkten zurückgezogen und verfolgen ein klares, fokussiertes Geschäftsmodell, das dank unserer modernen digitalen Plattform global skaliert werden kann. Wir wachsen im Private Banking seit mehreren Jahren um rund 5%. Das ist im Quervergleich gut. Wir können auch durch Zukäufe wachsen, müssen es aber nicht. Wir bleiben, was Zukäufe anbelangt, wählerisch und halten uns an unsere Kriterien. Wir werden lieber als zu vorsichtig denn als zu übermütig angesehen.

Wirken sich die Probleme der Credit Suisse zurzeit positiv oder negativ auf Ihr Geschäft aus?
Sowohl als auch. Wir bekommen Zuflüsse durch Kunden und Berater. Auf der anderen Seite wünschen wir uns alle einen stabilen, erfolgreichen Finanzplatz, und dazu gehören die beiden Grossbanken.

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