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14:07 Uhr - 30.11.2020

Bei der Libor-Ablösung ist Eile geboten

Vieles ist beim Wechsel auf alternative Zinsen schon erreicht worden. Der Regulator sieht aber noch einiges an Arbeit auf den Finanzplatz zukommen.

Die Uhr tickt. Ende 2021 ist definitiv Schluss mit dem Libor. Ab dann wird der Referenzzins gemäss der britischen Finanzmarktaufsichtsbehörde nicht mehr erhoben.

Zur Vorbereitung auf eine Welt ohne Libor muss der Schweizer Finanzplatz aber noch eine Mammutaufgabe stemmen. Neue Produkte müssen etwa lanciert und bestehende Finanzinstrumente an Alternativen wie den Saron angepasst werden.

Das Volumen ist enorm. Auf mindestens 14 Bio. Fr. werden die Finanzinstrumente insgesamt geschätzt, die an den ­Libor gebunden sind und deren Laufzeit über das offizielle Ablaufdatum Ende 2021 hinausreicht. Mehr als 2 Bio. Fr. davon sind spezifisch an den Franken-Libor gebunden.

Eine ungenügende Vorbereitung auf den Wegfall des Libor stellt für die Finanzmarktaufsicht (Finma) deshalb nach wie vor ein signifikantes Risiko für die Branche dar. Seit 2013 wird der Übergang in der Nationalen Arbeitsgruppe für Refinanzierungssätze in Franken (NAG) vorbereitet, in der die Nationalbank (SNB (SNBN 4'660.00 +0.65%)) gemeinsam mit der Branche vertreten ist.

Was dies die Banken kostet, wollen diese nicht preisgeben. Aus Grossbankenkreisen ist jedoch zu vernehmen, dass mehrere hundert Personen an der Ab­lösung arbeiten, handle es sich beim Libor-Ende doch um einen grundlegenden Umbau der Finanzinfrastruktur. «Der Libor ist nicht nur etwas Technisches, was zwischen Banken abläuft», sagt Martin Bardenhewer, Co-Chair der NAG und Leiter Institutional Clients & Multinationals bei der ZKB. Das Auslaufen des Referenzsatzes betrifft die wichtigsten Bereiche einer Bank: von Hypotheken, Kreditlinien für Unternehmen über Derivate und das Zinsrisikomanagement bis hin zu juristischen Fragestellungen. Kurz: «Fast überall, wo Zins drin ist, steckt Libor drin», sagt Bardenhewer. Fällt er weg, fehlt plötzlich die Möglichkeit einer fairen Preisfindung für all diese Produkte.

Transfer nimmt Fahrt auf

Der grösste Anteil der Finanzinstrumente, die über das Libor-Ablaufdatum hinaus laufen, sind OTC-Derivate, typischerweise Zinsswaps, mit denen sich Marktteilnehmer gegen Zinsänderungen absichern.

11,5 Bio. Fr. soll ihr kumuliertes Volumen in den Libor-Währungen Franken, Euro, Pfund, Yen und Dollar laut dem Regulator Ende Juni betragen haben. Die meisten dieser Verträge sind standardisiert und dürften sich problemlos vom Libor zu alternativen Zinsen transferieren lassen. Die International Swaps and Derivatives Association Isda hat sich Ende ­Oktober auf ein Protokoll geeinigt, das den Unterzeichnern Rückfallklauseln zur Verfügung stellt, mit denen der Libor durch Alternativen ersetzt werden kann. Das nährt nun die Hoffnung, dass der Transfer vom alten zum neuen Zins Fahrt aufnimmt und etwa der Saron-Markt ­zusätzliche Liquidität erhält. Mehr als 1200 Parteien, inklusive der beiden Schweizer Grossbanken, haben das Protokoll bis dato unterzeichnet.

Trotzdem dürfte eine gewisse Anzahl von Verträgen strittig bleiben. Die Aufsichtsbehörde erhebt seit Anfang Jahr bei 26 Banken vierteljährlich den Umfang der Verträge ohne Rückfallklausel, die Streitpotenzial bergen und damit zu Rechts- und Bewertungsrisiken bei den Instituten führen könnten. Bei welchen Instituten sich solche finden, ist nicht bekannt. «Das Risiko ist bei den global tätigen Gross­banken aber sicher grösser als bei Retailbanken», sagt Jan Blöchlinger, Leiter Geschäftsbereich Banken bei der Finma. Generell sieht die Aufsichtsbehörde die Banken auf gutem Weg, mahnt aber zur Eile.

Risiko bei Dollar-Libor höher

Wie rasch sich die Libor-Ablösung vollzieht, ist aber auch von der internationalen Koordination abhängig. Die Schweiz und Grossbritannien sind bei der Ein­führung neuer Referenzsätze deutlich weiter als die USA.

Das verkompliziert die Lage für stärker international exponierte Marktteilnehmer. Zum einen, weil im Dollarraum zwar mit dem Sofr ein Libor-Nachfolger zur Verfügung steht, trotzdem aber unterschiedliche Zinsen denkbar sind. Zum ­anderen, weil in Dollar auch komplexere Produkte gehandelt werden, deren Transfer nicht so einfach durch das Isda-Protokoll gelöst werden kann.

«Für Banken, die grosse Bestände an Produkten halten, die an den Dollar-Libor gebunden sind, ist das Risiko durch die Ablösung eher gestiegen», sagt Evelyn Hunziker, Partner und Libor-Spezialistin bei EY. Beispielsweise weil sich die Institute mit ihren Gegenparteien unter Umständen individuell auf eine Vertrags­anpassung einigen müssten. «Bei Banken existiert aber immer die Befürchtung, dass die Gegenpartei den neuen Vertrag nicht unterschreibt», sagt sie. Damit steige das Risiko von Rechtsfällen. Es braucht nun einen Zusatzeffort, um auch solch problematische Verträge lösen zu können.

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