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07:00 Uhr - 20.07.2022

Anlagestrategen zweifeln an Börsenerholung

Die von FuW befragten Vermögensverwalter haben Aktien abgebaut und beginnen damit, Anleihen aufzustocken. Franken und Dollar sind gefragt.

Die jüngste Gegenbewegung an der Börse sei «nicht nachhaltig», sagt Jan Bopp von Bank J. Safra Sarasin. Die Aktienindizes seien nach wie vor hoch bewertet und würden zweifach belastet: Für die Unternehmen werde die Finanzierung schwieriger, gleichzeitig schwächten sich die Gewinnerwartungen ab. «Die Unsicherheit und damit die Volatilität dürften erhöht bleiben.»

Diese Einschätzung ist verbreitet. Kein einziger der zehn von «Finanz und Wirtschaft» befragten Vermögensverwalter hat im Portfolio ein taktisches Übergewicht für die Anlageklasse Aktien. Sie ist bei sechs Banken neutral und bei vier untergewichtet (vgl. Grafik und Glossar unten).

Nach Korrekturen zukaufen

Die Aktienmärkte hätten zwar bereits stark korrigiert, doch die Gewinnerwartungen seien vor allem in den USA und Europa noch immer hoch, bestätigt Philipp Murer von der Privatbank Reichmuth. Deshalb seien Korrekturen zu erwarten, und «diese werden wir dann für Positionserhöhungen nutzen».

Anlass für ein höheres Aktiengewicht wären gemäss Murer auch eine Deeskalation im Ukrainekrieg oder Anzeichen einer weniger restriktiven Geldpolitik. Ein schärferes Untergewicht hingegen wäre angezeigt, falls der Inflationsdruck gegen Herbst nicht abnimmt und eine harte Landung der Wirtschaft wahrscheinlicher werde.

Rezessionsgefahr und die Notenbanken

Die Hauptsorge der Anleger habe sich von der Inflation zur Rezession verlagert, resümiert Yves Bonzon von Bank Julius Bär (BAER 44.89 +0.47%). «Wir erwarten jedoch, dass die Notenbanken die Zinserhöhungen einschränken, um die Konjunktur nicht zu stark zu beeinträchtigen.»

Im Gegensatz dazu sagt Frank Häusler von Bank Vontobel (VONN 62.70 -0.32%), die Zentralbanken seien mehr denn je entschlossen, die Inflation zu senken, selbst wenn dies das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung gefährde. «Eine US-Rezession für 2023 ist nun Teil unseres Basisszenarios.» Allerdings hätten die Märkte bereits viel Negatives eingepreist, deshalb sei eine neutrale Positionierung von Aktien gerechtfertigt – zumindest «solange keine breit angelegte, globale Rezession eintritt».

Nicolas Peter vom Vermögensverwalter Aquila bestätigt, die prognostizierten Zinspfade seien mittlerweile weitgehend in die Aktienmärkte eingepreist. Auch er hat Aktien im Portfolio neutral gewichtet. Die Korrektur an den Aktienmärkten sei bis dato vor allem eine Bewertungsanpassung an das neue Zinsumfeld.

Risiko Unternehmensgewinne

Zwar sei für die USA eine milde Rezession in den Gewinnerwartungen mehrheitlich berücksichtigt, sagt Manuel Ferreira von der Zürcher Kantonalbank (ZKB), «stärkere Bremsspuren der Konjunkturdynamik indes nicht».

Auch Peter sieht das Risiko, dass die Gewinnerwartungen in den kommenden Wochen zurückgeschraubt werden müssen und damit der Druck auf die Aktienmärkte anhalten werde. Allerdings dürften «kurzfristige Erholungsrallys, wie wir sie seit Mitte Juni gesehen haben, uns auch über die kommenden Wochen begleiten».

Anlagestile defensiv und Value

Innerhalb der Anlageklasse sei Sarasin defensiv positioniert, sagt Bopp. Claude Maurer von Credit Suisse (CSGN 5.42 -1.06%) setzt ebenfalls auf defensive Aktien und deshalb auf US-Titel – das leichte Übergewicht liegt in der FuW-Skala im neutralen Bereich. Amerikanische Aktien hätten kurzfristig Aufwärtspotenzial, wegen der schlechten Stimmung unter den Anlegern und mehr Klarheit im Ausblick der Notenbank.

Auch Roland Egger von der Privatbank Lombard Odier hat US-Aktien «zwischenzeitlich übergewichtet, wobei wir uns auf Qualität fokussieren». Er erwarte, dass solide Unternehmensbilanzen und die Ersparnisse der US-Privathaushalte aus der Pandemiezeit dazu beitrügen, einen Teil der bevorstehenden fiskal- und geldpolitischen Straffung auszugleichen. Zudem sollten die USA weniger unter den Auswirkungen des Ukrainekriegs leiden als Europa.

Adrian Zürcher von UBS (UBSG 15.93 +0.50%) hält ein Übergewicht in Value-Aktien. Solche Substanzwerte seien im Umfeld mit steigenden Zinserwartungen und einer hohen Inflation im Vorteil gegenüber Wachstumstiteln. «In der Vergangenheit entwickelten sich Value-Sektoren überdurchschnittlich gut, wenn die Inflation über 3% lag.» Für Wachstumsaktien dagegen seien Phasen mit steigenden Realzinsen in der Regel negativ.

Schweizer Qualität

Die Schweiz wird innerhalb der Anlageklasse Aktien nur von Vontobel übergewichtet. «Im aktuellen Umfeld bevorzugen wir weiterhin amerikanische und Schweizer Aktien, die in Zeiten eines sich verlangsamenden Wachstums tendenziell eine bessere Performance aufweisen sollten», sagt Frank Häusler. Im Gegensatz dazu seien europäische und japanische Aktien aufgrund ihres zyklischen Charakters am meisten gefährdet, dort bleibe er untergewichtet.

Die ZKB ist in Schweizer Aktien leicht übergewichtet – auch wenn das Gewicht im neutralen Bereich der FuW-Skala liegt. Ferreira wägt ab: Die global restriktivere Geldpolitik mache hoch bewerteten Aktienmärkten wie der Schweiz zu schaffen. Aber in unsicheren Zeiten suchten Investoren weniger konjunktursensitive Sektoren, die am hiesigen Markt besonders prominent vertreten seien. «In der Summe überwiegt für uns aktuell der defensive Charakter.»

Die Privatbank Pictet hat Schweizer Aktien neutral gewichtet. César Pérez Ruiz sagt, er erachte den hiesigen Aktienmarkt als defensiv, dominiert von Qualitätsunternehmen. Diese sollten aus den gegenwärtigen Turbulenzen vergleichsweise gut herauskommen. Reichmuth setzt den Fokus in der neutral gewichteten Schweiz auf Dividenden- und Qualitätstitel.

Ein leichtes Untergewicht im Schweizer Markt hat Lombard Odier, wie Roland Egger erklärt: «Wir sehen ihn als relativ teuer an, und bei einer Erholung der Zykliker ist eine Underperformance zu erwarten.»

Anleihen sind unbeliebt

Gegenüber Anleihen ist keiner der befragten Vermögensverwalter positiv eingestellt. Die eine Hälfte setzt die Anlageklasse auf neutral, die andere auf ein Untergewicht.

«Wir beginnen, unser Untergewicht in der Anleihenquote schrittweise zu reduzieren», sagt allerdings Peter. Im Basisszenario von Aquila schwächt sich das globale Wachstum weiter ab und rutscht allenfalls sogar in eine technische Rezession. «Eine klassische Rezession mit Massenarbeitslosigkeit und ähnlichen Folgen halten wir jedoch für unwahrscheinlich.»

Auch Lombard Odier bleibt bei Obligationen untergewichtet. Innerhalb der Anleihenquote hat Roland Egger allerdings «jüngst das Untergewicht bei Staats- und Unternehmensanleihen hoher Qualität reduziert, da diese basierend auf höheren Credit Spreads sowie höheren Renditen bei Staatsanleihen wieder attraktiver erscheinen».

Obligationen mit guter Bonität

«Insgesamt ist und bleibt die Anlageklasse noch zu wenig attraktiv», sagt Murer. Reichmuth habe die höheren Renditen genutzt, um die kurze Duration im Portfolio taktisch etwas zu verlängern – Anleihen mit längerer Restlaufzeit liefern einen höheren Marktzins, doch ihr Kurs fällt stärker, wenn das Zinsniveau steigt. Murer: «Wir sind aber noch immer kürzer als die Benchmark positioniert.» Den Bestand an inflationsindexierten Anleihen hat er aufgrund der bereits stark gestiegenen Inflationserwartungen sowie den steigenden Realzinsen um die Hälfte reduziert.

Konkrete Anzeichen für eine Konjunkturabschwächung könnten das Blatt schnell zugunsten von Anleihen mit guter Bonität wenden, sagt Bopp von J. Safra Sarasin, ebenso wie ein schärferer Rückgang der Rohstoffpreise als Signal für ein Nachlassen des Inflationsdrucks. Folgerichtig hat er «die stark gestiegenen Renditen der vergangenen zwei Monate genutzt, um unsere Allokation in hochqualitative Anleihen deutlich zu erhöhen und damit das Untergewicht in der Anlageklasse zu schliessen».


Sicherer Franken und starker Dollar


Der Franken ist für die Vermögensverwalter ein Favorit, und der Dollar profitiert von höheren US-Zinsen. Pictet habe Franken gekauft, sagt César Pérez Ruiz, angesichts der jüngsten Äusserungen der Schweizerischen Nationalbank, sie werde die Stärke der Währung bewahren. Zudem sei der Franken punkto Inflation im Vorteil. Allerdings lieferten Anlagen in Dollar höhere Renditen.

UBS setzt darauf, dass der Franken gegenüber dem Dollar steigt. Adrian Zürcher bestätigt: «Die Nationalbank hat sich unmissverständlich zu ihrer Absicht bekannt, dem wachsenden Inflationsdruck mit Zinserhöhungen und einem stärkeren Franken zu begegnen.» Gleichzeitig spekulierten die Märkte bereits, dass in den USA die Zinsanhebungen des Fed die Wirtschaft in eine Rezession treiben werden. «Eine Rezession würde den Dollar belasten, da sein Anstieg dieses und letztes Jahr durch die Erwartungen eines kräftigen Wachstums bedingt war.»

Der strukturelle Aufwertungsdruck auf den Franken halte an, sagt auch Frank Häusler von Bank Vontobel. «Wir sehen beim Franken-Dollar-Kurs auf Zwölfmonatssicht einen deutlichen Abwärtstrend.»

Im Gegensatz dazu erwartet die ZKB einen steigenden Dollar. In den USA werde die Geldpolitik nochmals deutlich gestrafft, sagt Manuel Ferreira. «Der Zinsvorteil der US-Währung wird sich dadurch akzentuieren. Neu sind wir übergewichtet investiert.»

Auch Roland Egger von Lombard Odier sagt: «Wir übergewichten den Dollar weiterhin.» Er dürfte in Zeiten hoher Inflation und genereller Wachstumsverlangsamung sowie aufgrund von weiteren Zinserhöhungen gut unterstützt bleiben.

Yves Bonzon von Bank Julius Bär hält fest: «Der Franken wird nach dem SNB-Kurswechsel wieder zum sicheren Hafen.» Allerdings werde die kurzfristige Stärke des Dollars verlängert, bis die Rezessionsangst vorüber sei. Er dürfte seinen Höhepunkt entweder im Fall einer Pause des Fed im Straffungszyklus oder dann beim effektiven Eintritt einer Rezession in den USA erreichen.

Die Nachfrage nach Dollar sei gestiegen, wegen den markant steigenden Zinserwartungen in den USA und dem eskalierenden Konflikt in der Ukraine, sagt Nicolas Peter von Aquila. Allerdings sei der Kursanstieg gegenüber dem Franken nur moderat, da dieser ebenfalls die Funktion eines sicheren Hafens ausübe. «Mittelfristig sehen wir den Dollar nicht wesentlich höher.»

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