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16:42 Uhr - 21.07.2014

Selbst gemacht oder vom Band?

Jährlich werden 8 Mrd. Fr. aus den Pensionskassen bezogen, um anstelle von Renten eigene Vorsorgeideen zu realisieren.

Das Pensionsgesparte im Zeitpunkt des Altersrücktritts individuell vom Konto bei der Vorsorgeeinrichtung zu beziehen, soll gemäss den Vorstellungen von Bundesrat Alain Berset eingeschränkt werden. Seit einigen Jahren erlaubt das Vorsorgegesetz BVG, zum Pensionierungszeitpunkt mindestens ein Viertel des eigenen Vorsorgeguthabens als Kapital zu beziehen.

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Die Vorsorgeeinrichtungen sind dabei jedoch frei, ihren Versicherten auch einen weitergehenden oder gar vollständigen Kapitalbezug zu offerieren.

Die Kapitalleistungen bei Pensionierung haben sich gemäss den Zahlen des Bundesamts für Statistik zur beruflichen Vorsorge der Schweiz in den zurückliegenden Jahren wenig spektakulär entwickelt. 2012 sind von 34 500 Personen insgesamt 5,9 Mrd. Fr. Pensionsgelder bezogen worden, was pro Bezüger einen Durchschnittsbetrag von 171 000 Fr. ergibt. Die Summe der Kapitalabrufe ist im Zeitraum ab 2008 ausgehend von 5,1 Mrd. Fr. zwar stetig, aber nur leicht gestiegen.

Nur 2,3% der Sparsumme abgezogen

Ein gegenläufiger Trend ist festzustellen in den Vorbezügen von Pensionsgeld zur Teilfinanzierung selbstgenutzten Wohneigentums. Ihre Summe hat sich im Zeitraum ab 2008 von 2,2 Mrd. auf knapp unter 2 Mrd. Fr. 2012 zurückgebildet, jeweils netto nach Verrechnung mit Rückzahlungen. Zuletzt wurden 24 300 Bezüger registriert, womit im Durchschnitt 81 000 Fr. für den Haus- oder Wohnungskauf bezogen wurden.

Die Summe aus beiden Kapitalbezugsmotiven ist im gesamten Untersuchungszeitraum unter jährlich 8 Mrd. Fr. geblieben. Der von der Vorsorgestatistik erfasste aggregierte Sparbatzen der berufstätigen Versicherten hat sich in diesen vier Jahren ausgedehnt von 302 Mrd. auf 342 Mrd. Fr.

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Gründe sind einerseits die regulären und die freiwillig zusätzlichen Beiträge und Einzahlungen, sowie andererseits die jährliche Verzinsung der Guthaben. Die aggregierten Kapitalbezüge machen somit lediglich etwa 2,3% der Sparsumme aus, und wegen deren stetiger Ausdehnung schwindet der Prozentanteil gar leicht.

Das in der zweiten Säule Gesparte der aktiven Versicherten von 342 Mrd. Fr. Ende 2012 ist unterteilt in 149 Mrd. Guthaben nach den Minimalansätzen des BVG (Obligatorium) sowie weiteren 193 Mrd. Fr., die aus Zusatzbeiträgen und über die Minima hinausgehenden Einzahlungen resultiert haben (Überobligatorium). Bundesrat Berset will prüfen lassen, ob zur Eindämmung der stark steigenden Beanspruchung von Ergänzungsleistungen durch Rentner ein Bezugsverbot für die im BVG-Obligatorium gesparten Gelder erlassen werden soll – also für den gesamthaft betrachtet kleineren Teil des Vorsorgevermögens.

Nach Meinung von Martin Eling, Direktor am Institut für Versicherungswirtschaft der Universität St. Gallen, sollte der Kapitalbezug nicht vollständig verboten werden. Es wäre «ein zu massiver Eingriff in die individuelle Freiheit». Eine Reglementierung könne angesichts der Ergänzungsleistungsproblematik zweckdienlich sein. «Sollte man zum Beispiel den Bezug von höchstens 50% des Vorsorgeguthabens pauschal erlauben, oder bestimmte Kriterien definieren? Es bleibt eine Frage, die politisch gelöst werden muss», sagt der Versicherungsspezialist.

Rente zwischen Sockel und «Deckel»

In gesellschaftspolitischer Hinsicht lässt sich mit neutraler Haltung festhalten, dass ein Sockelbetrag des in der zweiten Vorsorgesäule zwangsgesparten individuellen Vermögens zwingend in Rentenform bezogen werden müsste.

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Nur damit wird dem Grundgedanken einer obligatorischen Altersvorsorge treu geblieben, und damit lässt sich auch bestmöglich sicherstellen, dass eine nicht zielkongruente, leichtfertige Verwendung von Vorsorgevermögen durch Einzelne zumindest begrenzt bleibt.

Zugleich sollte mit dem Ziel einer langfristigen Sicherung der Vorsorgeeinrichtungen geregelt werden, dass nur Pensionsvermögen bis zu einem Höchstbetrag bzw. «Deckel» – bspw. 1 Mio. Fr. – in Form kapital- und zinsgesicherter Renten geleistet werden müssen. Überschiessende Vorsorgeguthaben wären zum Pensionierungszeitpunkt als Kapital auszuzahlen.

Jeglicher Kapitalbezug erschliesst Möglichkeiten zur Verwirklichung individueller Vorsorgeideen. Damit verbunden ist auch eine eigenverantwortliche Vermögensbetreuung, mit allen Chancen und Risiken der Kapitalanlage. Ein zumindest teilweiser Bezug des Vermögens lässt sich auch damit begründen, dass Rentenbeträge als Einkommen zu versteuern sind und dass den Vorsorgeeinrichtungen auf laufenden Renten kein Teuerungsausgleich vorgeschrieben ist.

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