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17:08 Uhr - 23.08.2022

Aktien mit einer kräftigen Prise Spekulation

Gerade in Zeiten ungewisser Börsenstimmung können Titel mit wegweisenden Einzelereignissen den Unterschied ausmachen. Eine Auswahl.

Als das Übernahmeangebot öffentlich wurde, sprang der Aktienkurs gleich nach oben. Der Kioskkonzern Valora und der mexikanische Detailhändler Femsa waren sich einig über einen Kaufpreis von 260 Fr. je Valora-Aktie – ein Plus von mehr als 50%. Wer vor noch nicht allzu langer Zeit eingestiegen war, freute sich über einen satten Gewinn.

Jede Aktie kann aufgrund eines wichtigen Einzelereignisses stark reagieren. Selbst Schwergewichte wie Roche haben unter dem Eindruck strengerer Regulierung in den USA sichtbar korrigiert. Vor solchen Events den genau richtigen Zeitpunkt zu treffen, ist in der Praxis allerdings knifflig.

Schwierige Markteinschätzung

Gleichwohl sollten Investoren einige Unternehmen auf dem Radar haben, bei denen ein konkretes Ereignis ein Kursfeuerwerk auslösen könnte. Das ist gerade im jetzigen Umfeld wichtig, da der weitere Verlauf des Gesamtmarkts sehr schwierig einzuschätzen ist. Selbstverständlich hat eine solche Liste eine spekulative Note und ist niemals vollständig.

Unter den verschiedenen Ereignistypen kommen M&A-Transaktionen am häufigsten vor: Fusionen, Übernahmen, Abspaltungen von Unternehmensteilen. Auf die Frage, bei welchen Titeln ein Übernahmeangebot den Kurs antreiben könnte, fällt ein Name meistens zuerst – AMS Osram.

Der Sensorhersteller erfülle mehrere Kriterien, wie verschiedene Analysten und Investoren sagen. Die Bewertung ist günstig und das Interesse an den Österreichern offenbar gross. «Asiatische Chiphersteller schielen nicht zuletzt wegen geopolitischen Spannungen und Lieferkettenproblemen nach Europa, wo AMS eine der wenigen Fabriken betreibt», sagt Simon Götschmann vom Vermögensberater Arkudos.

Wer will die hohen Schulden?

Die AMS-Aktien stehen jedoch nicht zu Unrecht dort, wo sie momentan sind. Eine Kaufofferte ausgeklammert, fehlen aus FuW-Sicht momentan gute Argumente für einen Einstieg. Obwohl die Titel nahe dem Zehnjahrestief handeln.

Auch bei der Versandapotheke Zur Rose könnte der tiefe Kurs ein Übernahmeangebot anlocken. Denkbar wäre ein Käufer aus dem Apotheken- oder Technologiebereich. «Die Frage ist allerdings bei beiden Unternehmen, wer sich die hohen Schulden aufhalsen möchte», sagt Fondsmanager Götschmann. Zuletzt berichtete Bloomberg, das Unternehmen prüfe den Verkauf an Finanzinvestoren.

Starkes Wachstum und mehrfache Verzögerungen bei der Einführung des elektronischen Medikamentenrezeptes im wichtigen Markt Deutschland haben das Ergebnis von Zur Rose belastet und die Aktien zurückgebunden. Nun ist die finanzielle Situation ungemütlich, weshalb auch eine Kapitalerhöhung denkbar ist. So oder so bleibt ein Engagement mit grossen Risiken behaftet.

Den richtigen Zeitpunkt wählen

Andernorts brodelt die Gerüchteküche schon seit Längerem, ob zu Recht oder zu Unrecht. So etwa beim Spezialchemiekonzern Clariant. Mit einer vollständigen Übernahme durch den saudischen Grossaktionär Sabic ist momentan nicht zu rechnen. Das zumindest hat die Konzernleitung aufgrund ihres aktuellen Kenntnisstandes wiederholt gesagt.

Auch beim Bankensoftwarehersteller Temenos hat sich das Gerede über eine Übernahme bisher nicht konkretisiert. Der Aktienkurs ist ein stetiges Auf und Ab. Allgemein müssen sich Anleger fragen, wann der Einstieg rund um eine mögliche Transaktion ideal ist.

«Die oft interessanteste Situation aus Investorensicht ist, wenn ein konkretes Angebot vorhanden ist, der Markt aber am Zustandekommen des Deals zweifelt und die Aktie unter dem Angebotspreis handelt», sagt Portfoliomanager Oliver Scharping vom Vermögensverwalter Bantleon.

«Bereits zum Zeitpunkt von Übernahmegerüchten einzusteigen, empfiehlt sich in der Regel nur, wenn man auch sonst in das Unternehmen investieren würde.»

Er leitet den Fonds «Event Driven Equities», der in unternehmensspezifische Sondersituationen wie Übernahmen, Squeeze-outs, Spin-offs oder Aktionärsaktivismus investiert. Zu einer Merger-Arbitrage kann es kommen, wenn es Zweifel an kartellrechtlichen Fragen oder an der Finanzierung gibt oder wenn ein Konkurrenzangebot erwartet wird. «Bereits zum Zeitpunkt von Übernahmegerüchten einzusteigen, empfiehlt sich in der Regel nur, wenn man auch sonst in das Unternehmen investieren würde», so Scharping weiter.

Am häufigsten schaut sich der Investor Situationen mit Übernahmen und Abspaltungen an. «Nach Spin-offs wie etwa im Fall von Novartis und Alcon entsteht häufig ein technischer Verkaufsdruck.» Grund dafür sei, dass die neuen automatischen Besitzer der Aktien ihre Anteile verkaufen und der Markt die Titel erst noch aufnehmen müsse, etwa, indem Research angeboten werde. «Von solchen Ineffizienzen machen wir Gebrauch. Ebenfalls interessant finden wir, wenn ein aktivistischer Investor mit legitimen Forderungen auftritt.»

Wenn Vekselberg Platz macht

Einflussreiche Einzelereignisse können auch einen ganz anderen Hintergrund haben. Beim Rückversicherer Swiss Re ist von Interesse, inwiefern die Katastrophen-Saison (besonders Hurrikans bis November) von den betriebseigenen Schätzungen – und jenen der Analysten – abweicht. Das kann zumindest temporär auf den Kurs drücken.

Andernorts bieten Bewegungen im Aktionariat Kursfantasie. Die Sanktionen gegen den russischen Investor Victor Vekselberg halten seine Beteiligungen (Medmix, OC Oerlikon, Sulzer, Swiss Steel) nach wie vor zurück. Würde er seine Aktienpakete verkaufen, bestünde die Chance auf neue, verlässliche Investoren und einen höheren Free Float.

Schliesslich können Anleger mancherorts auch direkt auf Good News in Form von höheren Gewinnbeteiligungen wetten. Zum Beispiel bei Swatch Group, wie Investor Götschmann sagt: «Ein Aktienrückkaufprogramm in der Grössenordnung von 1 Mrd. Fr. würde dem Aktienkurs Leben einhauchen, ohne das Unternehmen operativ einzuschränken.» Ungeachtet des möglichen Ereignisses und der involvierten Unternehmen ist bei opportunistischen Käufen das Risiko grösser als anderswo.

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