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13:51 Uhr - 10.07.2020

Jean-Christophe Babin: Gewagter Ritt auf der Corona-Welle

Der CEO von Bulgari hat während der Pandemie Spitäler und Universitäten materiell unterstützt. Es ist eine Gratwanderung zwischen Selbstlosigkeit und PR-Gag.

Nichts wird bei Bulgari dem Zufall überlassen. Als der britische Nachrichten­sender Sky News kürzlich mit Jean-Christophe Babin ein Live-Interview machte, war der CEO in jeglicher Hinsicht bestens vorbereitet. Im Gespräch sollte es um eine finanzielle Kooperation des italienischen Luxusgüterherstellers – bekannt für Schmuck, Uhren, Parfum, Lederwaren – mit der Universität Oxford gehen. Doch schon bei der ersten Antwort hielt er ein Flacon mit Handdesinfektionsmittel ins Bild, das in Grossbritannien landesweit ausgestrahlt wurde. 

Damit spielte der 61-Jährige auf den Anfang der Coronapandemie an, als Bulgari sehr früh reagiert hatte. Babin sorgte dafür, dass angesichts der Misere in Norditalien Produktionslinien, die normalerweise Parfum in Fläschchen abfüllen, auf Handdesinfektionsmittel umgestellt wurden. So stellte Bulgari im April rund 12 000 kleine Fläschchen, die sonst als Parfumdispenser in Fünf­sternehotels eingesetzt werden, mit der wichtigen Flüssigkeit erst Spitälern in Italien, später auch denen in Neuchâtel und La Chaux-de-Fonds zur Verfügung. 

Oft sind solche Aktionen von Unternehmen ein gewagter Spagat zwischen PR-Gag und ehrlich gemeinter Selbstlosigkeit. Mit Blick auf die Misere, die damals in der Lombardei herrschte, nimmt man es dem gebürtigen Franzosen ab, dass er helfen wollte, gegen den Mangel an Desinfektionsmitteln anzukämpfen. ­Babin, der inzwischen den Schweizer Pass besitzt, verschwieg aber auch nicht, dass er durchaus einkalkulierte, dass diese Wohltätigkeit der Marke zugutekommen könnte. «Man kann dies nicht ausschliessen, es wäre ein Nebeneffekt», sagte er im April dem britischen Lifestyle-Magazin «Tatler». 

Offen bleibt jedoch, weshalb sich unter den Luxusmarken vor allem Bulgari, die sich seit fast zehn Jahren unter dem Dach des Giganten LVMH (MC 399.6 -0.07%) befindet, in der Krise derart positiv zu positionieren versuchte. «Bulgari ist im Kern auch heute noch ein traditionelles Familienunternehmen», sagte Babin im Gespräch mit FuW. Die Familie, ursprünglich aus Griechenland nach Italien emigriert, sei stets als grosszügig bekannt ­gewesen. Hilfsbereitschaft sei quasi in der DNA der Marke verankert. 

Überprüfen lassen sich diese Aus­sagen kaum. Weder während der Weltkriege noch in anderen Krisenjahren ist ein besonderes Engagement von Bulgari dokumentiert. Und dennoch nimmt man Babin die Worte ab. Er ist mit seiner Art gewinnend; ein guter Verkäufer, der mit seinem französischen Akzent in ­seinem Englisch viel Charme beweist. 

Eher atypisch für einen CEO in der Luxusbranche ist Babins Lebenslauf. In eine französische Anwaltsfamilie geboren, wuchs er vertraut mit teuren Zeitmessern auf. Sein Vater besass eine grosse Kollektion an Uhren aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Doch Jean-Christophes Interesse lag zunächst darin, die Welt zu entdecken. «Ich wollte damals einen Job finden, der es mir ermöglicht, so viele Länder wie möglich kennenzulernen», schildert Babin seinen Karrierestart. 

So schlug er erst eine Laufbahn bei Boston Consulting Group und dem ­Konsumgüterhersteller Henkel (HEN3 83.32 0.85%) ein, ­bevor er vor zwanzig Jahren Chef der Uhrenmarke Tag Heuer wurde. Am überraschenden Wechsel war seine Frau, mit der er fünf Kinder aufzog, nicht unschuldig. Sie arbeitete damals im Marketing des LVMH-Konzerns und nahm ihren Mann an zahlreiche ­Glamour-Events mit, wo sich dann die richtigen Kontakte ergaben. 

Seine gute Arbeit blieb dem LVMH-Management nicht verborgen. Als vor sieben Jahren Bulgari eine Auffrischung benötigte, machte man Babin den Wechsel vom Genfersee nach Rom schmackhaft. Auch in neuer Umgebung zog er sein Erfolgsrezept durch: Erst in Ruhe eine Auslegeordnung machen, um nachher mit neuen Plänen und mit Vollgas durchzustarten. Etwas anderes ist sich Babin in fast allen Lebenslagen kaum gewohnt. Als langjähriger Ferrarista ist er auch im Privatleben schnell unterwegs – als stolzer Besitzer eines zweiplätzigen Ferrari (RACE 177.56 0.94%) 599.  

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