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06:57 Uhr - 14.12.2015

Wie es mit dem Ölpreis weitergeht

Die Rohölnotierungen sind auf den tiefsten Stand seit sieben Jahren gefallen. Schuld daran ist das anhaltende Überangebot.

Alles rund um den tiefen Ölpreis» Die Kalkulationen der Ölmultis sind möglicherweise schon überholt. Lesen Sie hier den Bericht von FuW-Redaktor Martin Gollmer.

» US-Konsumflaute trotz niedrigem Benzinpreis. Lesen Sie hier den Beitrag von FuW-Redaktorin Tina Haldner.

» Ansteckungsgefahr für die Finanzmärkte. Lesen Sie hier die Analyse von FuW-Redaktor Sandro Rosa.
Manchmal fällt er tiefer, als man denkt: Der Preis für die europäische Rohölsorte Brent ist in diesen Tagen erstmals seit der Finanzkrise unter die Marke von 40 $ pro Fass (je 159 Liter) gerutscht – zuletzt notierte er bei rund 38 $. Amerikanisches Erdöl der Sorte West Texas Intermediate (WTI) kostet mit knapp 36 $ noch weniger.

Damit erwies sich auch die jüngste Erholung als Strohfeuer. Bereits Ende August näherten sich die Preise der 40-$-Marke – damals sorgten sich die Finanzmärkte um China, das gerade den Renminbi abwertete –, worauf jedoch eine Gegenbewegung auf über 50 $ einsetzte. Doch seit Anfang Oktober zeigt der Trend bei den Ölnotierungen wieder nach unten. Allein in den vergangenen vier Wochen brachen sie um nahezu 17% ein.

Neue Quellen

Die Erklärung für die heftigen Abwärtsbewegung ist weniger auf der Nachfrage- als auf der Angebotsseite zu finden. Zwar ist das globale Wirtschaftswachstum nicht berauschend, die Nachfrage nach Erdöl ist aber nach wie vor robust. Massive Verschiebungen waren jedoch auf der Angebotsseite zu beobachten. Die Produktion ist in den vergangenen Jahren stetig angestiegen. Dank enormer technischer Fortschritte bei der Förderung von Schieferöl sind die Vereinigten Staaten zu einem der weltweit grössten Erdölproduzenten aufgestiegen. Gleichzeitig weiteten wichtige Produzenten wie Saudi-Arabien, der Irak und Russland ihre Fördermengen aus. Zudem hat die Organisation erdölexportierender Länder (Opec), die für rund ein Drittel der globalen Produktion verantwortlich ist, an ihrem Treffen von letzter Woche bestätigt, dass das wichtigste Mitglied, Saudi-Arabien, nach wie vor nicht gewillt ist, seine Produktion zu drosseln. Die Strategie scheint darin zu bestehen, die US-Konkurrenz im harten Preiskampf auszuschalten, um den eigenen Marktanteil zu sichern.

Des Weiteren wird die Internationale Atomaufsichtsbehörde (IAEA) am kommenden Dienstag entscheiden, ob sich der Iran mit seinem Nuklearprogramm an die internationalen Vereinbarungen hält. Damit wäre ein wichtiger Schritt getan, dass die Sanktionen der internationalen Gemeinschaft aufgehoben würden.  Einer Produktionsausweitung des Irans stünde kaum mehr etwas im Weg. Angesichts der nachgewiesenen Vorräte von fast 160 Mrd. Fass – ungefähr 10% der globalen Reserven – ist der Einfluss nicht zu unterschätzen. Nur Venezuela, Saudi-Arabien und Kanada verfügen über grössere Vorkommen. Die Internationale Energie Agentur (IEA) beziffert die aktuelle Förderkapazität des Irans auf 3,6 Mio. Fass pro Tag.

Entgegen der ökonomischen Logik hat der Preiszerfall zudem dazu geführt, dass gewisse Länder ihre Fördermengen nicht verringerten, sondern sogar noch ausweiteten. Denn mit den fallenden Notierungen sanken die Einnahmen der erdölexportierenden Länder massiv. Diesen Rückgang versuchten sie mit einem höheren Ausstoss zu kompensieren. Dies wiederum verschärfte die jüngste Preisschwäche – ein Teufelskreis.

Der starke Dollar spielte ebenfalls eine Rolle. In Erwartung einer Zinserhöhung am Treffen des Offenmarktausschusses der US-Notenbank am 16. Dezember hat der Greenback kräftig zugelegt. Dies setzte den Ölnotierungen ebenfalls zu. Die beiden Preisserien bewegen sich oftmals gegenläufig – ein stärkerer Dollar geht einher mit niedrigeren Ölnotierungen und umgekehrt.

Neues Gleichgewicht

Doch langsam scheint der niedrige Preis Wirkung zu entfalten. Die Experten des Analysehauses BCA Research rechnen damit, dass der Ölmarkt bis im dritten Quartal 2016 im Gleichgewicht sein wird. Eine steigende Nachfrage bei einem gleichzeitig weniger kräftig wachsenden Angebot dürften das aktuelle Überangebot in den kommenden Monaten zum Verschwinden bringen.

Eine zentrale Annahme dabei ist, dass die amerikanische Ölproduktion im Vergleich zum Jahreshöchst 2015 um täglich rund 1 Mio.  Fass abnimmt. Erste Anzeichen sind bereits auszumachen. Ausserhalb der USA dürften wegen fallender Investitionen in die Exploration und Produktion rund 1,5 Mio. Fass weniger produziert werden. Damit würde die erwartete zusätzliche Förderkapazität des Irans mehr als kompensiert. Trotzdem dürften Notierungen von 100 $ nicht so schnell wieder Realität werden. BCA rechnet damit, dass sich der Ölpreis in den nächsten drei Jahren zwischen 45 $ und 60 $ bewegen wird.

J. P. Morgan erwartet ebenfalls eine  Erholung. Die Nachfrage hat nicht zuletzt wegen der niedrigen Preise angezogen, während sich in den Ländern ausserhalb der Opec das Angebotswachstum abschwächt. Auch die Analysten der Grossbank erwarten deshalb  eine Normalisierung im dritten Quartal 2016. Für Ende nächsten Jahres rechnen sie mit einem Brent-Preis von 62 $ pro Fass.

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