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09:56 Uhr - 18.10.2016

Ryanair-CFO: «Zürich ist uns viel zu teuer»

Neil Sorahan, der Finanzchef des irischen Billigfliegers, prognostiziert für Ryanair kräftiges Wachstum und höhere Margen.

Die irische Billigairline Ryanair (RYA 11.74 -0.93%) will mit einer aggressiven Preispolitik, einer Verbesserung des Angebots bei weiteren Kostensenkungen und neuen Flugzeugen weiter stark wachsen. Finanzvorstand Neil Sorahan sagte «Finanz und Wirtschaft», es gebe aber keine Pläne, weitere Flughäfen in der Schweiz anzufliegen: «Wir sind in Basel. Zürich ist viel zu teuer.»

Ryanair reduziert Erwartungen für das laufende GeschäftsjahrDie Billigfluggesellschaft Ryanair hat am Dienstag ihre Gewinnerwartungen für das bis März gehende Geschäftsjahr um 5% reduziert. Der Reingewinn werde zwischen 1,30 und 1,35 Mrd. € liegen, erklärte Ryanair-Chef Michael O'Leary.

Zuvor hatte das Unternehmen die Spanne mit 1,375 bis 1,425 Mrd. € angegeben. Gründe seien der Kursverlust des britischen Pfund sowie sinkende Ticketpreise. Durchschnittlich würden diese im Winter um bis zu 15% zurückgehen.

Diese revidierten Geschäftserwartungen hingen allerdings davon ab, dass es keinen weiteren Einbruch des Pfundkurses gebe, sagte O'Leary.
Die Fluggesellschaft will im kommenden Jahr etwa 117 Mio. Passagiere transportieren. 2024 sollen es dann 180 Mio. sein. Die Nettomarge will Sorahan von heute 15 auf 20% steigern. Der Schlüssel dazu seien weitere Preissenkungen. So habe die Airline im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2016/17 (April bis Juni) den Durchschnittspreis pro Sitz von 45 auf 40 € gesenkt. Gleichzeitig sei der Umsatz 2% auf 1,7 Mrd. € gestiegen, weil sich die Auslastung von 92 auf 94% erhöht habe. In puncto Kosten sieht Sorahan Ryanair deutlich besser aufgestellt als etwa Wizzair, EasyJet (EZJ 891.5 2.18%) oder Lufthansa (LHA 10.23 1.54%).

Kostenvorsprung ausbauen

«Unser Kostenvorsprung wird noch wachsen», glaubt der CFO. Zur Begründung nennt er die Bestellung von insgesamt 315 neuen Boeing-737-Maschinen, die 16% weniger Kerosin verbrauchten und acht Sitze mehr hätten. Zudem habe man langfristige Lohnvereinbarungen und keine gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter. Darüber hinaus mache sich der niedrige Treibstoffpreis erst jetzt stärker in der Ergebnisrechnung bemerkbar.

Ryanair hat die Löhne im mittleren und im oberen Management eingefroren. Sorahan bestreitet auf Nachfrage jedoch, Lohndumping zu betreiben und fragwürdige Vertragsverhältnisse mit dem Flugpersonal zu haben. Im Juli untersuchten Polizei- und Zollfahnder Pilotenräume in sechs deutschen Ryanair-Flughäfen wegen des mutmasslichen Steuer- und Sozialversicherungsbetrugs von Partnerunternehmen der Fluggesellschaft. Sorahan unterstreicht, dass die deutschen Steuerbehörden nicht gegen die Fluggesellschaft ermitteln, sondern gegen die Piloten. Im Übrigen kooperiere man gut mit der Staatsanwaltschaft.

Analyst Andrew Lobbenberg von HSBC (HSBA 620.8 1.37%) sieht Ryanair auch aufgrund der Personalstruktur als «sehr kosteneffizient» an, hält jedoch das Verhältnis zu den Beschäftigten für nicht unproblematisch, weil es «womöglich nicht nachhaltig» sei. Nach seiner Ansicht profitierte die Airline in der Vergangenheit ausserdem von «spektakulär günstigen Kaufbedingungen beim Erwerb von Flugzeugen nach den New Yorker Anschlägen vom 11. September 2001».

Die Aktien leiden zwar unter den schlechten Perspektiven der Luftfahrtbranche. Mit einem Rückgang um gut 20% seit Jahresbeginn schneiden die Iren aber deutlich besser ab als Lufthansa, Air France-KLM oder EasyJet. Dazu beigetragen hat auch ein im Juni beendetes Aktienrückkaufprogramm über 886 Mio. €. Insgesamt hat Ryanair seit 2008 für rund 4,2 Mrd. € Titel erworben. Lobbenberg hat das Kursziel dennoch auf 8.50 € reduziert und empfiehlt «Reduzieren».

Die Fluggesellschaft profitiert nicht zuletzt von den Schwächen der Konkurrenz. Air Berlin (AB1 0.73 0.83%) zerlegt sich quasi selbst und wird kräftig schrumpfen. Die Preissensibilität der Mittelschicht und der wachsende Anteil älterer Menschen an der europäischen Gesamtbevölkerung kämen Ryanair zugute, glaubt Sorahan. Ehrgeizige Ziele habe man besonders für Deutschland, wo die Gesellschaft nur die Nummer drei ist.

Hier soll der Marktanteil von 6 auf 15 bis 18% steigen. Mit der Verbindung Berlin–Köln wurde kürzlich eine innerdeutsche Verbindung ins Programm genommen. Der wichtigste deutsche Flughafen soll Berlin-Schönefeld bleiben. Sorahan schloss nicht aus, vom Flughafen Frankfurt/Main zu fliegen, «sofern der Preis stimmt und eine Abfertigung innerhalb von 25 Minuten» möglich sei. «Sag nie nie», meinte der Finanzchef. Frankfurt hatte Billigfluglinien wie Ryanair kürzlich Avancen gemacht.

Gerade erst hat aber auch Konkurrent EasyJet reagiert: Die Airline will am Flughafen Berlin/Schönefeld Ryanair Paroli bieten und dort die Flotte um eine Maschine (A320) auf elf vergrössern. Im Gegensatz zu Ryanair will EasyJet künftig auch Zürich anfliegen.

Perspektiven sind eingetrübt

Nach Ansicht von Analyst Lobbenberg setzt Ryanair auf attraktivere Flughäfen wie Rom Fiumicino, Mailand Malpensa, Köln-Bonn, Brüssel National und Amsterdam-Schiphol. Ausserdem habe Ryanair die «von EasyJet vor Jahren eingeleitete Strategie, Serviceleistungen und die Businessklasse zu verbessern, kopiert».

Ungetrübt sind die Perspektiven aber nicht. Angst vor Terror, der Brexit und Streiks belasten auch den irischen Carrier. Welche Folge der Brexit habe, hänge davon ab, ob die Briten im Open-Skies-Abkommen blieben. Falls nicht, nehme die Unsicherheit zu, und Ryanair werde Verbindungen streichen, sagt CFO Sorahan.

Analyst Gerald Khoo von Liberum hält das «britische Exposure von Ryanair für beherrschbar». In früheren Abschwüngen habe die Gesellschaft davon profitiert, dass sich schwächere Konkurrenten schneller aus dem Markt verabschiedeten.

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