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14:49 Uhr - 08.03.2016

Raiffeisen-CEO: «Wir bezahlen keine Negativzinsen»

Raiffeisen werde nicht als erste Bank Negativzinsen für Privatkunden einführen, sagt CEO Patrik Gisel im FuW-Interview. Eine weitergehende Zusammenarbeit mit Vontobel kann er sich vorstellen.

Über 150 Tage ist Patrik Gisel nun schon Chef von Raiffeisen. Der erste Jahresabschluss als CEO liegt hinter ihm, er hat die Kooperation mit Vontobel (VONN 43.25 0.35%) verlängert und muss nun das Netz an Töchtern und Beteiligungen ordnen, das Vorgänger Pierin Vincenz aufgebaut hat. Im Interview mit «Finanz und Wirtschaft» spricht er über das Geschäft von Raiffeisen im Negativzinsumfeld, den Schweizer Hypothekarmarkt und wie er gedenkt mit dem Erbe Vincenz’ zu verfahren.

Herr Gisel, die Zinsmarge von Raiffeisen ist im vergangenen Jahr erneut gesunken, auf 1,12%. Gibt es sowas wie eine Untergrenze?
Zur PersonPatrik Gisel (53) ist seit dem 1. Oktober 2015 CEO der Raiffeisen Gruppe. Er trat das Erbe von Pierin Vincenz an, dem jovialen Bündner, der die ehemalige Bauernbank zur systemrelevanten Grossbank ausbaute. Gisel obliegt nun die Integration und strategische Aufstellung der Töchter und Beteiligungen Raiffeisens. Doch der passionierte Triathlet ist in der Welt der Genossenschaftsbanken keinesfalls Neubürger. Er war zuvor dreizehn Jahre lang stellvertretender CEO von Raiffeisen und gemäss seinem Vorgänger an allen wichtigen Entscheidungen beteiligt. Davor war er Abteilungs- und Ressortleiter in der IT bei der Schweizerischen Bankgesellschaft (später UBS) in Zürich.

Mit der Machtübernahme Gisels hielt auch ein neuer Stil bei Raiffeisen Einzug. Den roten Teppich im Büro des alten Chefs liess er herausreissen und helles Laminat verlegen. Eine Trennwand musste weichen und am liebsten hätte Gisel die Vorhänge gleich mit fortgeworfen. «Ich mag offene, helle Räume.» Eine Besonderheit im CEO-Büro ist ein grosser Stehtisch für «Sitzungen». So kämen die Leute zu rascheren Entscheidungen. Die Berufung neuer Geschäftsleitungsmitglieder habe ebenfalls die Dynamik verändert. Neben dem Chefposten bei Raiffeisen bekleidet Gisel noch einige Verwaltungsratsmandate. So unter anderem bei den Töchtern Notenstein La Roche und Vescore (jeweils Präsident) sowie den Raiffeisen-Beteiligungen Helvetia, Pfandbriefbank, Arizon, Leonteq und SIX Group.

Patrik Gisel hat Betriebswirtschaft an der Universität St. Gallen studiert und dort auch promoviert. Er wohnt in Erlenbach im Kanton Zürich. Zeit für den Sport finde er immer noch, trotz CEO-Dasein. Ab und an raucht er aber auch gerne mal eine Zigarre mit seiner Freundin. (VA)
Das ist schwer zu sagen. Die Marge wird sicher noch weiter zurückgehen, unter 1%. 80 bis 90 Basispunkte hatten wir schon in der Vergangenheit. Es wird eine Schwelle geben, ab der das Geschäft für gewisse Anbieter nicht mehr profitabel ist. Bei uns läuft die Entwicklung je nach Geschäft sehr unterschiedlich. Aktivseitig, also im Kreditgeschäft, haben wir die Marge leicht ausgebaut.

Dann geben Sie die Negativzinsen an Ihre Kunden weiter?
Aus ökonomischer Sicht ist die Lage einfach. Solange wir die Negativzinsen über Gebühren, Preise oder Margen auffangen können, ist es nicht nötig. Wenn das nicht mehr der Fall ist, dann müssen Negativzinsen weiterbelastet werden.

Sie würden also in Zukunft Negativzinsen weitergeben?
Raiffeisen wird mit Sicherheit nicht die erste Bank sein, die Negativzinsen an Privatkunden einführt. Wie kann ich unseren Kunden erklären, dass sie dafür zahlen müssen, wenn sie uns Geld bringen, und Raiffeisen gleichzeitig Rekordgewinne ausweist? Das geht einfach nicht.

Und was, wenn die Nationalbank den Einlagefreibetrag, der derzeit das Zwanzigfache der Mindestreserve beträgt, senkt?
Das würde uns hart treffen. Wir würden aber sicher nicht als Erste Negativzinsen weitergeben. Auch wenn die SNB (SNBN 1050 0%) den Freibetrag auf den Faktor zehn halbiert. Allerdings besteht für die SNB ein gewisser Druck, den Zins zu senken, ausgehend von der EZB. Das übelste Szenario wäre ein Zins von –1% und eine Senkung des Freibetrags.

Was würde das konkret für Raiffeisen bedeuten?
Die Zinssenkung könnte uns etwa 10% des Geschäftsertrags kosten. Wir haben jetzt einen Freibeitrag von gut 16 Mrd. Fr. und sind nahe an der Grenze. Wird er halbiert, wäre das eine grosse Sache. Nur einen Teil davon könnten wir kompensieren.

Verstehen wir richtig, sie bezahlen bisher keine Negativzinsen an die SNB?
Nein, aktuell bezahlen wir keine Negativzinsen.

Glauben Sie, die SNB senkt bald den Freibetrag?
Ich gehe nicht davon aus, dass sie das tun wird. Die Schweizer Wirtschaft kühlt sich etwas ab, der Franken dürfte sich abschwächen. Es könnte eine gewisse Beruhigung geben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die SNB noch einen draufgibt.

Wenn sich die Schweizer Wirtschaft etwas abkühlt, was heisst das für den Hypothekenmarkt?
Es wird eine Wachstumsabflachung geben, auch bei uns. Aber unser Geschäft ist stabil, die Verpflichtungen dauern Jahre. Das kann auch mal zu einem Nachteil werden, wenn sich die Zinssituation ändert.

Was passiert bei Raiffeisen, wenn die Häuserpreise in der Schweiz 20% fallen?
Nicht viel. Wir hätten natürlich tiefere Deckungen und müssten die Amortisationen mit den Kunden diskutieren. Aber wir fahren nur Finanzierungen mit Belehnungsquoten bis 80% im Normalhäuserbau und bis 66% im Luxus- und Gewerbebereich. Da haben wir viel Spielraum bei Preisverschlechterungen.

Was wäre Ihr Horrorszenario?
Das wäre, wenn eine Blase platzen würde. Daran glaube ich allerdings nicht. Ich rechne mit einer weichen Landung. Einzelne Gegenden werden aber sicher stärker leiden.

Weshalb ist Raiffeisen eigentlich seit Jahren schneller gewachsen als der Markt?
Wir haben über den Vertrieb tendenziell einen Kostennachteil, verständlich bei tausend Bankstellen. Das müssen wir kompensieren mit unserer Nähe zum Kunden. Ich bin überzeugt, dass ein grosser Teil des Wachstums dadurch begünstigt wird. Wir kennen die Situation lokal, können die Objekte beurteilen. Zudem kennen unsere Leute die Kunden, wohnen im selben Ort. Sie finden nirgends einen Hinweis, dass wir über Preis oder Risiko wachsen würden.

Konnten Sie dabei den Grossbanken Marktanteile abnehmen?
Sagen wir es so, die Grossbanken haben eher Marktanteil verloren, Kantonalbanken und wir haben eher Marktanteile gewonnen. Im Moment habe ich das Gefühl, dass sich Grossbanken im Bereich Renditeobjekte aus dem Markt nehmen, das ist ja im Moment auch die heisseste Objektart, mit all den institutionellen Investoren und vermehrten Direktinvestitionen durch Private.

Raiffeisen fährt mit dem Standardrisikomodell und muss im Vergleich zu Grossbanken bei Hypotheken mehr Kapital unterlegen, was ein Nachteil ist. Ist das der Grund, weshalb Sie ab 2019 ein internes Risikomodell mit eigener Risikoberechnung einführen?
Das ist ein Grund. Es ist differenzierter bei einigen Objektarten und Kreditarten. Es spart Kapital, wenn auch die Einsparungen wegen regulatorische Änderungen kleiner geworden sind. Der Wechsel ist sehr teuer, und ich hätte das entsprechende Projekt am liebsten gestoppt. Aber es rechnet sich und ist im Risikomanagement der Bilanz hilfreich.

Ein anderes teures Projekt heisst «Rainbow», zum Bau einer Informatikplattform mit Avaloq.
Ja, das ist eine Riesenübung, brutal ressourcenintensiv, bringt aber erst mal keinen direkten Kundennutzen, da vor allem Infrastruktur erneuert wird. Wir schaffen damit Voraussetzungen. Allerdings muss es auch einmal ein Ende haben, den Hauptteil der Ressourcen für die Schaffung von Voraussetzungen und Infrastruktur einsetzen zu müssen. Wir wollen irgendwann auch mal Funktionen mit direktem Kundennutzen, digitalisierten Prozessen und eine eigentliche Raiffeisen-App-Welt schaffen. Der Hypomat der Glarner Kantonalbank (GLKBN 20.75 0%) ist zwar nicht der durchschlagende Erfolg, aber mit ihrer digitalen Strategie machen sie es durchaus clever. Die haben ihr Denken vorne beim Kunden angefangen. So sollte es sein, aber mit einer alten Infrastruktur geht das einfach nicht.

Wird das neue System bis Ende 2017 stehen oder gibt es Verzögerungen?
Der Terminplan steht. In der zweiten Hälfte 2017 wollen wir migrieren. Es gibt zwar noch grosse Meilensteine bis dann, ganz ausschliessen kann man Verzögerungen nicht. Aber es sollte klappen.

Wenn das auf Kurs ist, weshalb haben Sie dann die Kooperation mit der Privatbank Vontobel verlängert?
Wir wollten eine Normalisierung der Situation. Vontobel hat einen guten Ruf bei den Raiffeisenbanken, die Bank ist ein wichtiger Dienstleister. Ich sehe keinen Grund, mit jemandem nicht mehr zusammenzuarbeiten, der eine gute Leistung bringt. Und Vontobel hatte ein Interesse, uns nicht als Kunden zu verlieren. Die Kooperation ist nicht mehr so eng, wie sie war, ob wieder mehr daraus entsteht, werden wir sehen.

Hat Ihr Vorgänger Pierin Vincenz nicht zu viel Geschirr zerschlagen?
Nein. Es gab gewichtige Meinungsverschiedenheiten. Ich hatte auch keine Freude, als Vontobel uns die Klage anhängte. Jetzt ist das aber vergessen und erledigt.

Als Sie als CEO angefangen haben, stand das ganz zuoberst auf der Liste: Frieden machen mit Vontobel?
Ich wollte einfach sicherstellen, dass die Dienstleistungen von Vontobel weiterhin für Raiffeisen erbracht werden und es keine abrupten Veränderungen gibt. So können wir weiterarbeiten, die Produkte weiternutzen, wir bekommen Brokerage und die globale Wertschriftenverwahrung. Aber die Wertschriftenverarbeitung kommt zu uns, das werden wir wie geplant migrieren.

Waren Sie wegen der Ablösung des Systems unter Zeitdruck?
Nein, dieser Eindruck ist falsch. Wir haben einen Vertrag bis Mitte 2017 und darin heisst es, Vontobel betreibt für uns die Abwicklung, solange bis die Migration abgeschlossen ist. Der einzige offene Punkt ist der Preis nach Mitte 2017. Aber das ist kein Dealbreaker.

Das Universum Raiffeisen umfasst mittlerweile eine Privatbank mit Notenstein La Roche, Asset Management mit Vescore und Leonteq für strukturierte Produkte. Warum braucht es noch Vontobel, wo Sie doch alles unter einem Dach haben?
Wir sind eine offene Plattform. Wir drücken nicht unsere eigenen Produkte in unseren Vertrieb und sagen, die müsst ihr verkaufen. Vescore ist noch nicht sehr prominent, weil die Produkte erst noch entwickelt werden. Notenstein La Roche (ROG 249.1 -0.68%) ist ein Lieferant mit gewisser Exklusivität. Aber wir wollen nicht in die Situation kommen, dass wir nur noch unsere eigenen Produkte verkaufen.

Sie sagten unlängst, Vescore sei die grösste Baustelle im Unternehmen. Was liegt im Argen?
Es ist alles noch in einer frühen Entwicklungsstufe. Erst hatten wir die Strategie mit den Boutiquen, und zentralisierten Hintergrunddiensten. Das hat nicht funktioniert, weil jede Boutique anders aufgestellt ist und kaum eine bereit war, das Modell anzupassen. Zudem waren die jeweiligen Leiter der Boutiquen alle von ihren eigenen Modellen überzeugt, die Diskussionen über Vereinheitlichungen sind nervenaufreibend. Also (ALSN 65.8 -0.3%) haben wir eine Firma, Vescore, gegründet mit einer Führung, die Synergien erzielen soll.

Und das funktioniert besser?
Das ist natürlich strukturell und personell eine Herausforderung. Da wird es auch noch zu weiteren Veränderungen kommen. Wir haben eine Strategie definiert und sind jetzt im Bereinigungsprozess. Es ist ein spezialisiertes Geschäft, das nur ab einer gewissen Grösse funktioniert. Wir sind da noch substanziell zu klein. Wir gehen davon aus, in zwei bis drei Jahren mit Vescore eine Erfolgsstory zu schreiben. Andernfalls müssen wir uns überlegen, ob wir uns mit einem Grossen zusammenschliessen.

Zum Beispiel mit dem Asset Management von Vontobel?
Überlegungen gäbe es, aber die Frage ist, ob das attraktiv für Vontobel ist. Solche Diskussionen haben wir noch nicht geführt. Wir haben nur 10 bis 15% der Kundenvermögen, die Vontobel in diesem Bereich hat. Wir wollen im Moment nicht verkaufen, sondern unsere Strategie umsetzen. Mit Vescore verdienen wir noch kein Geld. Und ich glaube, dass es organisch zu lange geht. Da muss akquisitorisch noch etwas gehen.

Sie kaufen im Asset Management also eher zu als zu verkaufen?
Ja, das ist die Strategie.

Ihre Privatbank Notenstein La Roche hat heute gleich viel Kundengelder wie vor fünf Jahren, als die alte Wegelin gekauft wurde. Da ist nicht viel gegangen.
Das muss man differenzieren. Das Notenstein Asset Management wurde in Vescore transferiert, und im Private Banking sind wir schon gewachsen. Aber ja, das Wachstum hätte besser sein können. Nichtsdestotrotz ist es uns gelungen, was wir vor zwei Jahren wollten. Wir haben die überdimensionierte Struktur und die Kosten angepasst. CEO Adrian Künzi sagt immer, er will sein Institut zu einer der Top drei Banken in der Schweiz machen. Das ist eine grosse Herausforderung, aber es ist gut, wenn ein Chef solche Ambitionen hat. Wir müssen in zwei bis fünf Jahren 40 Mrd. Fr. Kundenvermögen verwalten, dann sind wir nachhaltig rentabel.

Wie wollen Sie das schaffen?
Notenstein La Roche ist jetzt eine Privatbank, mit einem einfacheren Geschäftsmodell als beispielsweise Vontobel. Dort ist das Private Banking eher marginal, bei uns ist das im Fokus. Jetzt lassen wir Notenstein zwei Jahre in Ruhe arbeiten und schauen, was rauskommt. Aber auch hier ist ein Akquisitionsmotiv vorhanden. Wir sind für kleinere Banken wie zuletzt La Roche sicherlich attraktiv.

Sind Sie in konkreten Gesprächen?
Nicht konkret. Wir befinden uns nicht kurz vor einem Abschluss.

Und Adrian Künzi ist weiterhin der Mann für Notenstein?
Ja sicher. Ich halte hier überhaupt nichts von Personalrochaden. Künzi passt extrem gut zu unserer Gruppe. Sie können die besten Leute an die Spitze setzen, wenn sie ihnen nur zwei Jahre Zeit geben, bringt das nichts.

Könnten Sie nicht auch Notenstein mit Vontobels Private Banking zusammenführen?
Ich fände es interessant, mit Vontobel in diesem Bereich über eine weitere Zusammenarbeit zu reden. Ein Verkauf von Notenstein schliesse ich im Moment aber aus, weil Private Banking uns sehr gut ergänzt. Wenn Vontobel aber einmal zum Schluss kommen sollte, das Private Banking aufzugeben wären wir schon interessiert (lacht).

Sie haben gesagt, Raiffeisen müsse an der Effizienz arbeiten. Aber wie geht das, können Sie überhaupt über Schliessungen von Bankstellen entscheiden?
Das kann ich nicht. Im Raiffeisen-Netz müssen Sie sehr viel diskutieren und überzeugen. Dafür arbeiten wir nachhaltig. Die Raiffeisenbanken reagieren selbst schnell auf Marktveränderungen. Wenn eine Geschäftsstelle nur noch existiert, um eine Dorfinfrastruktur aufrechtzuerhalten, dann ist das nicht mehr unsere Aufgabe. Mein Job besteht darin, mit der Gruppe darüber zu diskutieren und die grossen Linien aufzuzeigen.

2015 haben sie zwar Geschäftsstellen geschlossen, aber mehr Leute eingestellt. Das ist nicht effizient.
Wir gehen davon aus, dass wir letztlich statt 300 noch 230 bis 240 Raiffeisen-Banken haben werden mit insgesamt 750 bis 800 Geschäftsstellen. Das geschieht vor allem durch Fusionen. Damit werden die Banken grösser und haben es einfacher, ihre Aufgaben abzudecken. Aber sicher müssen wir die Effizienz auch bei Raiffeisen Schweiz erhöhen. Wir arbeiten an einem neuen Prozessmodell, um schneller reagieren zu können. Und wir werden auch weiterhin Arbeitsplätze schaffen.

Warum machen Sie nicht eine schweizweite Genossenschaft?
Die niederländische Rabobank macht das momentan. Sie fusionieren 110 Genossenschaften zu einer. Dadurch verlieren sie aber das föderalistisch-unternehmerische Modell. Die lokalen und regionalen Chefs kennen die Umstände vor Ort, was ein nachhaltigeres Wirtschaften ermöglicht. Diese Bank-Unternehmer kommen dann auch schnell mal auf uns zu, wenn ihnen etwas nicht passt.

Den Grossbanken wirft man vor sie seien nicht nur too big to fail, sondern auch too big to manage. Trifft das nicht auch auf Raiffeisen zu?
zoomDas glaube ich nicht. Ich war während langer Zeit auch bei Grossbanken tätig. Bei uns haben sie deutlich länger, bis sie überhaupt zu einer Entscheidung kommen. Aber wenn eine Entscheidung gefällt ist, steckt eine unheimliche Geschwindigkeit in deren Umsetzung, da die ganze Gruppe bereits überzeugt ist. Als Gruppenstruktur ist man effizienter, wenn man autonome dezentrale Einheiten hat, denn die Leute denken mehr mit. Unsere Bankleiter warten oft nicht auf eine Entscheidung von uns, sondern reagieren, wenn der Markt es verlangt oder fordern uns dazu auf.

 

Mutter Raiffeisen und ihre Kinderzoom

Die Grossbank von NebenanIn den vergangenen Jahren hat sich die einstige Bauernbank Raiffeisen zur systemrelevanten Grossbank entwickelt – mit beinahe allem, was dazu gehört. Durch ein Netz von Töchtern und Beteiligungen verfügt Raiffeisen heute über eine Privatbank (Notenstein La Roche, 21 Mrd. Fr. verwaltete Vermögen) und ein Asset Management (Vescore, 14 Mrd. Fr. und ResponsAbility, 3 Mrd. Fr.). Über Notenstein La Roche hält Raiffeisen als grösste Einzelaktionärin 29% am Derivatspezialisten Leonteq. Dieses kotierte Unternehmen ist Hauptanbieter für Raiffeisen und Notenstein La Roche im Bereich strukturierter Produkte, und das Volumen soll laut Raiffeisen-CEO Patrik Gisel in den kommenden Jahren ausgebaut werden. Die Beteiligung an Leonteq soll gleichzeitig aber eher sinken.

Im Netz Raiffeisen existiert zudem eine Art KMU-Investmentbanking-Sparte. Das Raiffeisen Unternehmenszentrum will ein schweizweites Netzwerk zum Austausch und zur Beratung von KMU aufbauen. Die Tochter Business Broker ist auf den Kauf und Verkauf von kleinen Unternehmen spezialisiert, und Investnet beteiligt sich an oder übernimmt KMU. Letztere managt auch die Raiffeisen-Tochter KMU Capital, die Eigenkapitalfinanzierung anbietet.

Mithilfe des Gemeinschaftsunternehmens Arizon entwickelt Raiffeisen zusammen mit dem Banksoftwarehersteller Avaloq ein neues System, um den Kunden der Genossenschaftsbanken die neuen Möglichkeiten des digitalen Bankings bieten zu können. Mitte 2017 soll das System stehen, sagt Gisel, der Zeitplan werde eingehalten. Das Thema Allfinanz funktioniert laut Gisel bei Raiffeisen bestens. Über die Raiffeisen Filialen werden die Lebensversicherungen von Helvetia vertrieben. Rund 20% seines Neugeschäfts macht der Versicherer über dieses Bankennetzwerk.

Vergangenes Jahr äusserte der damalige Raiffeisen-CEO und heute Verwaltungsratspräsident von Helvetia, Pierin Vincenz, auf einer Veranstaltung von «Finanz und Wirtschaft» die Überlegung die Unternehmen näher zusammenzubringen. Passiert ist nichts, und auch der neue Raiffeisen-CEO hält wenig davon. Regulatorisch wäre es ein schwieriges Unterfangen, und kulturell seien eine Bank und eine Versicherung zu unterschiedlich. Allerdings findet Gisel die Idee eines gemeinsamen Hypothekarvertriebs interessant, sollte Helvetia einen Überhang an langfristigen Passivgeldern haben.

Mit Vontobel ist die Kooperation bis Ende 2020 verlängert worden. Die Privatbank besorgt das Fondsmanagement und das Wertschriftengeschäft für Raiffeisen. Gisel könnte sich aber vorstellen, im Private Banking oder im Asset Management mit Vontobel enger zusammenzuarbeiten. (VA)

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