Eine Strategie auszuarbeiten, ist leichter, als sie umzusetzen. FuW präsentiert elf Unternehmen, die diesen Beweis erbringen müssen.
» Novartis macht es spannend
» Was Swiss Re mit dem Überkapital macht
» Credit Suisse hat neuen Tritt gefunden
» ABB setzt nun auf Zukäufe, um zu wachsen
» Strebsame Zurich
» Ascom muss sich an der Verkaufsfront beweisen
» OC Oerlikon macht im 3-D-Druck vorwärts
Novartis macht es spannend
Die Ausgangslage
Das Management von Novartis (NOVN 82.75 0.42%) steht unter Druck, zu liefern. Ab 2018 will der Pharmakonzern in eine lang anhaltende Wachstumsphase treten. Vorerst gilt es allerdings, verschiedene Baustellen zu bewältigen. Die Zeichen dafür stehen mittlerweile günstig. Das Herzmedikament Entresto – es muss zusammen mit anderen Wirkstoffen den Umsatzverlust beim patentverlustigen Krebspräparat Glivec ersetzen – scheint trotz Rückerstattungshürden der Versicherer endlich Abnehmer zu finden. Zudem lieferte die Augenheilsparte Alcon im zweiten Quartal nach mehr als zwei Jahren endlich wieder ein Umsatzwachstum in allen Teilbereichen. Noch sind die Probleme der Division nicht gelöst. Zumindest zeichnet sich aber eine Trendwende ab. Die Geschäftsentwicklung ist Entscheidungsbasis für die Zukunft von Alcon. Anfang Jahr erklärte CEO Joe Jimenez, Optionen zu prüfen. Just in dem Moment, in dem Entresto und Alcon langsam auf Touren kommen, ist bei der dritten Sparte, der Generikatochter Sandoz, wegen Preisdrucks aus dem Retailbereich der Umsatz eingebrochen.
Das Szenario
Entresto dürfte bis Ende 2017 rund 500 Mio. $ Umsatz erzielen und damit einen deutlichen Schritt in Richtung Blockbuster machen. Medikamente werden so genannt, wenn sie pro Jahr mehr als 1 Mrd. $ Umsatz generieren. Pharmakonzerne konzentrieren sich meist auf Wirkstoffe mit solchem Potenzial. Glivec zum Beispiel erzielte zu Spitzenzeiten Einnahmen von 4,7 Mrd. $ pro Jahr. Derweil wird Alcon weiter wachsen. Ende 2017 will Novartis sagen, was für die Sparte geplant ist. In Frage kommen ein Verkauf, eine separate Börsenkotierung oder aber – bei genügend gutem Geschäftsgang – doch ein Verbleib im Konzern. Der Sandoz-Umsatz wird im Gesamtjahr weitgehend stagnieren. Die Spezial-Generika werden die Einbussen bei den Retail-Generika nicht wettmachen können.
Die Einschätzung
Novartis ist deutlich vorangekommen. Dass Alcon wieder in der Gesamtheit wächst, ist erfreulich, ebenso der anziehende Erlös von Entresto. Der Konzern ist auf Kurs für Wachstum. Wie es mit Alcon aber weitergeht, lässt sich schwer vorhersehen. Am sinnvollsten wäre ein Verkauf oder eine Kotierung an der Börse. So richtig passt die Sparte nicht in einen Pharmakonzern. Bei Sandoz ist nicht damit zu rechnen, dass der Preisdruck nachlassen wird. Umso wichtiger ist, dass Novartis mit neuen, weniger im Fokus der Versicherungen stehenden Spezial-Generika Erfolg hat. Ob das gelingt, ist nicht sicher. Insgesamt sieht Novartis Zukunft besser aus als noch zu Jahresbeginn. Das reicht den Investoren aber nicht, der Druck auf mehr Rendite wird anhalten. (GRI)
Was Swiss Re mit dem Überkapital macht
Die Ausgangslage
Der Versicherer Swiss Re (SREN 94.05 0.86%) hat zu viel, wovon die Banken eher zu wenig haben: Eigenkapital. Es steht im Wert von 35 Mrd. $ in der Bilanz. Die Solvenzanforderung wird mehr als doppelt erfüllt. Die ordentliche Dividende steht schon auf Rekordstand, und 2012 bis 2014 sind ergänzend Sonderdividenden bezahlt worden. Das Überkapital für Geschäftswachstum einzusetzen, ist gefährlich. In der Katastrophen- und in der Industrieversicherung droht, dass Überkapazitäten die Preise und Renditen dauerhaft aus der Balance kippen.
Das Szenario
Das Management lässt wegen der unerquicklichen Preislage im Stammgeschäft bewusst Neugeschäft aus, das zu wenig lukrativ erscheint. Deshalb ging der Umsatz im ersten Quartal 10% zurück. Die Rentabilitätszahlen blieben auf hohem Niveau. Aber der Bremser im Standardgeschäft ist von den Börsenanlegern dieses Jahr nicht gut aufgenommen worden. Die Konzernleitung versucht nun, die Kapitalstärke des Konzerns für Grossdeals zu nutzen. Dabei geht es darum, mit führenden Erstversicherern ausserhalb des üblichen Rhythmus komplexe mehrdimensionale Rückversicherungsdeals auszuhandeln. Über den Erfolg dieser Verlagerungstaktik wird am
4. August mit den Semesterzahlen Rechenschaft abgelegt.
Die Einschätzung
Für die Versicherungswirtschaft ist das erste Semester glimpflich verlaufen. Katastrophen und andere schwere Schadenereignisse haben gemäss ersten Branchenzahlen Versicherungsleistungen ausgelöst, die unter dem Mehrjahresschnitt ausfielen. Die Schadenbudgets sind aller Voraussicht nach nicht vollständig beansprucht. Unter diesen Umständen könnte es an der Motivation hapern, auf die von Swiss Re feilgebotenen individuellen Grosstransaktionen einzugehen. Aber auch Swiss Re selbst dürfte dank des moderaten Schadentrends kräftige Zweitquartalszahlen vorlegen. Der Umfang des Eigenkapitals bleibt damit ein Luxusproblem. Denn auf einer kleineren Kapitalgrösse liesse sich leichter eine hohe Eigenkapitalrendite erwirtschaften. So würde nicht erstaunen, wenn der Verwaltungsrat von Swiss Re früher als erwartet den nächsten Aktienrückkauf beschlösse. (TH)
Credit Suisse (CSGN 14.94 0.4%) hat neuen Tritt gefunden
Die Ausgangslage
Als CEO Tidjane Thiam 2015 bei CS übernahm, steckte die Bank in einer Sackgasse: Das Investment Banking rentierte nicht mehr, Sparübungen verpufften, und für einen Befreiungsschlag fehlte das Kapital. Thiam organisierte über zwei Kapitalerhöhungen 10 Mrd. Fr. frisches Geld und begann, die Bank neu auszurichten. Künftig steht die Vermögensverwaltung im Zentrum, das Investment Banking dient als Zubringer.
Das Szenario
Nach zu ambitionierten Wachstumszielen hat Thiam letztes Jahr die Gewinnziele der Kernbank nach unten revidieren müssen und, um diese überhaupt noch erreichen zu können, das Sparprogramm verschärft. Aktuell strebt die Bank an, bis 2018 mit der Kernbank einen Vorsteuergewinn von rund 7 Mrd. Fr. zu erwirtschaften. Doch das Management rechnet damit, dass der Abbau der Altlasten das Ergebnis selbst 2018 noch mit 1,4 Mrd. Fr. belasten wird, nach geschätzten 2,4 Mrd. Fr. im laufenden Jahr. Die Kostenbasis soll unter 17 Mrd. Fr. sinken, von 22 Mrd. Fr. vor zwei Jahren.
Die Einschätzung
Nach der anfänglich turbulenten Neuausrichtung hat sich Credit Suisse dieses Jahr stabilisiert. Das Kapitalproblem ist gelöst, und die Quartalsergebnisse stimmen zuversichtlich: Beim Kostenmanagement und dem Abbau der Altlasten ist die Bank auf Kurs. Die Gewinnziele 2018 werden von den Analysten jedoch verhaltener eingeschätzt als vom Management projiziert. Dennoch: Selbst sie erwarten bis 2018 eine Rentabilität der Kernbank, die gemessen am Eigenkapital wieder über den Eigenkapitalkosten liegt. Dies spricht für eine Bewertungssteigerung der Titel auf über Buchwert. Zudem will Thiam die Ergebnisqualität verbessen: weg vom schwankungsanfälligen Investment Banking hin zum verlässlicheren Ergebnislieferanten Wealth Management, was eine zusätzliche Höherbewertung rechtfertigt. Trotz dieser erfreulichen Perspektiven: Der Abbau der Altlasten wird den Gewinnausweis noch über Jahre trüben – und Unfälle gehören bei Grossbanken zum Tagesgeschäft. (RK)
ABB setzt nun auf Zukäufe, um zu wachsen
Die Ausgangslage
Der Elektrotechnik- und Automationskonzern hat immer noch Mühe, den Umsatz zu vergrössern. Das ist kein triviales Problem, denn die immer noch weit verzweigte ABB (ABBN 22.87 0.75%) ist in einer Vielzahl Sektoren und Regionen aktiv. Das spätzyklische Geschäft und die Nachfrage aus Prozessindustrien wie Bergbau und Öl lahmt noch immer. Die frühzyklischen Geschäftsfelder wie Industrieautomation und die Robotik sind dynamischer, aber noch zu klein, um das Konzernwachstum zu tragen. Bislang ein Lichtblick ist die Entwicklung der betrieblichen Profitabilität, die dank Effizienzprogrammen im Rahmen der Next-Level-Strategie stetig verbessert wurde. 2017 hat ABB als Übergangsjahr deklariert, danach sieht der strategische Fahrplan bis 2020 stetige Umsatz- und Gewinnexpansion vor.
Das Szenario
Das Marktumfeld bleibt schwierig, die Beschleunigung des organischen Wachstums braucht noch eine längere Anlaufzeit. Die Stärkung des Industrie-IT- und -Automationsgeschäfts mit dem Kauf von B&R gibt demnach die Richtung vor. CEO Ulrich Spiesshofer hat klar gemacht, dass ABB auf Zukäufe setzen wird, um schneller zu wachsen. GE Industrial Solutions oder die Automationsdivision von L&T werden als Kaufobjekte herumgereicht. Auch das Industrie-IT-Geschäft von Hexagon (HEXA B 399.8 -0.32%) wäre für ABB interessant.
Die Einschätzung
ABB hat die finanzielle Feuerkraft, um milliardenschwere Zukäufe zu stemmen. Ob die Akquisitionen Wert schaffen, lässt sich nur im Rückblick einschätzen. Hexagon oder Teile davon erscheinen mit Blick auf ABBs Digitalisierungsbemühungen attraktiv. Der Kaufpreis wäre auf jeden Fall hoch, auch wenn Spiesshofer versichert, bei Akquisitionen «sehr diszipliniert» vorgehen zu wollen. Aus Anlegersicht und mit Blick auf die Kapitalrendite wäre wünschenswert, wenn ABB nur zukauft, um das Portfolio gezielt technologisch zu stärken. Alles andere wäre sehr risikobehaftet. (EM)
Strebsame Zurich
Die Ausgangslage
Der Versicherer Zurich Insurance (ZURN 297.3 0.85%) will mehr. Die Dividende ist zwar seit Jahren auf ausserordentlich hohem Niveau, aber das beeindruckt die Anleger nicht mehr richtig. Der Aktienkurs dümpelt. Der Verwaltungsrat verlangt deshalb von der Konzernleitung bessere operative Ergebnisse, um die Basis für künftige Dividendenerhöhungen zu schaffen. Im ersten Quartal hat die Zurich-Gruppe jedoch an Gewinnkraft verloren. Früh war informiert worden, dass in Grossbritannien wegen behördlich angeordneter Rückstellungsbildung ein Rückgang resultiert. Das Management verspricht jedoch, abgesehen von dieser Einmalbelastung 2017 von Quartal zu Quartal mehr zu liefern.
Das Szenario
Das Investmentergebnis der Vermögensanlagen, mit denen Zurich die Verpflichtungen deckt, wird wegen der Niedrigzinslage schrumpfen. Im Kundensegment Grossindustrie hält zudem der Preiskampf an. Diesen Erschwernissen steht die gute Nachfrage nach Lebensversicherungen in Lateinamerika entgegen. Doch das wird nicht ausreichen, um in Summe ein nennenswertes Einnahmenwachstum zu erreichen. Bedeutsam ist deshalb, welche Entlastung dem Management auf der Kostenseite gelingt. Zudem wird es darauf ankommen, ob der Verwaltungsrat den erweiterten finanzstrategischen Spielraum zu nutzen versteht. An der Generalversammlung Ende März stimmten die Aktionäre zu, die Zahl der Aktien durch genehmigtes und bedingtes Kapital gegebenenfalls zu verdoppeln.
Die Einschätzung
Anzunehmen ist, dass die Zurich-Gruppe auf der Einnahmenseite weiterhin stagniert. Das kann aber durchaus positiv sein, wenn ein Verzicht auf unattraktive Geschäftsmöglichkeiten die Rentabilität verbessert. Die Chancen dazu stehen nicht schlecht. Im ersten Quartal verbesserte sich die Marge des Schadenversicherungsgeschäfts im Jahresvergleich bereits von 1,9 auf 2,8%. Ausserdem verringert das Unternehmen die Zinsabhängigkeit. Schon 90% der neu abgeschlossenen Lebensversicherungen haben entweder keine Sparkomponenten oder lediglich solche, die der Zurich-Gruppe nur begrenzte Zinsgarantien aufbürden. Finanziell sollte sich auch das Streichen und teilweise Verlagern von Arbeitsstellen auswirken, obschon damit Unruhe in der Belegschaft und allenfalls ein Verlust an Sympathiepunkten verbunden sind. Dann bleibt da noch die Frage, ob sich die Verantwortlichen trauen, die erwähnte Kompetenz zu einer Verdoppelung des Gesellschaftskapitals zu nutzen. Frech wäre es, über einen Aktientausch mit der italienischen Generali (G 15.4 0.46%) zusammenzugehen. Das Paar wäre geografisch und nach Geschäftssparten betrachtet ganz passabel. (TH)
Ascom muss sich an der Verkaufsfront beweisen
Die Ausgangslage
Nach dem Verkauf der Netzwerksparte im Herbst 2016 ist Ascom (ASCN 19.15 0%) jetzt ein fokussierter Anbieter von Kommunikationslösungen für das Gesundheitswesen. CEO und VR-Präsident wurden ausgewechselt, Altlasten aus der Bilanz entfernt. Die OneCompany-Strategie ist im Kern umgesetzt. Um die für 2020 definierten, ambitionierten Umsatz- und Profitabilitätsziele zu erreichen, steht nun die kommerzielle Umsetzung im Fokus.
Das Szenario
Die Wandlung zu einer Verkäuferin von gesamtheitlichen ICT-Lösungen geschieht nicht über Nacht. Ascom dürfte länger als nur das Geschäftsjahr 2017 benötigen, um sich auch kulturell auf das neue Geschäftsmodell auszurichten. Der Gewinn neuer, namhafter Spitalkunden hätte positive Signalwirkung. Der Ausbau des Software-Geschäfts dürfte die Margenentwicklung positiv beeinflussen und könnte die Saisonalität des Geschäfts mindern.
Die Einschätzung
Wie schnell CEO Holger Cordes die «neue» Ascom in Schuss bringt, ist aber offen. Die Erwartungen an das verschlankte, neu aufgestellte Unternehmen sind jedenfalls hoch, vielleicht zu hoch. Anleger sind ungeduldig und wollen schnell operative Verbesserungen und kommerziellen Erfolg sehen. Gewinnen und Implementieren von IT-Projekten im Spitalumfeld sind aber langwierige, komplexe Unterfangen. Geduld ist bei Ascom die wichtigste Ressource. (EM)
OC Oerlikon macht im 3-D-Druck vorwärts
Die Ausgangslage
2015 hat OC Oerlikon (OERL 14.4 1.77%) den Fokus der Strategie verengt. Zum Kerngeschäft zählen seither nur noch die Oberflächenlösungen sowie moderne Werkstoffe und Werkstoffverarbeitung. Damit ist vor allem das Segment Surface Solutions gemeint. Dieses wächst kontinuierlich und wirft Ebitda-Margen von über 20% ab. Neu dazu kommt die Additive Fertigung, der 3-D-Druck auf Metallbasis. Dagegen wird das Getriebegeschäft (Segment Drive Systems) und auf längere Sicht wohl auch das Segment Manmade Fibers verkauft.
Das Szenario
Mit der Additiven Fertigung tut sich für Oerlikon ein potenziell grosses Feld auf. Der Markt für diese neue Herstellmethode von komplizierten Metallstücken, die vor allem für kleinere Mengen geeignet ist, hat eine grosse Zukunft und wächst mit gegen 40% pro Jahr. Bereits werden 3-D-Metallkomponenten etwa in der Turbinentechnik eingesetzt. Dank der Expertise aus dem Oberflächengeschäft kann Oerlikon hier leicht anknüpfen. Als Lieferant von Pulverlegierungen ist sie bereits seit einiger Zeit im Geschäft. Derzeit werden in den USA neue Produktionsstätten aufgebaut, um die Kapazität zu erhöhen. Mit der Übernahme der deutschen Citim gelang der Einstieg in die Herstellung von 3-D-Komponenten im Kundenauftrag. Dieses Geschäftsmodell hat grosse Parallelität zur Oberflächentechnik. Jüngst konnte Oerlikon eine Kooperation mit General Electric (GE 25.44 -0.66%) abschliessen, dem Platzhirsch in Sachen Additiver Fertigung.
Die Einschätzung
Der Aufbau der 3-D-Aktivitäten kommt gut voran, belastet aber die Marge von Oerlikon 2017 mit rund einem Prozentpunkt. Kurzfristig wird die Gewinndynamik deshalb aus den Segmenten Manmade Fibers und Drive Systems kommen müssen. Das hohe KGV von 25 per 2018 zeigt, dass die Erwartungen hoch sind. Dennoch besteht noch Aufwärtspotenzial. (AM)
Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.