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16:51 Uhr - 30.01.2017

Was gegen einen höheren Ölpreis spricht

Die Produktionsbeschränkung der Opec gibt den US-Förderern Auftrieb. Das hat Auswirkungen auf die Preisentwicklung.

Das hätte wohl kaum jemand gedacht: Der Ölpreis hat sich im letzten Jahr verdoppelt. Herrschte vor zwölf Monaten noch Pessimismus, hat die Aussicht auf ein Ende des globalen Überangebots zu einem kräftigen Anstieg geführt.

Mit der Einigung der Organisation erdölexportierender Staaten (Opec) auf preisstabilisierende Massnahmen ist die Hoffnung auf ein Ende der Ölschwemme zurückgekehrt. Gemäss Aussagen der Opec-Mitglieder ist die bis Ende Juni befristete Reduktion der Fördermenge auf gutem Weg. Auch die Staaten ausserhalb des Kartells produzieren weniger. Das sind eigentlich positive Nachrichten für den Ölpreis.

Doch wie nachhaltig ist die jüngste Stabilisierung am Ölmarkt? Zwei Risiken bleiben bestehen. Zum einen ist es fraglich, ob die temporären Opec-Quoten – wenn sich die Mitglieder denn daran halten – den Preis auch mittelfristig stützen. Zudem könnten Ölförderländer ausserhalb des Ölkartells die Ausfälle kompensieren.

Fast zweieinhalb Jahre lang schwemmten die Opec-Staaten den Markt mit Öl. Sie hofften, mit dem tieferen Preis die US-Schieferölproduzenten verdrängen zu können. Doch die fehlenden Öleinnahmen rissen in vielen Ländern ein grosses Loch in die Kasse. Dies, obschon gerade die Golfstaaten dank der grossen Ölfelder deutlich günstiger produzieren können als zum Beispiel Förderer in den USA oder in der Nordsee.

Abkehr vom Preiskampf

Die finanzielle Not zwingt das Ölkartell zur Abkehr vom Kampf um Marktanteile: Die vorläufigen Produktionsangaben der Förderer für den Januar deuten darauf hin, dass sich die Staaten zum ersten Mal seit acht Jahren an eine Förderobergrenze halten, um den Preis zu stabilisieren. Wenngleich offizielle Zahlen erst mit dem nächsten Förderbericht der Opec Mitte Februar erwartet werden, stützen die Aussagen der Mitgliedländer die Notierung.

zoomDenn die Ende November unerwartet beschlossene Drosselung der Produktion könnte gemäss der International Energy Agency (IEA) das weltweite Überangebot kurzfristig reduzieren. Die Förderung soll zwischen Januar und Juni auf 32,5 Mio. Fass begrenzt werden – 1,2 Mio. unter dem Niveau vom letzten November. Nicht-Opec-Förderer sollen zudem gegen 0,6 Mio. Fass weniger produzieren. Die geplanten Einsparungen würden  im ersten und zweiten Quartal zu einem globalen Angebotsdefizit von täglich 0,7 Mio. Fass führen.

Die Situation ausserhalb der Organisation stimmt auf den ersten Blick ebenfalls optimistisch. Russland habe seit Jahresbeginn bereits fast die Hälfte der bis Ende Juni versprochenen 0,3 Mio. Fass am Tag weniger produziert, liess Energieminister Alexander Nowak am Treffen der Förderer in Wien letzten Sonntag verlauten. Das beruht aber nur teilweise auf Freiwilligkeit: Ausserordentlich tiefe Temperaturen machen den Förderern derzeit zu schaffen.

Sollten sich die Aussagen bestätigen, wäre das zumindest kurzfristig dennoch als Erfolg zu werten. Marktbeobachter waren im Vorfeld skeptisch, ob die Mitglieder des Ölkartells dieses Mal die Massnahmen vollständig umsetzen. In der Vergangenheit hatte die Opec angestrebte Produktionsziele wegen nationaler Interessen der Mitglieder regelmässig verfehlt.

Die längerfristige Verpflichtung bleibt aber ein Knackpunkt. Bei einem höheren Preis wird auch die Versuchung grösser, auf Kosten anderer mehr Öl zu exportieren. Das Kartell kennt keine bindenden Abmachungen oder Sanktionen. Die Versprechen können jederzeit gebrochen werden. Laut Nitesh Shah, Rohstoffexperte beim ETF-Anbieter ETF Securities,  könnten sich zudem einige Förderer mit dem jetzigen Preis zufrieden geben. Das macht eine Verlängerung des Abkommens beim offiziellen Jahrestreffen der Organisation Ende Mai unwahrscheinlicher.

US-Förderer im Aufwind

Und der jüngste Preisanstieg freut die US-Produzenten: Sie könnten besonders profitieren. Denn gerade die flexible, aber teurere Schieferölförderung lässt sich in wenigen Wochen ausbauen – und auch wieder herunterfahren.

zoomWährend der Preis ins Bodenlose fiel, reduzierten die Förderer in den USA ihre Produktion drastisch. Von Mitte 2014 bis Anfang 2016 wurden 80% der amerikanischen Bohrstellen (Rigs) abgestellt. Das Fördervolumen ging 12,5% auf 8,4 Mio. Fass am Tag zurück.

Doch jetzt bauen die US-Ölunternehmen ihre Produktion praktisch täglich weiter aus. Mit zwischen 50 und 60 $ je Fass können die meisten Schieferölanlagen wieder rentabel betrieben werden. Die Anzahl aktiver Rigs ist daher in einem Jahr bereits um 65% auf über 550 gestiegen.

Das Energieberatungsunternehmen Wood Mackenzie geht davon aus, dass die US-Ölkonzerne ihre Investitionen im laufenden Jahr deutlich anheben. Die Kapitalausgaben für Bohrprojekte könnten bis zu 30% steigen. Dadurch soll die US-Produktion bis auf 9,2 Mio. Fass zunehmen.  Der Anstieg in den USA dürfte die Pläne der Opec somit teilweise durchkreuzen. Selbst bei einer Umsetzung der Massnahmen würde das Angebotsdefizit kleiner ausfallen als prognostiziert.

Das beschränkt das Preispotenzial. Die Schätzungen der Analysten für das laufende Jahr liegen im Schnitt bei gut 50 $. Rohstoffexperte Shah hält einen durchschnittlichen Preis auf dem heutigen Niveau für realistisch, selbst wenn die Disziplin des Ölkartells im Jahresverlauf nachlassen sollte. Ausschläge über 60 $ je Fass sind aber angesichts der Situation in den USA mittelfristig unwahrscheinlich.

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