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07:00 Uhr - 30.06.2014

BIZ fordert die richtigen Reformen

Es komme nicht mehr auf geld- und fiskalpolitische Impulse an, schreibt die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. Das Wichtigste seien fortan Reformen auf der Angebotsseite.

Mahnende Worte aus Basel: «Die Politik muss über ihren traditionellen Fokus auf den Konjunkturzyklus hinausgehen und eine längerfristige Perspektive einnehmen», schreibt die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in ihrem am Sonntag erschienenen Jahresbericht. Nicht nur die überschuldeten Länder in Südeuropa sind zum Handeln verdammt. Die Rückkehr zu einem nachhaltigen Wachstum erfordere in allen Ländern gezielte Massnahmen, unabhängig davon, ob sie von der Krise betroffen seien oder nicht.

Skepsis gegenüber dem neuen Kurs der EU

Die BIZ erklärt
Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) ist die Dachgesellschaft aller Zentralbanken. Sie dient ihnen darüber hinaus auch als Bank. Mitglieder sind ausschliesslich Notenbanken. Sie fungiert als Gastgeber für Treffen von Zentralbankvertretern, u.a. die zweiwöchigen Beratungen der Chefs der wichtigsten Notenbanken. Ausserdem leitet sie die Aufsichts- und Regulierungsarbeit für den globalen Bankensektor (Basel III etc.). Der Reingewinn der Behörde für das am 31. März abgeschlossene Geschäftsjahr beträgt 419,3 Mio. Sonderziehungsrechte (0,565 Mrd. Fr.), verglichen mit 895,4 Mio. SZR (1,2 Mrd. Fr.) im Vorjahr.
In den Krisenländern müsse mehr Gewicht auf die Bilanzsanierung und strukturelle Reformen gelegt werden. Die BIZ macht es nicht mehr vom Einsatz der Zentralbanken abhängig, ob sich die Wirtschaft erholt. Es komme weniger auf geld- und fiskalpolitische Impulse an, schreibt sie. Das Wichtigste sei die Angebotsseite: Eine gute Strategie bestehe nicht so sehr darin, das Wachstum um jeden Preis anzukurbeln, sondern die wachstumshemmenden Einflüsse zu beseitigen. Die Analyse der BIZ-Ökonomen liest sich wie eine Replik auf die am Freitag am EU-Gipfel geführte Debatte. Dort forderten zahlreiche Regierungen, u.a. Italiens und Frankreichs, dass die Sparauflagen des Stabilitätspakts gelockert werden, um finanziellen Spielraum für konjunkturpolitische Impulse zu schaffen.

Länder, die von der Finanz- und Schuldenkrise verschont geblieben seien, sollten darauf hinarbeiten, die Finanzbooms, die ihnen derzeit ein solides Wirtschaftswachstum ermöglichten, einzudämmen. Sie müssten sich für einen möglichen Abschwung wappnen, schreibt der BIZ-Ökonomenstab und denkt dabei nicht nur an viele Schwellenländer, sondern auch an manches prosperierende Industrieland, z.B. die Schweiz.

Finanzmärkte im Banne der Geldpolitik

Mit Sorge beobachtet die Hausbank der Zentralbanken die Hausse an den Finanzmärkten. Sie spricht von einer nur begrenzt nachvollziehbaren Abkopplung der Marktdynamik von den zugrundeliegenden wirtschaftlichen Entwicklungen weltweit. Die Märkte reagierten besonders empfindlich auf den tatsächlichen und den erwarteten Kurs der Geldpolitik.

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Darüber hinaus sei den Zentralbanken zu lange zu viel aufgebürdet worden. Nach so vielen Jahren ausserordentlicher monetärer Expansion bestehe inzwischen die Gefahr, dass die Normalisierung zu spät und zu langsam vonstattengehe. Gleichzeitig legten Anleger in ihrem Streben nach Rendite eine grosse Risikobereitschaft an den Tag. Das unterstreiche auch die tiefe Volatilität an den Aktien-, den Anleihen- und den Devisenmärkten. Ein gefährlicher Cocktail in den Augen der Basler Zentralbanker.

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Die BIZ macht keinen Hehl daraus, dass Aktien inzwischen überbewertet sind. «Als die wichtigsten Aktienindizes der fortgeschrittenen Volkswirtschaften Rekordhöhen erreichten, stiegen die Kurse stärker als das erwartete Wachstum der zugrundeliegenden Fundamentalfaktoren», ist zu lesen. Konventionelle Messgrössen wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis oder Tobin’s Q seien über ihren längerfristigen Durchschnitt gestiegen. Das konjunkturbereinigte KGV für den S&P 500 übetreffe den Durchschnitt der vorangegangenen fünfzig Jahre. Die Kurse europäischer Aktien hätten vergangenes Jahr 15% zugelegt, obwohl die Wirtschaft kaum wachse und die erwarteten Gewinne um 3% zurückgegangen seien.

Banken im Hintertreffen

Wie nicht anders zu erwarten lobt die BIZ Banken dafür, finanziell solider geworden zu sein. Eigenkapital wurde aufgebaut, das Geschäftsmodell vielfach stärker auf das traditionelle Bankgeschäft ausgerichtet. Trotzdem verfügten viele Institute weiterhin über Schwachstellen in ihrer Bilanz.

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Hinzu kommt ein neues Phänomen im Bankgeschäft: die marktbasierte Intermediation. Weil sich die Banken oft nicht so günstig refinanzieren könnten wie einige ihrer Firmenkunden, seien Kapitalanlagegesellschaften (KAG) in den letzten Jahren rasant gewachsen und zu einer bedeutenden Finanzierungsquelle geworden. Die insgesamt von ihnen verwalteten Mittel belaufen sich gemäss BIZ auf mehrere Dutzend Billionen Dollar. Dabei habe die Konzentration in dem Sektor markant zugenommen.

Produktivität muss gefördert werden

Dass die Finanzkrise weiterhin lange Schatten wirft, unterstreicht die BIZ anhand des Produktionstrends in den einzelnen Ländern. Die Produktion liegt fast überall unter dem Niveau, auf dem sie sich befände, wenn der Vorkrisentrend angehalten hätte: in den USA um 12%, in Grossbritannien um 18%, in Spanien sogar um 29%.

Die BIZ betont vor allem die Investitionsschwäche in den Industrieländern. «Die Nachfrage kann nur durch eine Erhöhung der Produktionskapazitäten der Wirtschaft nachhaltig angekurbelt werden», ist zu lesen. Die Hemmnisse für produktive Investitionen und für eine Reallokation von Ressourcen müssten abgebaut werden. Das sei vor allem deshalb unverzichtbar, weil das Produktivitätswachstum abnehme. Interessant dabei: Der Produktivitätsttrend bildete sich bereits lange vor der Finanzkrise zurück, was aber von positiven Wachstumsimpulsen des damaligen Finanzbooms verschleiert wurde.

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Ohne eine Erholung der Produktivität seien die Aussichten für das Produktionswachstum trübe. Denn der demografische Wandel in den Industrieländern stelle eine bedeutende Wachstumsbremse dar. Der Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter sinkt im Euroraum und in Japan. In den USA und in Grossbritannien errreichte er gerade vor dem Ausbruch der Finanzkrise seinen Höhepunkt.

Die BIZ mahnt auch deshalb die Regierung eindringlich, sich für eine Steigerung des Produktivitätswachstums in ihren Ländern einzusetzen. Konkret heisst das, Verzerrungen im Steuersystem abzuschaffen, die Bürokratie zu redimensionieren und übermässige Regulierung abzubauen.

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