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20:08 Uhr - 15.06.2016

Das Fed gibt (noch) nicht auf

Sorgen um den Arbeitsmarkt und die Angst vor dem Brexit halten die US-Notenbank von einer Zinserhöhung ab. Dennoch signalisiert sie für dieses Jahr weiterhin zwei Schritte. Selbst im Vorsitz der Notenbank glauben jedoch immer weniger daran.

Die amerikanische Notenbank kommt mit der Normalisierung der Geldpolitik nicht vom Fleck. «Die jüngsten Konjunkturindikatoren sind gemischt ausgefallen», sagte Fed-Chefin Janet Yellen am Mittwoch an der Pressekonferenz. «Das legt nahe, dass unser vorsichtiger Ansatz bei der Adjustierung der Zinspolitik angemessen bleibt», fügte sie hinzu.

Erwartungsgemäss hat die US-Notenbank das Zielband für die Federal Funds Rate an ihrer Sitzung unverändert auf 0,25% bis 0,5% belassen. Wie aus den Prognosen der Mitglieder im Fed-Vorsitz hervorgeht, rechnen sie im Durchschnitt für dieses Jahr nach wie vor mit zwei Zinserhöhungen. Inzwischen prognostizieren aber bereits sechs der insgesamt fünfzehn Mitglieder, dass es 2016 nur zu einem Zinsschritt kommt. Bei der letzten Publikation der Prognosen im März schätzte nur ein Vertreter des Fed die Lage so vorsichtig sein.

Risikofaktor Brexit

Grund zum Abwarten gibt den Währungshüter die Abstimmung in Grossbritannien über einen Austritt aus der Europäischen Union. «Das war klar ein Faktor, der sich auf unseren Entscheid ausgewirkt hat», sagte Yellen. Der Urnengang vom 23. Juni «könnte Konsequenzen für die Weltwirtschaft und die globalen Finanzmärkte haben», fügte sie hinzu. Ein Austritt würde demnach möglicherweise auch die Konjunkturaussichten in den USA beeinträchtigen.

Zentral im Beschluss des Fed-Vorsitzes war ebenso die Abkühlung im amerikanischen Arbeitsmarkt. Im Mai sind nur 38’000 neue Stellen hinzugekommen, was weit unter den Erwartungen lag. Auch für April und März wurde das Jobwachstum deutlich nach unten revidiert. «Die Informationen seit der letzten Sitzung vom April deuten darauf hin, dass sich das Tempo der Aufhellung am Arbeitsmarkt verlangsamt hat, währen das Wirtschaftswachstum generell angezogen hat», heisst im Statement der Notenbank.

Nach der Konjunkturdelle im ersten Quartal prognostiziert der Vorsitz des Federal Reserve für 2016 ein Wirtschaftswachstum von 2%. Das, nachdem er bisher mit 2,2% gerechnet hatte. Unverändert bleibt mit 4,7% der Ausblick für die Arbeitslosenquote bis Ende Jahr. Die Vorhersage für die Kernrate zur Inflation wurde leicht von 1,6 auf 1,7% nach oben revidiert.

Die Zeit wird knapp

«Für das Federal Reserve ist es verlockend abzuwarten, bis etwas mehr Informationen vorhanden sind und etwas mehr Sicherheit zu den Konjunkturaussichten besteht», sagt Vincent Reinhart, Chefökonom von Standish Mellon Asset Management. «Damit besteht aber auch das Risiko, dass dem Fed die Zeit davon läuft», meint Reinhart im Gespräch.

Der Volkswirt, der lange für die US-Notenbank gearbeitet hat und unter anderem die Geldmarktdivision des Fed leitete, erwartet deshalb, dass die US-Notenbank dieses Jahr wie geplant zwei Zinsschritte machen wird. «Das bedeutet also zuerst entweder im Juli oder im September und dann erneut im Dezember», erläutert Reinhart. Voraussetzung dafür sei aber, dass Grossbritannien in der EU bleibe und der Jobmarkt in den USA wieder an Dynamik gewinne.

Rally am Bondmarkt

Wallstreet reagierte auf die Nachrichten aus dem Federal Reserve mit einem leichten Schulterzucken. Der US-Leitindex tendierte am Mittwoch nach dem Zinsentscheid fester, sackte dann aber unmittelbar vor Handelsschluss ins Minus ab. Der Dollar stand unter Druck und die Rendite auf zehnjährige Staatsanleihen sank weiter um einen Basispunkt auf 1,60%. Sie bewegt sich damit auf dem tiefsten Stand seit dem Sommer 2012, wobei sich Preise und Zinsen am Bondmarkt in entgegengesetzter Richtung verhalten.

Auch an den Terminmärkten in Chicago hat sich die Ausgangsituation wenig verändert. Gemäss den Futures-Kontrakten auf die Federal Fund Rate beziffern Investoren die Chancen für eine Zinserhöhung beim nächsten Fed-Entscheid vom 27. Juli auf lediglich 12%. Die Wahrscheinlichkeit für einen Schritt am Dezember-Treffen ist inzwischen sogar unter 50% gefallen.

Den Beschluss, mit einer geldpolitischen Straffung abzuwarten, haben die zehn stimmberechtigten Fed-Mitglieder einstimmig gefällt. Angeschlossen hat sich dieser Meinung auch Esther George, Präsidentin des Notenbankdistrikts Kansas City, die an der letzten Sitzung für eine Zinserhöhung votierte.

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