Dank der Designs von Jean Robert eroberte die Swatch die Welt im Sturm.
Ein verregneter Herbsttag, 1981, in New York: Max Imgrüth, Chef des Schweizer Uhrenkonzerns Asuag in den USA, und CEO Ernst Thomke treffen den Chef des Kaufhauses Bloomingdale’s. Der hat schlechte News: Bloomingdale’s werde ihre Uhren nicht länger vertreiben. Auf Thomkes Frage nach dem Warum greift er an seine Krawatte und sagt: «Bei Uhren sollte es um Mode gehen, nicht um Zeit. Es braucht alle sechs Monate etwas Neues.» Eine bittere Pille für jemanden, in dessen Welt Uhren Generationen überdauerten. Erst recht für ein Unternehmen am Rande des Bankrotts.
Thomke tüftelt zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als ein Jahr an einer Plastikuhr. Als er die Idee 1982 dem Asuag-Verwaltungsrat präsentiert und 3 Mio. Fr. beantragt, erntet er Skepsis – doch er erhält grünes Licht. Schon sechs Monate später ist Thomke kurz davor, aufzugeben. Der Probelauf in San Antonio, einem Versuchsmarkt für die Lancierung der Swatch, enttäuscht. Die Kundschaft ist zwar beeindruckt vom schlanken Design und dem günstigen Preis. Doch die ersten beiden Modelle kommen in Schwarz und Olivgrün daher – Langeweile pur.
Thomke besinnt sich auf den Rat des Bloomingdale’s-Chefs und arrangiert ein Treffen mit seinem Freund Balthasar Meier, Besitzer der erfolgreichen Damenstrumpfmarke Fogal. Der empfiehlt seinen talentierten unabhängigen Designer Jean Robert.
Robert stammte aus La Chaux-de-Fonds, einer Urstätte der Schweizer Uhrenindustrie. Nach der Ausbildung zum Graveur arbeitete er als Grafiker bei Pirelli in Mailand, später bei Pentagram Design Studio in London. 1977 liess er sich mit seiner Frau Käti Durrer in Zürich nieder, wo sie ein Studio gründeten und fortan für Marken wie Hannes B., Fogal und Hanro arbeiteten.
Thomke merkt bald, dass es Roberts Talent ist, das hinter Fogals erfolgreichem Wandel steht. Die Fogal-Strümpfe bieten eine überwältigende Palette an Farben und Modellen. Thomke engagiert ihn und erklärt ihm, Swatch müsse an ihrer Farbpalette arbeiten. Robert widerspricht: Es brauche mehr. Er schlägt vor, Design, Verpackung und Verkauf anders anzugehen, je nach Kundengruppe. Robert arbeitet an der Gestaltung der Zifferblätter, der Verpackung, der Präsentation im Verkaufsraum. Die ersten 350 Modelle, von 1983 bis 1989, tragen seine Handschrift. Sie verkaufen sich über 100-Mio.-mal.
Roberts Designs verhelfen der Swatch zum Erfolg. In den besten Zeiten stehen die Kunden stundenlang Schlange, übernachten vor den Geschäften, um das neueste Modell zu ergattern, ähnlich wie heute beim Verkaufsstart eines iPhone. 1992 geht die hundertmillionste Swatch über den Ladentisch, und Nicolas G. Hayek wird als «Mr. Swatch» berühmt: Mit drei, vier Swatch-Uhren am Arm wird er nie müde zu betonen, wie wichtig Emotionen beim Produktdesign seien.
Der Erfolg hat viele Väter, wie es so schön heisst, doch die Schweizer Uhrenindustrie hat enorm viel einem jungen, introvertierten Designer aus La Chaux-de-Fonds zu verdanken. «Jean Robert hat ungeheuer viel bewegt. Er hat unsere ganze Einstellung verändert. Er hat uns überzeugt, etwas zu wagen», sagt Ernst Thomke heute.
Jean Robert starb Ende November im Alter von 71 in Zürich an Krebs.
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