Für Saxo-Bank-Chefökonom Steen Jakobsen steht heute Abend auch die Glaubwürdigkeit der US-Notenbank auf dem Spiel. Anlegern rät er, Aktien und Anleihen zu verkaufen.
Die US-Notenbank Fed wird heute Abend mit grosser Wahrscheinlichkeit die Erhöhung des Leitzinses ein weiteres Mal vertagen. Das könnte ein Fehler sein. «Sie riskiert damit weiter ihre Glaubwürdigkeit», sagt Steen Jakobsen von Saxo Bank. Der Chefökonom des dänischen Online-Brokers ist überzeugt: «Ein Zinsschritt heute Abend wäre das Beste, was die US-Notenbank für ihre Glaubwürdigkeit tun könnte.»
Es wäre ein gesunder Paradigmenwechsel, erläutert Jakobsen. Seit Alan Greenspan richte sich die US-Geldpolitik nach dem Aktienmarkt, auch wenn das natürlich niemand sage. «Der Markt weiss es und hat sich darauf eingestellt.»
Doch was hat sie damit erreicht? «Der Aktienmarkt ist zwar auf Rekordhoch. Doch die Produktivität befindet sich auf Rekordtief und die Vermögensungleichheit ist so gross wie nie», fasst Jakobsen die Wirkung der expansiven Geldpolitik zusammen.
Zinsen müssten schon längst höher sein
Im Dezember letzten Jahres hat das Fed zum ersten Mal seit 2006 den Leitzins erhöht. Seither hält die US-Notenbank das Zielband zwischen 0,25% und 0,5%.
Für Jakobsen ist das viel zu wenig: «Wenn sich das Fed strikt an das Mandat von Vollbeschäftigung und Preisstabilität halten würde, müssten die Leitzinsen schon heute viel höher sein.»
Und nicht nur das: Mit einer Zinserhöhung noch vor den US-Präsidentschaftswahlen hätte das Fed die Möglichkeit, seine Unabhängigkeit unter Beweis zu stellen, sagt Jakobsen, der sich selbst als liberalen Ökonomen bezeichnet.
Doch er befürchtet, dass es im gleichen Stil weitergehen werde wie bisher. «Immer mehr vom Gleichen», laute die Devise der Zentralbanken. Die Bank of Japan habe es vorgemacht.
Die japanische Zentralbank verzichtet laut Ankündigung von heute Nacht auf eine weitere Senkung des Negativzinses, will aber gleichzeitig die Zinskurve stärker beeinflussen. Durch die sogenannte Yield Curve Control soll die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen auf dem heutigen Niveau von rund 0% gehalten werden.
Auch Clinton steht für Kontinuität
«Mehr vom Gleichen» sei auch zu erwarten, wenn Hillary Clinton die Präsidentschaftswahlen gewinne, sagt Jakobsen. Er sei kein Fan von Trump, doch ein solcher Bruch könnte auch positive Entwicklungen zur Folge haben. «Ein disruptiver Schock statt Kontinuität».
Unabhängig von der Zentralbankpolitik sei klar, dass die Kapitalkosten allmählich wieder steigen. Schon seit längerem sei auch eine Zunahme der Korrelation zwischen den Anlageklassen zu beobachten. Alles bewege sich im Gleichschritt. Zudem berge der Herbst voller Abstimmungen und Wahlen Sprengkraft.
In diesem Umfeld würde Jakobsen das Geld so defensiv anlegen wie möglich. «Alles reduzieren ausser Cash», lautet sein Rat.
Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.