Zurück zur Übersicht
13:56 Uhr - 30.07.2015

Das Eigenkapital der SNB schmilzt

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) wird am Freitag tiefrote Zahlen für das zweite Quartal ausweisen. Geht es so weiter, muss sie neues Kapital aufnehmen.

Für das vergangene Quartal werde die Schweizerische Nationalbank einen Verlust von knapp 20 Mrd. Fr. ausweisen, veranschlagt Dominik Studer, Ökonom bei UBS (UBSG 22.18 0.82%). Die SNB (SNBN 1115 -0.89%) publiziert die Semesterzahlen am kommenden Freitag. Im ersten Quartal hatte der Verlust gar 30 Mrd. Fr. betragen. Hauptgrund für die rekordhohen Einbussen ist die Aufhebung des Mindestkurses am 15.  Januar, womit der Wert der Fremdwährungsreserven markant abnahm. Einen Halbjahresverlust von 50 Mrd. Fr. gab es noch nie.

Gänzlich ungewohnt sind solche Zahlen dennoch nicht, denn seit dem Ausbruch der Eurokrise im Frühling 2010 erlitt die SNB vier Quartalsverluste von mehr als 10 Mrd. Fr. Aufgefangen wurden sie durch fünf ebenso hohe Gewinne. Deswegen war das Eigenkapital im Verhältnis zur Bilanzsumme 2014 etwa gleich gross wie 2010. Doch nun schmilzt das Polster.

Weitere Verluste mit Devisen

Zuoberst auf der Rangliste der Verluste standen bisher 18,5 Mrd. Fr., verbucht vor zwei Jahren. Im April 2013 brach der Goldpreis abrupt ein und sank dann weiter. Im Mai sagte Fed-Chef Ben Bernanke, das Anleihenkaufprogramm werde womöglich früher gedrosselt als gedacht – die Zinsen stiegen und Anleihenkurse fielen.

Den grossen Verlusten standen hohe Gewinne gegenüber, allen voran 16,6 Mrd. Fr. im dritten Quartal 2011 dank der Einführung des Mindestkurses, die den Franken schwächte. Besonders hoch war der Jahresgewinn 2014 von 38 Mrd. Fr. Dieses Polster ist jetzt wichtig.

Mit dem Frankenschock im Januar ­verloren alle Fremdwährungen im Portefeuille der SNB an Wert. Der Wechselkursverlust betrug 41 Mrd. Fr. Zudem sank der Goldpreis. Der Gesamtverlust wurde durch Kursgewinne auf Aktien und Obligationen verkleinert. Im zweiten Quartal lagen dann sämtliche Vermögenswerte der SNB im roten Bereich,  erklärt Studer: «Sowohl die relevanten Wechselkurse als auch der Goldpreis sowie die Kurse von Aktien und Anleihen entwickelten sich für die SNB unvorteilhaft.» Lediglich die Dividenden und der Zinsertrag hielten dagegen.

Mit den Verlusten ist das Eigenkapital geschrumpft. Es beträgt nach dem erneuten Quartalsverlust gemäss Studer bloss noch 40 Mrd. Fr. Das sind rund 7% der Bilanzsumme. Diese ungewichtete Eigenkapitalquote (Leverage Ratio) ist im historischen Vergleich äusserst tief. 2006 bestand die Bilanz zu über 50% aus Eigenkapital. Dann wuchs die Bilanz, weil die SNB in der Finanzkrise 2007 und 2008 den Frankengeldmarkt mit Liquidität flutete und ab 2009 am Devisenmarkt intervenierte. Ende 2009 machte das Eigenkapital noch rund 30% der Bilanz aus.

zoom

Das Polster wird dünner

Gegen die Erosion des Eigenkapitals kann die Nationalbank nicht allzu viel unternehmen. Das liegt in der Natur der Sache: Die SNB ist nicht gewinnorientiert, ihre Bilanz ist eine Folge der Geldpolitik. Die Devisenreserven sind über Währungen diversifiziert, das parierte den Frankenschock aber nicht. Unter den Anlageklassen sind neben Anleihen auch 18% Aktien, deren Kursgewinn im ersten Quartal geholfen hat.

Der Semesterverlust ist so gross, dass kaum Aussicht auf einen Jahresgewinn 2015 besteht. Kantone und Bund müssen sich darauf einstellen, dass sie keine Gewinnausschüttung erhalten.

Sinkt das Eigenkapital weiter, könnte es negativ werden. Das muss kein Problem sein, Chiles und Tschechiens Notenbanken haben trotz jahrelang negativem Eigenkapital erfolgreich die Inflation bekämpft. Doch SNB-Präsident Thomas Jordan sagte in einer Grundsatzrede 2011, ein lang anhaltender Zustand mit negativem Eigenkapital bringe trotzdem Probleme mit sich. Langfristig gefährde er die Glaubwürdigkeit und die Unabhängigkeit.  Für Bund und Kantone wäre es ein böses Erwachen, wenn sie zahlen müssten, um das Eigenkapital der SNB aufzustocken.

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.