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15:08 Uhr - 29.04.2016

Alpiq-VRP: «Ebners Wette wäre viel riskanter»

Jens Alder, Verwaltungsratspräsident des Stromkonzerns, reagiert auf Kritik des Aktionärs Martin Ebner am geplanten Verkauf von Wasserkraft-Assets und sagt, warum das Unternehmen an der Börse bleibt.

Seit einem Jahr ist Jens Alder Verwaltungsratspräsident von Alpiq (Alpiq 66.7 0.98%). Der frühere Swisscom-CEO setzt auf den anteiligen Verkauf von Wasserkraftwerken, um bilanzielle Probleme zu lösen. Der Kritik des Investors Martin Ebner hält er entgegen, die alternative Strategie wäre zu riskant. Der Stromkonzern werde auf absehbare Zeit an der Börse bleiben, sagt Alder im Gespräch mit «Finanz und Wirtschaft». Wann wieder eine Dividende gezahlt werde, sei aber schwer zu sagen.

Mehr zum Thema AlpiqAktienperformance spiegelt die schwierige Lage im Sektor.
Lesen Sie im Artikel von FuW-Ressortleiterin Claudia Lanz-Carl mehr dazu.
Herr Alder, Alpiq öffnet bis zu 49% des Wasserkraftportfolios für Investoren. Kommt jetzt das Tafelsilber zum Verkauf?
Ja. Es wäre vermessen zu behaupten, dass dem nicht so sei. Wasserkraft ist ein Ursprung unseres Unternehmens und könnte auch in Zukunft wieder ein wesentlicher Teil von Alpiq sein, aber nicht in der gegenwärtigen schwierigen Situation. Wir behalten bewusst die Mehrheit am Portfolio, weil wir langfristig an die Wasserkraft glauben.

Zur PersonJens Alder ist heute professioneller Verwaltungsrat. Das Amt des Präsidenten hat er nicht nur bei Alpiq, sondern auch beim Werbevermarkter Goldbach und beim Krankenversicherer Sanitas inne. Zudem sitzt er im Verwaltungsrat des US-Softwarekonzerns CA Technologies.
Der 58-jährige Schweizer mit dänischen Wurzeln war von 1999 bis 2006 Swisscom-CEO. Er trat vom Amt zurück, nachdem der Bund als Mehrheitsaktionär den Kauf der irischen Telecomanbieterin Eircom stoppte. Der diplomierte Elektrotechniker (ETH Zürich) verfügt zusätzlich über einen MBA-Abschluss von der französischen Kaderschmiede Insead in Fontainebleau.
Privates gibt Jens Alder, der in der Stadt Zürich wohnt, nicht gerne preis. Er gilt als scharfer Analytiker, präziser Denker und hervorragender Rhetoriker.
Sie müssen wegen der unrentablen konventionellen Produktion handeln . . .
Wasserkraft und Nuklearkraft sind defizitär, der Rest ist profitabel. Dazu zählt das Geschäft mit Energiedienstleistungen, der Handel und die internationale Produktion. Weil das unter dem Strich aber nicht ausreicht, um auf Konzernebene positiv abzuschliessen, gibt es generisch gesehen nur zwei Möglichkeiten.

Und die wären?
Entweder die von uns gewählte – defizitäre Geschäfte anteilig zu verkaufen. Oder die Strategie, voll auf Schweizer Wasserkraft und Nuklearkraft zu setzen, alles Profitable zu verkaufen, und dafür möglichst hohe Preise zu erzielen. Unser Weg ist weniger riskant. Bei der zweiten Variante geht ein Unternehmen eine sehr hohe Wette auf eine künftige Erholung der Preise für die konventionelle Stromproduktion ein.

Ihr Aktionär Martin Ebner, der rund 3% der Titel hält, hat Sie für den Entscheid kritisiert.
Ich kann Herrn Ebner verstehen, er stellt eine rationale Überlegung an. Seine Vorstellung, Wasserkraft zu behalten und das Geschäft mit Energiedienstleistungen zu verkaufen, ist aber eine Wette auf die Preis- und Regulierungsentwicklung in der Schweiz und damit viel riskanter.

Sie sind skeptisch, dass sich die Strompreise im Handel mittel- bis langfristig erholen?
Es spricht vieles dafür, dass die Nachfrage nach Strom langfristig steigen wird, aus konjunkturellen Gründen und weil Mobilität und Wärmeversorgung zunehmend elektrifiziert werden. Der Ausbau der Stromproduktion wird nicht in gleichem Mass stattfinden, weshalb sich die Preise erholen sollten. Alpiq hat aber Verantwortung gegenüber Mitarbeitern und Aktionären. Wir können deshalb keine Hochrisikostrategie fahren.

Ist der Verkauf des Wasserkraftportfolios der nötige Befreiungsschlag?
Unser Ziel ist es, den Mittelabfluss zu stoppen. Gelingt der Verkauf der 49% am Wasserkraftportfolio und erhalten wir einen angemessen Preis, bringt uns das wieder ins Gleichgewicht. Sollten wir das nicht erreichen, müssen wir weitere Devestitionen prüfen. Es gibt im Konzern noch Aktivitäten, für die wir möglicherweise nicht der beste Eigner sind.

Wie sehen Ihre Ziele bezüglich Cash aus?
Wir müssen unser Fremdkapital immer wieder refinanzieren, deshalb ist der Erhalt der Kapitalmarktfähigkeit ein zentrales Ziel. Dafür müssen wir den Cashflow und den Bestand an flüssigen Mitteln im Unternehmen im positiven Bereich halten, um uns allenfalls selbst refinanzieren zu können.

Ist eine volle Aufspaltung zwischen konventioneller Produktion und neuen Geschäftsfeldern, wie vom deutschen Stromkonzern Eon umgesetzt, eine Option?
Wir versuchen, ein diversifizierter Konzern zu bleiben und den defizitären Bereich zu verkleinern.

Und wenn die bisherigen Anstrengungen nicht ausreichen?
2016 wird ein spannendes Jahr für Alpiq. Wenn wir nicht in Balance kommen, müssen wir die Strategie, uns von defizitären Bereichen zu trennen, noch stärker forcieren.

Alpiq hat die Dividende für 2015 ausgesetzt. Wann schütten Sie wieder aus?
Eine Dividende wäre ein Liquiditätsabfluss. Wenn wir mehr Zuversicht haben, dass sich der Strommarkt erholt, zahlen wir wieder eine Dividende. Wann das sein wird, ist schwer zu sagen.

Von Energie-Services verspricht sich die Branche profitables Wachstum – zu Recht?
Es war richtig, dort zu investieren. Unsere Energiedienstleistungen sind profitabel und wachsen. Das organische Wachstum ist im Rahmen der Erwartungen, jedoch konjunkturabhängig. Alpiq kann nicht in grossem Stil zusätzlich in Wachstum investieren.

Ist Alpiq too big to fail?
Nein, wenn es um unsere 2,3 Mrd. Fr. Nettoverschuldung inklusive Hybridkapital geht. Das ist nicht «too big», auch wenn ein Ausfall für die Obligationäre eine Katastrophe wäre. Das eigentliche Problem sind die Partnerkraftwerke, weil sie zu etwa drei Vierteln mit Fremdkapital finanziert sind. Die Partner sind jeweils anteilig verantwortlich, das Fremdkapital zu bedienen. Wenn Alpiq die Mittel nicht mehr aufbringen könnte, käme es zu einer Kettenreaktion. Das Risiko tragen die übrigen Partner an den Kraftwerken, und es sind viele Versorger tangiert. Ein Default von Alpiq ist aber kein realistisches Szenario.

Sie haben die Anreizstrukturen für das Management angepasst. Warum?
CEO und CFO hatten unter anderem das Ziel, dass Alpiq bis 2018/2019 ein A-Rating von Kreditanalysten erhält. Das ist nicht realistisch, die Ziele waren damit nicht glaubwürdig. Die neuen Ziele fokussieren auf die Liquidität des Unternehmens und die Umsetzung der Strategie. Das ist realistisch und vor allem wesentlich stärker durch das Management beeinflussbar.

Mit Repower (RE 40.75 -2.04%) geht wieder ein Versorger von der Börse. Prüfen Sie einen solchen Schritt?
Die Frage ist angesichts eines Streubesitzes von 12% berechtigt. Eine Dekotierung ist auf absehbare Zeit aber keine vernünftige Option für Alpiq. Wir wollen die knappen flüssigen Mittel nicht in ein Going Private investieren. Auch strategisch ist eine Dekotierung nicht sinnvoll, weil sie eine Mittelbeschaffung im Aktienmarkt zu einem späteren Zeitpunkt ausschliesst.

Als Swisscom-CEO haben Sie Erfahrung im Telecomsektor gesammelt. Was sind mögliche Lehren für die Strombranche?
Es gibt viele Parallelen. Beides sind kapitalintensive, netzwerkbasierte Geschäfte, und beide bewegen sich in einem europäischen Kontext. Es sind aber auch Infrastrukturen von nationaler Bedeutung. Im europäischen Telecomsektor hat sich gezeigt, dass Länder mit einem Fokus auf tiefe Konsumentenpreise weniger attraktiv für Investitionen sind. Auf die Energiebranche übertragen heisst das: Ein Regulator sollte sich davor hüten, die Investitionsanreize im Stromsektor zu schwächen.

Heisst das, Sie plädieren für eine Rückkehr zum Monopol?
Wird der Markt voll geöffnet, gibt es nur Verlierer. Stromunternehmen mit Kunden in der Grundversorgung könnten diesen künftig nur noch den tiefen Marktpreis verrechnen, unabhängig von den eigenen Produktionskosten. Hunderte Gemeindewerke und damit die Gemeinden wären auf einen Schlag in finanziellen Schwierigkeiten. Umgekehrt ist der Weg zurück ins Monopol auch keine Lösung, weil privates Kapital nicht mobilisiert werden kann. Der halbgeöffnete Markt, den wir heute haben, ist eine Kombination der Nachteile beider Varianten und völlig verquer.

zoomzoomDie Struktur des Verwaltungsrats gibt Anlass zu Kritik. Braucht es dreizehn Mitglieder?
Im Zuge des Zusammenschlusses von Eos und Atel zu Alpiq wurde ein Konsortialvertrag geschlossen, der vier Verwaltungsräte für jeden der drei grossen Gruppen – EDF (EDF 12.635 2.1%), Eos und das Konsortium von regionalen Versorgern und dem Kanton Solothurn – vorsieht. Es kommt also das Interessenmodell zum Tragen. Hätten wir ein Kompetenzmodell, dass keinerlei Vertretung der grossen Aktionäre vorsieht, würde gut die Hälfte an Mitgliedern genügen.

Warum legt Alpiq die Inhalte des Konsortialvertrags nicht offen?
Es besteht sicher Interesse an einer Offenlegung. Beim Börsengang der Alpiq bestand der Konsortialvertrag aber bereits. Aktionäre, die Aktien gezeichnet haben, waren sich dieser Tatsache also bewusst. Es dürfte auch sehr schwierig sein, das recht komplexe und umfangreiche Dokument verständlich zugänglich zu machen.

Wie effizient und wie kompetent ist der Verwaltungsrat von Alpiq?
Ich bin der einzige unabhängige Verwaltungsrat und vertrete somit den Streubesitz. Es ist insofern ein effizientes Arbeiten, als dass die wesentlichen Interessen vertreten sind. Es ist auch ein weitgehend kompetentes Gremium.

Wie stark bringt sich der französische Stromriese EDF im Verwaltungsrat ein?
Ursprünglich wollte EDF industrieller Partner der Schweizer Aktionäre sein. Es findet auch tatsächlich ein Wissenstransfer statt. Eine Beteiligung von 25% rechtfertigt das aber nicht. Inzwischen sieht EDF Alpiq eher als eine Finanzbeteiligung.

Dann ist ein Ausstieg von EDF vor allem an eine Erholung des Aktienkurses gekoppelt?
Die Beteiligung ist eine rein finanzielle Frage und abhängig von der Nachfrage und dem Preis für ein solches Aktienpaket.

Der Stromsektor ist sehr kleinteilig, mit Hunderten Versorgern. Ist eine Konsolidierung nicht überfällig?
Konsolidierung hat mit Skaleneffekten und Reichweiten zu tun. In der Schweizer Produktion ist das mit den Partnerkraftwerken weitgehend realisiert. Auf der Höchstspannungsebene ist mit der Netzgesellschaft Swissgrid ebenfalls eine Konsolidierung gelungen. Beim Verteilnetz bietet sich ein solcher Schritt weniger an. Bei Zukunftsthemen wie intelligenten Stromnetzen macht eine stärkere Zusammenarbeit Sinn, und der stärkste Treiber für eine Konsolidierung wäre eine volle Marktöffnung, weil der finanzielle Druck auf die Branche zunehmen würde.

Die Politik ist im Stromsektor recht aktiv. Braucht Alpiq nicht eher weniger Staat im Aktionariat oder in der Regulierung?
Ich sehe keinen kausalen Zusammenhang zwischen einem staatlichen Eigentümer und der Performance eines Unternehmens. Im Schweizer Energiesektor habe ich aktuell erheblichen Zweifel daran, dass der Staat die Rahmenbedingungen so setzt, um für privates Kapital attraktiv zu sein.

Glauben Sie noch an ein Stromabkommen mit der EU?
Alpiq braucht möglichst ungehinderten Zugang zu europäischen Märkten, damit wir grosse Absatzmärkte für unsere flexiblen Produktionskapazitäten haben. Die Schweiz ist als Markt dafür nur bedingt geeignet. Für die gesamte Schweiz ist eine Integration aus Gründen der Versorgungssicherheit zentral, um die Schwankungen in der Stromproduktion zwischen Sommer und Winter auszugleichen. Es kann nicht im nationalen Interesse sein, an der Gestaltung des europäischen Strommarktes nicht zu partizipieren, in welche Richtung sie auch geht.

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