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12:07 Uhr - 13.06.2016

Rio-Tinto-Chef: Kupferkönig trotzt dem Marktumfeld

Nach einer schwierigen Zeit weckt der neue Rio-Tinto-Chef Hoffnungen auf eine Phase des Wachstums beim zweitgrössten Bergbaukonzern der Welt. 

Am 2. Juli löst Jean-Sébastien Jacques Sam Walsh als CEO bei Rio Tinto (RIO 1940.5 -0.03%) ab. Der Chefwechsel beim Rohstoffmulti ist nicht nur in personeller Hinsicht ein Turnaround: Während Walsh versuchte, in einem schwierigen Geschäftsumfeld Kosten einzusparen, soll sich Jacques, unter Branchenkennern auch unter dem Kürzel J. S. bekannt, vermehrt dem Wachstum des Unternehmens widmen.

Der intellektuelle J. S. unterscheidet sich nicht nur in professioneller Hinsicht von seinem australischen Vorgänger Walsh. So stellt er mit seiner französischen Herkunft einen regelrechten Exoten in der von Australiern und Südafrikanern dominierten Bergbauindustrie dar. Der 44-Jährige bekundet offen seine Liebe zu teurem Champagner, Rugby und Tschaikowsky-Opern.

Seine Hochschulausbildung absolvierte er an der renommierten Ingenieursschule École Centrale Paris, die berühmte Namen wie Gustave Eiffel, den Baumeister des Eiffelturms, oder Armand Peugeot (UG 13.175 -2.08%), Gründer des gleichnamigen Automobilkonzerns, zu ihren Alumni zählt.

Nach seinem Studium arbeitete er in Indonesien für den Kosmetikhersteller L’Oréal (OR 162.75 -0.4%). Daraufhin kehrte er nach Europa zurück und sammelte Erfahrungen im Rohstoffbereich. Die letzten vierzehn Jahre verbrachte der gebürtige Franzose mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern in Grossbritannien; mittlerweile verfügt er über die britische Staatsbürgerschaft.

Mit seinen 44 Jahren ist Jean-Sébastien Jacques der jüngste CEO, der jemals bei Rio Tinto amtierte. Doch frischer Wind ist genau das, was der Rohstoffspezialist im gegenwärtigen Markt braucht. So leidet die Branche seit geraumer Zeit unter dem volatilen ökonomischen Umfeld, das sich in niedrigen Eisenerz- und Kupferpreisen niederschlägt. Auch die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums in China, dem weltweit grössten Abnehmer von Rohstoffen wie Eisenerz oder Kupfer, macht Rio Tinto zu schaffen; 2015 schrieb das Unternehmen einen Verlust von 866 Mio. Fr.

Trotz dieses unerfreulichen Jahresergebnisses schaffte es Sam Walsh, die finanzielle Stabilität bei Rio Tinto wiederherzustellen. Er kürzte die Betriebsausgaben um 6 Mrd. Fr. und setzte primär auf das Geschäft mit Eisenerz, das zurzeit für 72% der Einnahmen sorgt. Doch die Abhängigkeit von nur einem Rohstoff wird von den Investoren heftig kritisiert. Das Unternehmen, das gestärkt aus der Amtszeit Walshs hervorgeht, sei wieder bereit für eine wachstumsorientierte, diversifiziertere Strategie, so die Anleger.

Dass J. S. der richtige Mann für Wachstumsprojekte ist, beweist er bereits seit 2011 als Kupfer- und Kohlechef bei Rio Tinto. Nach jahrelangen Verhandlungen mit der mongolischen Regierung gelang es ihm, eine 5,3-Mrd.-$-Expansion der Oyu-Tolgoi-Kupfermine in der Mongolei umzusetzen, was ihm den Ruf als ausgezeichneter Dealmaker einbrachte. Im Verlauf der nächsten Dekade soll sich der Output in Oyu Tolgoi auf jährlich 500 000 Tonnen verdoppeln.

Auch in seiner Funktion als CEO möchte Jacques, anders als sein Vorgänger, die Bedeutung von Kupfer im Portfolio Rio Tintos weiter stärken, um das Wachstum des Unternehmens voranzutreiben. Gemäss seiner Vorhersage soll sich der Kupferpreis in den nächsten zwei bis drei Jahren weitgehend erholen. J.S. spekuliert zudem, dass direkte Konkurrenten wie BHP Billiton (BLT 823.2 -0.38%), Glencore (GLEN 132.75 -0.56%) und Anglo American weiterhin Kupferminen verkaufen werden, um an Kapital zu gelangen. Dies würde einerseits den Kupferpreis weiter stabilisieren und andererseits Rio Tinto in absehbarer Zeit eine führende Position im globalen Kupfermarkt gewährleisten.

Ob sich die optimistischen Prophezeiungen von Jean-Sébastien Jacques als berechtigt erweisen, sei noch dahingestellt. Sicher ist jedoch schon jetzt, dass der charismatische Franzose neuen Schwung in Rio Tinto bringen und dem schwierigen Marktumfeld mit allen Kräften trotzen wird.

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