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08:19 Uhr - 22.05.2016

Aryzta zieht den Zorn einer deutschen Region auf sich

Der Backwarenhersteller schliesst unvermittelt ein Werk in Sachsen-Anhalt. Sein Vorgehen wirft erneut grundsätzliche Fragen auf.

«Eine ganze Region ist entsetzt, niemand war eingeweiht, auch nicht die Politik», schrieb der Online-Kanal von MDR Sachsen-Anhalt. Der Anlass: Die Grossbäckerei Fricopan, eine Tochter von Aryzta (ARYN 38.86 0.23%), schliesst den Standort in Immekath im Altmarkkreis Salzwedel in Deutschland. Betroffen sind über 500 Arbeitsplätze.

Offenbar hat das Unternehmen die Schliessung am Mittwoch vorletzter Woche erst per Aushang im Werk angekündigt und als Gründe dafür eine schlechte Auslastung sowie eine schlechte Verkehrsanbindung angeführt – Mitarbeiter, Betriebsrat oder Politik wurden zuvor nicht in den Plan eingeweiht. Am darauffolgenden Montag gab die Aryzta-Tochter dann an einer Betriebsversammlung Details bekannt.

Brisant daran ist auch, dass Aryzta für den Standort Immekath staatliche Förderung bekam, später für einen anderen Standort im Land Sachsen-Anhalt sogar eine zweite – und jetzt, nachdem die Bindefrist für die Fördermittel abgelaufen ist, das Werk Immekath schliesst.

Der Linke-Landtagsabgeordnete Andreas Höppner, früher Betriebsratschef von Fricopan, hat Aryzta darauf vorgeworfen, Fördermittelmissbrauch begangen zu haben. Wie die Agentur dpa berichtete, forderte das Unternehmen Höppner per strafbewehrte Unterlassungserklärung auf, seine Behauptung nicht zu wiederholen. Gegenüber MDR Sachsen-Anhalt sagte Höppner, dass jeder einzelne der von der Schliessung betroffenen Arbeitsplätze «ganz teuer verkauft» werde, mit Blick auf den Sozialplan und Abfindungen.

Damit ist absehbar, dass bei der akquisitionsfreudigen Aryzta, die Fricopan 2008 erworben hatte, wieder Sonderkosten anfallen. Der Backwarenhersteller wies im Geschäftsjahr 2015 für das fortlaufende Geschäft transaktions- und restrukturierungsbezogene Sonderkosten von insgesamt 280 Mio. € aus – 2010 waren es noch weniger als 5 Mio. € gewesen.

Das Ausmass der Sondereffekte wirft immer mehr die Frage auf, welche Zahlen von Aryzta die Realität adäquat wiedergeben: Das Management betont, dass der bereinigte Betriebsgewinn vor Wertberichtigungen von 2010 bis 2015 für das fortlaufende Geschäft fast 150% stieg. Nach testierter Erfolgsrechnung sank der Betriebsgewinn, inklusive Sondereffekte, in der Zeit insgesamt fast 70%.

Eine andere Frage ist, ob die Schliessung des Werks in Immekath nicht eine Ad-hoc-Mitteilung erfordert hätte. Ein Sprecher der SIX erklärt, die Einschätzung obliege dem Emittenten. An Aryzta gerichtete Fragen dazu und zu den Gründen wie den Kosten der Schliessung sind am Freitag unbeantwortet geblieben. Seit dem Höchst im Juli 2014 haben die Aktien 56% verloren. «Finanz und Wirtschaft» hält am Urteil fest: nicht anlagetauglich.

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