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07:08 Uhr - 03.10.2017

Wandelanleihen entmystifizieren

Die Untergrenze ist nicht verbindlich, und die Gewinnchance wird manchmal teuer erkauft.

Bei Aussagen und Kommentaren, die über Wandelanleihen kursieren, fällt auf: Einerseits wird vielfach und ohne Einbindung des Kontexts mit Allgemeinplätzen und Pauschalisierungen argumentiert. Andererseits werden die bekannten positiven Eigenschaften – insbesondere der Schutz gegen grosse Kursverluste – gebetsmühlenhaft hervorgehoben. Das verleiht Wandelanleihen den Anschein eines allzeit beglückenden Allwetterinstruments. Wenig anderes ist zu erwarten, kaum ein Anlagespezialist schiesst sich mit kritischen Aussagen zur Anlageklasse seiner Wahl ins eigene Bein. Doch enttäuschte Erwartungen von Investoren können für ganze Anlageklassen massiven langfristigen Kollateralschaden anrichten.

Diese Ausgangslage dient zum Anlass, zwei der wichtigsten regelmässig auftauchenden Eigenschaften von ihrem fehlkommunizierten heilbringenden Charakter zu entmystifizieren: den Bond Floor (Obligationswert) und die implizite Volatilität der Call-Option. Es gilt zu hinterfragen, was sie tatsächlich liefern können und wo ihre Grenzen liegen.

Bond Floor ist keine Garantie

Den Leser von Kommentaren beschleicht vielfach das Gefühl, dass der Bond Floor – die Preisuntergrenze, auf die eine Anleihe aus momentaner Sicht fallen kann – eine gegebene, einbetonierte Linie ist. Viel zu oft wird suggeriert, dass ein Wandelanleihenportfolio mit hohem Bond Floor verlässlich vor übermässigen Kursverlusten schützt. Häufig müssen Wandelanleihenmanager den Bond Floor als Zahl ausweisen, um ihren Anlegern konkret mitzuteilen, wo sich in unserer sicherheitsfixierten Welt der Stop Loss des Portfolios befindet.

Doch der Bond Floor ist ein rein theoretisches, auf zeitbeschränkten Annahmen basierendes Konzept und hat keineswegs verbindlichen Charakter mit Garantieansprüchen. Er leitet sich aus der Kreditqualität des Emittenten (Credit Spread des Wandlers gegenüber Staatsanleihen), der Laufzeit und dem Zins ab.

Laufzeit und Zins sind fixe Grössen, die Kreditqualität hingegen ist beweglich. Sie kann sich ändern, manchmal erschreckend abrupt, wenn Papiere mit Anlagequalität (Investment Grade) unvorhergesehen auf Junk (Speculative) heruntergestuft werden. Dann liegt ein ursprünglich statisch veranschlagter Bond Floor plötzlich nicht mehr bei 90% des Nominalwerts, sondern bei 75% oder tiefer.

Von Anlagequalität zu Junk

Der Generikahersteller Teva Pharmaceuticals hat Anfang August anschaulich gezeigt, wie wenig sich der Anleger auf den Bond Floor verlassen kann. Eine fünfjährige Kreditausfallversicherung (Credit Default Swap, CDS) des Schuldners kostete über lange Zeit eine Prämie von 90 Basispunkten (0,9%), was die geringe Ausfallwahrscheinlichkeit und das offizielle Rating von BBB spiegelte. Als Teva Ende Juli verkündete, verstärktem Preisdruck ausgesetzt zu sein, höhere Abschreibungen vornehmen zu müssen, und sich zusätzlich mit der Situation von Schuldenüberhäufung konfrontiert sah, brach ein «perfekter Sturm» aus, der den Aktienkurs halbierte und die Kreditausfallversicherung auf 215 Basispunkte explodieren liess.

Das zeigt sich am Kurs der Wandelanleihe 0,25% Teva Pharmaceuticals 2006/2016. Wo der Bond Floor jetzt zu veranschlagen ist, hat sich zu einer rein akademischen Frage gewandelt. Es ist nicht einmal klar, ob das Unternehmen in seiner heutigen Form überlebensfähig ist.

Aber selbst wenn sich an der «objektiven» Qualität eines Emittenten nichts ändert, können in Krisenphasen durch grosse institutionelle Anleger erheblicher Preisdruck und erhöhte Volatilität entstehen, wenn sie sich entschliessen, ihr Wandelanleihenportfolio rasch zu veräussern. Kurzfristig ist es also völlig unerheblich, wo sich der theoretische Bond Floor rechnerisch befindet. Wandelanleihen können über längere Zeit darunter handeln, was sich in tieferen Bewertungskursen des Gesamtportfolios niederschlägt.

Seriöse Fondsmanager sollten ihren Anlegern proaktiv vermitteln, dass das Ausweisen dieses theoretischen Bond Floor eine Scheinsicherheit suggeriert, die der Realität nicht gerecht wird. Sie sollten dies durch aussagekräftigere Risikokennzahlen ersetzen. Wandelanleihen als Aktiensubstitut zu klassifizieren und eine höhere Risikotragfähigkeit einzufordern, wäre ein erster wirkungsvoller, symbolbehafteter und richtungsweisender Schritt.

Call-Option ohne Arbitrage

Die implizite (erwartete) Volatilität der Call-Option lässt sich aus dem Preis der Wandelanleihe unter verschiedenen Annahmen herleiten und mit einem Optionsmodell berechnen. Sie ist aber leider – anders als oft fälschlicherweise beschrieben – keineswegs gegeben, sondern hat ein nachfragebedingtes und losgelöstes Eigenleben und variiert dadurch erheblich in ihrem Wert. Wenn sich ein Benchmark-Schwergewicht mit Investment-Grade-Rating und optisch hohem Bond Floor starker Nachfrage erfreut und sich die Wandelanleihe nach der Emission durch Zukäufe verteuert, ist es nicht untypisch, dass ihre implizite Volatilität erheblich höher liegt als bei vergleichbaren börsengehandelten Optionen auf dieselbe zugrundeliegende Aktie.

Die implizite Volatilität ist dann vom eigentlichen Marktwert deshalb losgelöst, weil sich die überteuerte Option des Wandlers nicht risikolos gegen die günstiger vorhandenen Optionen am Markt arbitrieren lässt – Wandelanleihen lassen sich nur aufwendig und risikobehaftet leer verkaufen. Wann immer also Wandelanleihenspezialisten auf synthetische Wandler ausweichen, beginnen die Warnleuchten als klares Indiz dafür zu leuchten, dass die implizite Volatilität und damit die Wandelanleihe als Ganze zu teuer ist.

Wenn in solchen Marktphasen die Konvexität von Wandelanleihen – das nach oben offene Gewinnpotenzial bei begrenztem Verlustrisiko – in der Presse als vorteilhaft gepriesen wird, kommt das einem Spiel mit dem Feuer gleich. Wandelanleihen steht keine absolute und sakrosankte Betrachtungsweise zu, sie müssen sich an anderen Finanzinstrumenten messen lassen und sich relativ behaupten.

Die Wandelanleihe 0% Safran (SAF 87.04 0.69%) 2016/2020 des französischen Rüstungskonzerns hinkt der Aktie weit hinterher. Weil die Optionalität des Wandlers überteuert ist, dauert es eine gefühlte Ewigkeit, bis er bei steigendem Aktienkurs seine Prämie abbaut und an Traktion gewinnt.

Es gilt an dieser Stelle zu betonen, dass ein solider Bond Floor und die implizite Volatilität der eingebauten Call-Option in Kombination kaum zu überschätzende und einzigartige positive Charakteristika von Wandelanleihen darstellen. Sie sind für die gewünschte Konvexität verantwortlich und haben über lange Marktphasen ihre Vorzüge bewiesen – jedoch nicht zu jeder Zeit in gleich hohem Ausmass.

Wenn der relative Preis für die eingebaute Sicherheit und Konvexität von vornherein überhöht ist, ist kaum zu erwarten, dass die zu erzielende Rendite über die Laufzeit befriedigend ausfällt. Wenn die Erwartung, ein Kursverlust werde vermieden, zu hoch ist, können Anleger in Stressphasen nur enttäuscht werden.

Vorzüge unter Beweis gestellt

Beide Komponenten können umgekehrt zu einem bestechenden Risiko-Rendite-Verhältnis beitragen, wenn sich am Markt Papiere finden lassen, die nicht überteuert oder sogar fehlgepreist sind. Wandelanleihen bieten wegen der fehlenden Standardisierung und der damit verbundenen Komplexität eine optimale Voraussetzung für aktives Management. Glücklicherweise ist das Anlageuniversum vielfältig und gross genug. Ausserhalb der Benchmarks lassen sich Wandelanleihen mit äusserst attraktivem Risiko-Rendite-Profil finden.

Der Anspruch eines langfristig orientierten aktiven Fondsmanagers muss sein, diese günstigen Risiko-Rendite-Profile zu einem soliden Portfolio zu strukturieren. Falls dies aufgrund spezifischer Marktgegebenheiten jedoch nicht möglich ist, sollte er sich mit einem Brief an seine Anleger in den Urlaub verabschieden und sich dann zurückmelden, wenn die Bewertungen wieder derart attraktiv sind, dass er vorbehaltlos und ohne schlechtes Gewissen die Vorzüge von Bond Floor und Konvexität preisen kann. Diese übertreffen dann wahrscheinlich auch wieder die zuvor geweckten Erwartungen einer immer treuer werdenden Anlegerschaft.

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