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11:12 Uhr - 21.03.2016

Die Hindernisse der Schweizer Fintech-Branche

Die Finanztechnologie-Branche ist beachtlich gewachsen, doch ob sie den Sprung auf die Weltkarte schafft, ist fraglich.

Die Schweizer Finanztechnologie-Branche (Fintech) ist in kurzer Zeit beachtlich gewachsen. Doch ein Selbstläufer ist die weitere Entwicklung nicht, wie das Institut für Finanzdienstleistung Zug (IFZ) der Hochschule Luzern in einer Studie aufzeigt. Der Markt ist zu klein: Wer als Start-up heute an Kapital und Kunden will, muss ins Ausland.

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zoom162 Fintech-Unternehmen mit Sitz in der Schweiz zählt das IFZ für 2015. Dabei sind Start-ups, Direktbanken, Technologie- und Informatikfirmen. Alle Fintech-Bereiche werden in der Schweiz etwa gleichmässig abgedeckt. «Das Angebot an innovativen digitalen Finanzdienstleistungen ist beachtlich», sagt Studienleiter Thomas Ankenbrand.

zoomDas Schweizer Fintech-Mekka ist dabei klar Zürich mit 72 Unternehmen, gefolgt von einem Kanton, den man bei diesem Thema nicht zwangsläufig auf dem Radar hat: Zug, mit 21 Unternehmen. Und um sie herum entstand ein ganzes Ökosystem aus Inkubatoren und Akzeleratoren, Interessenverbänden sowie zahlreiche Anlässe, Tagungen, Konferenzen und Treffen.

Wo ist das Wagniskapital?

Prinzipiell sei auch das Kapital zur Förderung der jungen Firmen vorhanden, so Ankenbrand. «Von einem generellen Engpass kann man nicht sprechen.» Dennoch muss an diesem Punkt differenziert werden, was die Studie auch tut.

zoom2015 wurden weltweit insgesamt schätzungsweise 20 Mrd. $ in den Fintech-Bereich gesteckt, vor allem in den USA und Grossbritannien – die Fintech-Zentren dieser Welt. In der Schweiz flossen 2015 laut dem Swiss Venture Capital Report jungen Unternehmen 676 Mio. Fr. zu. Zwei Drittel des Volumens konnten Unternehmen aus dem Bio- und Medtech-Sektor auf sich vereinen. Fintech-Unternehmen bekamen lediglich 27 Mio. Fr. an Wagniskapital. «Das Kapital konzentriert sich auf wenige grosse Deals», sagt Dennis Just, Gründer und CEO von Knip, einem digitalen Versicherungsbroker. Seine Firma konnte im vergangenen Jahr mit 15 Mio. Fr. die grösste Finanzierung eines Schweizer Fintech-Start-ups bisher einsammeln.

Das Team des IFZ zählt für die Schweizer Fintech-Unternehmen (Start-ups wie Etablierte) 30 Transaktionen in 2015. Insgesamt wurden rund 500 Mio. Fr. in den Sektor gesteckt. Aber auch hier machen zwei Deals das Gros aus. Einmal gab der Bankensoftwarehersteller Temenos (TEMN 49.35 -1.3%) eine Anleihe aus und Konkurrent Avaloq gab einen Anteil von 10% an die Genossenschaftsbank Raiffeisen.

Warum also konzentriert sich das grosse Geld, wenn überhaupt, nur auf wenige Deals und Unternehmen? Dazu drei (nicht abschliessende) Thesen:

1. Die Szene ist noch jung: Die meisten Fintech-Firmen wurden erst in den vergangenen drei Jahren gegründet. Darum gibt es schlicht noch nicht viele passende Investmentmöglichkeiten, weshalb laut IFZ-Studie viele Schweizer Wagniskapitalgeber eher im Ausland investieren würden. Als zum Beispiel der Fintech-Akzelerator Fusion in Genf sein Programm startete, waren nur 24% aller Bewerber Schweizer Unternehmen. 2015 öffnete der Inkubator der Börsenbetreiberin SIX seine Türen. Für fünf Start-ups wäre Platz. Nur eines genügt zurzeit den Ansprüchen. Sogenannte Unicorns (Einhörner), also Start-ups, die mit mindestens 1 Mrd. Fr.  bewertet werden, gibt es in der Schweizer Fintech-Branche nicht. Nur die etablierten Softwareschmieden Avaloq und Temenos (die vom IFZ zu Fintech gezählt werden) sowie der Derivatespezialist Leonteq (LEON 101.8 0%) erreichen einen Unternehmenswert von über 1 Mrd. Fr.

2. Der Markt ist zu klein: «Wagniskapitalgeber gehen in die grossen Märkte», sagt Michael Bornhäusser, Leiter des Bereichs Private Equity (PEHN 63.35 -0.94%) bei der Privatbank Sallfort. Für alles, was über Startfinanzierung hinausgeht, gebe es keine Anbieter in der Schweiz, so Just, dessen Hauptinvestoren mittlerweile aus dem Ausland kommen.

Im Fintech-Bereich spielt die Musik vor allem in den USA. Dort war Bornhäusser beim bisher grössten Börsengang eines Fintech-Unternehmens beteiligt, der Crowdfunding-Plattform Lending Club (LC 8.93 2.64%).  Für Europa sei London der Platz in Sachen Fintech. «Darum gehe ich als Start-up am besten schnell dort hin», sagt Bornhäusser. Nicht nur wegen der Kapital-, sondern auch wegen der Nachfrageseite. Die Zahl möglicher Nutzer ist in der Schweiz überschaubar. «Sollen langfristig Fintech-Arbeitsplätze hier erhalten und neue geschaffen werden, müssen sich die Unternehmen international positionieren und Markteintritte im Ausland wagen», sagt Thomas Ankenbrand.

3. Der Regulator muss mitdenken: Stehen die Fintech-Firmen im globalen Wettbewerb, tut dies auch die Finanzmarktaufsicht (Finma), deren Regeln nun mit denen Londons oder Singapurs verglichen werden. Zwar hat sich die Finma des Themas angenommen, doch beispielgebend ist sie nicht. Einzelne Schritte werden unternommen, wie die Online-Kontoeröffnung. Doch in London hat der Regulator einen annähernd regelfreien Raum zur Entwicklung junger Unternehmen geschaffen (Sandbox). In der Schweiz wird diese Möglichkeit erst noch diskutiert.

 

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