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16:24 Uhr - 15.08.2022

Die Krux der Verrechnungssteuerreform

Einnahmenausfälle lassen sich eher berechnen als der Nutzen. Das spielt den Gegnern in die Hände. Ein Kommentar von Arno Schmocker.

Den kommenden Volksabstimmungen am 25. September kann der Bundesrat alles andere als gelassen entgegensehen. Die grösste Chance auf ein Votum im Sinn der Landesregierung, auf ein Nein, hat wohl die Massentierhaltungsinitiative, eine Variante der vor einem Jahr deutlich abgelehnten Trinkwasser- und Pestizidinitiativen. Eng werden wird es bei der AHV-Reform, während der Reform der Verrechnungssteuer eine ähnliche Schlappe wie derjenigen der Stempelsteuer im Februar blüht.

Zwar ist die Schweizer Wirtschaft, besonders im internationalen Vergleich, immer noch in einem erstaunlich robusten Zustand. Doch eine Steuerreform mag nach dem Schultern grosser Coronaschuldenberge und in Zeiten ungewohnt hoher Inflation «unzeitgemäss» daherkommen. Zudem führt das Referendumskomitee ähnliche (Schein-)Argumente gegen die Teilreform an wie gegen die Abschaffung der Stempelabgabe.

Grosskonzerne und ausländische Grossinvestoren werden vom Referendumskomitee von vornherein als potenzielle Steuerhinterzieher abgestempelt. Sie erhielten «neue Sonderrechte». Nüchtern betrachtet geht es hingegen um die Beseitigung von Nachteilen.

Nicht nur grosse Unternehmen, sondern gerade auch die öffentliche Hand und Staatsunternehmen – und damit indirekt die ganze Bevölkerung – profitieren von der Reform, etwa dank günstigerer Refinanzierung. Die Eidgenössische Steuerverwaltung schätzt die Einsparungen auf 60 bis 200 Mio. Fr. pro Jahr.

Es drohten Steuerausfälle von 600 bis 800 Mio. Fr. jährlich, schreibt das Referendumskomitee im Abstimmungsbüchlein. Adrian Hug, Direktor der Eidgenössischen Steuerverwaltung, bezifferte sie am Montag auf lediglich 250 Mio. Fr. Und das erst nach etlichen Jahren, denn die Abschaffung von 35% Verrechnungssteuer gälte gemäss Schlussentscheid des Parlaments ab Anfang 2023 einzig für neu ausgegebene Obligationen. Wie bei der AHV handelt es sich nur um eine Minireform, die weniger als 5% der Verrechnungssteuereinnahmen des Bundes betrifft.

Was das Referendumskomitee verschweigt, sind die dynamischen Effekte, die mit einer Teilreform der Verrechnungssteuer verbunden wären. Erfahrungsgemäss passen die Marktteilnehmer ihr Verhalten an veränderte steuerliche Rahmenbedingungen an.

In diesem Fall ist davon auszugehen, dass der einheimische Fremdkapitalmarkt einen Teil des ans Ausland verlorenen Geschäfts zurückholen kann, was mehr Steuereinnahmen und einen naturgemäss nicht quantifizierbaren Gewinn an Arbeitsplätzen ergibt. Vor allem gegenüber Luxemburg hat die Schweiz Terrain eingebüsst, dies immerhin lässt sich belegen: Seit 2009 ist das Volumen emittierter Anleihen hierzulande mehr als die Hälfte geschrumpft, während es im Grossherzogtum kräftig zugelegt hat.

Im Einzelfall ist es schwierig, die positiven Effekte einer gezielten Steuerabschaffung zu beziffern. Aber die Entwicklung des Kantons Zug zum Beispiel und der Schweiz überhaupt zeigt, dass attraktive Steuerbedingungen langfristig nicht schlecht sein können.

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