Die Stimmen zum Brexit reichen von «absoluter» Unsicherheit bis «gar nicht so grosser» Schaden. Und rechte Politiker im Rest der EU wittern ihre Chancen.
In den ersten Reaktionen ist die Überraschung über den Ausgang deutlich.
«Noch Tage, bis sich der Markt beruhigt»
Der Chief Investment Officer der UBS, Mark Haefele, schreibt: «Liquidität dürfte dünn sein und die Volatilität hoch unmittelbar nach dem Resultat. Es könnte Tage brauchen, bis sich die Märkte beruhigen.» Er nimmt wegen den Unsicherheiten keine Änderungen an der taktischen Anlageempfehlung vor. «Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass die Zentralbanken koordiniert Liquidität bereitstellen.»
«Britische Firmen und Branchen, die am engsten an der inländischen Wirtschaft hängen – wie Finanzen, zyklischer Konsum und Mid-Cap-Titel – sollten weiter underperformen», meint Haefele. In der Eurozone würden wohl Finanztitel am härtesten getroffen werden.
«Am Traurigsten heute ist, dass Grossbritannien schnell in eine Phase wirtschaftlicher Rezession schlittern wird», schreibt Richard Buxton, CEO des britischen Asset Managers Old Mutual Global Investors.
«Ich rechne damit, dass die Bank of England heute um die Mittagszeit eine Zinssenkung bekannt geben wird», schreibt Steen Jakobsen, Chefökonom von Saxo Bank, in einem Marktkommentar.
«Phase der absoluten Unsicherheit»
Der Chefökonom der Berenberg Bank, Holger Schmieding, rechnet mit einer Phase der «absoluten Unsicherheit». Das werde in ganz Europa die Konjunktur belasten. Er rechnet damit, dass Hersteller von Investitionsgütern die Folgen deutlicher spüren, also werde Deutschland stärker betroffen sein als etwa Spanien.
Europa-Chefökonom Jonathan Loynes von Capital Economics glaubt, der Schaden für die Wirtschaft Grossbritanniens sei kleiner als befürchtet. Schliesslich bleibe das Land wegen des Austrittverfahrens noch mindestens zwei Jahre in der EU. «Das gibt genügend Zeit, die Wirtschaftsbeziehung zu der EU und zum Rest der Welt zu klären», schreibt Loynes. Er erwartet einen Anstieg der Inflation in Grossbritannien und wegen des tieferen Pfunds eine Belebung des Exports.
«Negativ aus Schweizer Perspektive»
«Das Ergebnis des Referendums ist sehr negativ aus einer Schweizer Perspektive», meint der BSI-Chefökonom Stefan Gerlach, ehemaliger Vizegouverneur der Zentralbank von Irland, in einem Kommentar. «Es wird die Schweizerische Nationalbank unter intensiven Druck bringen.»
Zwar seien die wirtschaftlichen Auswirkungen vor der Abstimmung übertrieben worden, aber die Unsicherheit werde Vermögenspreise und Wirtschaftswachstum in Grossbritannien und der Eurozone nach unten drücken. Dies werde auch in die Schweiz überschwappen. Der Franken werde unter Aufwertungsdruck stehen, die Rendite schweizerischer Anleihen werde weiter sinken.
Es sei laut Gerlach nun unwahrscheinlich, dass die US-Notenbank die Zinsen in nächster Zeit erhöhen wird.
Schneller Start der Austrittsverhandlungen
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz rechnet mit einem schnellen Start der Austrittsverhandlungen mit Grossbritannien. «Wir haben uns auf einen Brexit vorbereitet», sagt Schulz im deutschen Fersehen ZDF. Er rechne allerdings nicht damit, dass es nun zu einer Kettenreaktion komme.
Die Chefin des rechten Front National in Frankreich sieht im Entscheid der Briten ein Sieg der Freiheit. «Jetzt braucht es ein Referendum in Frankreich», twitterte sie.
Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders forderte via Twitter ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft seines Landes. «Hurra für die Briten. Jetzt sind wir dran.»
Nigel Farage, Chef der EU-Feindlichen UKIP-Partei, schlug im BBC-Radio vor, den 23. Juni zum britischen Unabhängigkeitstag zu küren.
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