Maxime Carmignac, Managing Director von Carmignac in Grossbritannien, äussert sich zu den Vorteilen, eine Boutique zu sein, und zur Nachfolgeplanung.
Die Chancen stehen gut, dass Maxime Carmignac dereinst die Nachfolge ihres Vaters als CEO beim gleichnamigen Vermögensverwalter übernehmen wird. Seit 2009 ist sie wieder im Familienunternehmen tätig, in den vergangenen sechs Jahren als Managing Director in Grossbritannien.
Frau Carmignac, welche Vorteile sehen Sie darin, dass Carmignac ein Familienunternehmen ist?
Wir glauben, dass uns dies einen klaren Vorteil verschafft. Es ermöglicht uns eine langfristige Ausrichtung. Wir streben nicht nach möglichst guten Quartalszielen. Wir sind hier, um den langfristigen Anlagebedarf unserer Kunden abzudecken. Zudem sind wir unabhängig. Das ermöglicht es uns, die Kunden und ihre Bedürfnisse in den Vordergrund zu stellen.
Wo sehen Sie die Herausforderungen eines Familienunternehmens?
Operative Führung und Governance müssen sich ergänzen. Ein Familienunternehmen muss immer die richtige Balance finden zwischen Familienbesitz und Governance. Die Unabhängigkeit unseres Vorstands und der Umgang mit unseren Minderheitsaktionären sind in diesem Zusammenhang wichtig.
Was sind die Ziele von Carmignac?
Unsere Aufmerksamkeit gilt unseren Kunden, denen wir die beste Beratung bieten wollen, um ihre finanziellen Ziele zu erreichen. Deswegen sind wir geografisch und was unsere Produkte angeht sehr fokussiert. Dieser Fokus ist wichtiger für uns als Wachstum.
Also gibt es keinerlei Wachstumsziele?
Wir wollen eine Boutique bleiben. Wir glauben, dass wir in diesem gegenwärtigen Umfeld unseren Kunden etwas anderes, Unabhängiges bieten können, das von grösserem Wert ist. Als Boutique kann man zudem agil und innovativ sein. Wir verfolgen ein anderes Geschäftsmodell als die grossen Anbieter.
Welchen Vorteil haben Sie als Boutique gegenüber grösseren Anbietern?
Wir geben nicht vor, dass wir alles können. Wir wollen die Besten in gewissen Nischen sein. Eine klare Positionierung ist gerade heute in Anbetracht von börsengehandelten Fonds, ETF, und passiven Anlagen wichtig. Entweder man spielt das Spiel der Grösse, was gewisse Anbieter sehr gut machen, oder man differenziert sich als Boutique. Aber die Mitte ist unter Zugzwang.
Wie betrifft der Trend zum passiven Investieren Ihr Geschäftsmodell? Kunden schauen heute zum Beispiel genauer auf die Gebühren als früher.
Wenn man nur der Benchmark folgt, und es gibt einen Index, der das Gleiche bietet – für ein Zehntel des Preises –, dann hat man sicher ein Problem. Aber wenn man sich von anderen differenzieren kann, dann schafft man einen Mehrwert, und das mindert die Diskussion über die Gebühren. Dabei stehen thematische Fonds im Vordergrund. Wir haben eine globale Strategie entwickelt auf der Basis unserer eigenen Datenbank mit den 500 grössten Unternehmen mit familiärem Engagement. Das Wachstum von passiven Anlageprodukten und Smart-Beta-Angeboten zwingt uns, besser zu sein. Dafür brauchen wir die besten Talente.
Wie können Sie mit dem kleineren Angebot als die grossen Vermögensverwalter die Bedürfnisse der Kunden erfüllen?
Wir können nicht überall innovativ sein. Also müssen wir eine Schnittmenge aus dem finden, was unsere Kunden wünschen, und dem, was wir bieten können. Unser Carmignac Portfolio Family Governed Fund ist ein gutes Beispiel. Er investiert nur in Familienbetriebe: Da haben wir eine Brücke gebaut zwischen unserer DNA, unserer Erfahrung, dass Governance wichtig ist, und dem Wunsch unserer Kunden. So wollen wir bei Carmignac innovativ sein.
Sie sind regelmässig in der Schweiz. Was ist typisch für den hiesigen Markt?
Der Schweizer Markt ist einzigartig. Obwohl das Land nur rund 8 Mio. Einwohner hat, ist es ein unglaubliches Reservoir an Unternehmertum und Vermögen. Das schafft auch ein spezielles Mindset. Wir fühlen uns stark mit der Schweiz verbunden, da wir Gemeinsamkeiten wie Familienunternehmertum und langfristige Denkweise teilen und wir beide «klein und schön» sein wollen.
Welches Potenzial sehen Sie in der Schweiz?
Wir sehen ein grosses Potenzial. Im Mai erst wurde der Fonds aufgesetzt, der in gut geführten Familienunternehmen investiert ist. Seither war ich mehrmals in der Schweiz, um mich mit den führenden Privatbanken auszutauschen, und das ist sehr gut gelaufen. Oft kommt das Geld der wohlhabenden Kunden aus ihrer eigenen unternehmerischen Tätigkeit, und so sind sie offen dafür, dort zu investieren, wo sie Erfolgsaussichten besser einschätzen können.
Werden Sie nun die Nachfolge Ihres Vaters antreten?
Die Nachfolgeregelung ist für uns sehr wichtig. Unser Plan bei Carmignac basiert auf zwei Säulen. Erstens, Carmignac soll weiter im Besitz der Familie bleiben. Dies ist der Schlüssel zu unserer DNA, und wie gesagt, es ermöglicht langfristiges Denken, Unabhängigkeit und Kundenorientierung. Die zweite Säule sind Meritokratie und Leistungsbereitschaft. Bei Carmignac wollen wir die bestmögliche Person in einen bestimmten Job bringen, unabhängig davon, ob sie aus der Familie kommt oder nicht.
Noch immer gibt es sehr wenige Frauen in Top-Positionen in der Finanzindustrie.
Gemäss einer Studie des Beratungsunternehmens McKinsey starten in den USA gleich viele Frauen wie Männer eine Karriere im Asset Management. Aber in der Chefetage gibt es gerade mal noch 14% Frauen. Dazwischen bleiben viele Frauen in der Karriereleiter hängen.
Was können Unternehmen dagegen tun?
Unternehmen können vier Dinge tun, damit die Frauen bleiben. Erstens flexible Arbeitszeiten einführen. Zweitens muss man weibliche Vorbilder innerhalb des Unternehmens fördern. Bei Carmignac werden zwei Drittel des verwalteten Vermögens von Frauen mitverwaltet. Drittens kann man Frauen professionelles Training anbieten. Denn oft wollen sie zum Beispiel nicht die Ersten sein, die nach einer Beförderung oder einer Lohnerhöhung fragen.
Wieso?
Oft fehlen ihnen das Selbstvertrauen und das Durchsetzungsvermögen.
Und der letzte Punkt?
Auch Männer müssen in den Prozess zur Förderung der Diversität einbezogen werden. So sieht die Gruppe weniger selbstfördernd aus, und es bringt natürlich wiederum mehr Diversität in den Prozess.
Werden Sie manchmal müde, stets über dieses Thema zu reden, weil Sie halt eine der wenigen Frauen in diesem Metier sind?
Nein, ich rede immer gerne darüber und versuche der Sache dienlich zu sein, um für das Thema zu sensibilisieren. Hier bei Carmignac glauben wir aber eher an Meritokratie denn an Quoten. Rose Ouahba und Marie-Anne Allier, die zwei Frauen, die gegenwärtig an der Spitze der Fondsmanager stehen, sind dort, weil sie die besten zwei für diesen Job sind. Wir brauchen die qualifizierteste Person in dieser Position – und natürlich ist es grossartig, wenn das eine Frau ist. Quoten können kurzfristig ein Gewinn, langfristig aber ein Risiko sein.
Wie hat sich diese Thematik in den vergangenen Jahren verändert?
Gegenwärtig haben wir ein grosses Momentum, und das ist grossartig. Aber etwas bleibt oft unter dem Radar: mehr Frauen als Endinvestorinnen anzusprechen.
Da sehen Sie noch Potenzial?
Ja. Frauen sind mittlerweile besser ausgebildet, mehr Frauen sind berufstätig als früher, die Einkommenslücke zwischen den Geschlechtern verringert sich allmählich. Und Frauen leben länger als Männer. Deshalb wachsen die Unabhängigkeit und die finanzielle Kraft der Frauen in unserer Gesellschaft. Studien sagen voraus, dass in vierzig Jahren zwei Drittel der weltweiten Vermögen in den Händen von Frauen in entwickelten Ländern sein werden. Trotz dieses massiven strukturellen Trends werden Frauen von der Finanzindustrie noch nicht genug gut verstanden.
Was bedeutet das für Ihre Branche?
Frauen neigen dazu, als Endinvestorinnen andere Ziele zu haben. Sie wollen Transparenz, Einfachheit und ein klares Ziel. Sie wollen hören, was mit ihrem Geld verändert respektive erreicht wird. Als Asset-Manager haben wir gegenwärtig eine grosse Aufgabe darin, Frauen dabei zu begleiten, zielgerichteter zu investieren.
Welche Rolle spielen nachhaltige Investitionen?
Investieren mit Fokus auf ökologische, soziale und Governance-Aspekte, ESG, ist keine Modeerscheinung. In zehn Jahren lautet die Frage nicht, wie viele Fonds mit ESG-Kriterien wir haben, sondern die Kunden fragen, wie viele Fonds ohne diese Kriterien es noch gibt. Wir haben nur einen Planeten, und wir müssen unser Bestes geben, ihn zu bewahren.
Wie sieht das konkret aus?
Wir haben seit der Gründung von Carmignac eine Ausschlussrichtlinie, und wir investieren nicht in Tabak, Kohle (Kohle 66.6 0%) und Waffen. Auf der Investitionsseite haben wir heute drei Fonds mit ESG-Zertifizierung. Wir wollen sehr sorgfältig vorgehen und kein Greenwashing betreiben.
Wie stellen Sie sicher, dass ESG-Kriterien wirklich erfüllt werden?
Unsere ESG-Fonds werden von Portfoliomanagern mit grosser ESG-Affinität und mit einem fundierten Anlageprozess verwaltet. Diese Auswahl ist bereits seit über zehn Jahren Teil ihres Prozesses. Es ist einer der drei zentralen Pfeiler ihres Investmentprozesses.
Welchen Auswahlansatz verfolgen Sie?
Bei unseren ESG-Fonds wenden wir unsere eigenen Kriterien an. Wir verlassen uns nicht rein auf die Daten von anderen Anbietern. Oft gehen diese Datenanbieter nach einem genauen quantitativen Prozess vor, gewissermassen «tick the box». Wie viele Frauen sind im Management eines Unternehmens und weitere solche Fragen werden abgehakt. Aber wir wollen mehr machen als das. Wir schauen jedes Unternehmen einzeln an und schaffen einen qualitativen Mehrwert für unseren Investmententscheid.
Familiär und erfolgreich
Mit gegenwärtig 37 Mrd. € verwalteten Vermögen versteht sich der Asset-Manager noch immer als Boutique – und als Familienbetrieb. Zum Vergleich der US-Riese BlackRock (BLK 434.21 0.05%) – ein Jahr vor Carmignac gegründet – verwaltet gegenwärtig rund 6,84 Bio. $. Rund ein Drittel investiert Carmignac in Aktien. Momentan verwaltet die Gesellschaft 35 Fonds mit insgesamt 21 verschiedenen Investitionsstrategien. Seit der Gründung habe sich die Gesellschaft immer nur auf wenige dafür ausgewählte Fonds konzentriert. Der Vorzeige-Fonds Patrimoine weist im laufenden Jahr eine Rendite von 6,3% aus.
Vor dreissig Jahren hatte der heutige Chef und CIO Édouard Carmignac zusammen mit Eric Helderlé den gleichnamigen Vermögensverwalter gegründet. Seither hat er sich auch global einen Namen gemacht. Zehn Jahre war Carmignac auf den französischen Markt konzentriert, bevor zuerst die Expansion nach Luxemburg und 2008 in weitere europäische Länder gelang. Während der Finanzkrise machten die Franzosen mit überdurchschnittlichen Renditen auf dem Fonds Carmignac Patrimoine auf sich aufmerksam. Seit 2015 ist die Gesellschaft auch von ihren Büros in Zürich aus tätig. 2018 lancierte Carmignac zusammen mit der Credit Suisse (CSGN 12.085 0.92%) einen Multi-Asset-Fonds für Anlagen in Schwellenländern.
Heute befinden sich noch 70% des Unternehmens im Besitz der Familie, knapp ein Drittel der Anteile gehört den 280 Mitarbeitern. Das soll auch künftig so bleiben. Seit längerem wird darüber spekuliert, was passiert, wenn der heute 72-jährige Gründer kürzertreten will. Anfang Jahr hat er bereits die Verwaltung des Fonds Patrimoine abgegeben. Gute Chancen auf seine Nachfolge hat Tochter Maxime.
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